Das Projekt wurde vom Kollegium für Auslandsangelegenheiten geprüft, welches zwar einzelne Vergünstigungen einschränkte, dabei jedoch die Steuerbefreiung auf 20 Jahre ausweitete und der Übergabe von Bauern als Leibeigene zustimmte. Die Instruktion, anhand derer Franzosen für den Umzug nach Russland angeworben werden sollten, wurde bestätigt, in den Küstenstädten wurden Sammelpunkte eingerichtet und die Bedingungen und das Verfahren für den Transport der Übersiedler festgelegt. Nachdem das Kollegium für Auslandsangelegenheiten alle Bedingungen und das Anwerbe-, Transport- und Ansiedlungsverfahren der Franzosen in Russland in einem Sonderbericht dargelegt hatte, schickte es diesen am 14. Januar 1753 an Kanzler Bestuschew-Rjumin, der es der Kaiserin zur Bestätigung überreichen sollte. Dies hatte allerdings keine Resolution der Kaiserin zur Folge, erst im darauffolgenden Jahr ordnete sie mündlich die Übergabe des Berichts an den Senat an. Diesem wurde das Recht eingeräumt, zu allen Fragen, die den Siedlungsort und die den Übersiedlern zugesprochenen Vergünstigungen betrafen, eine Lösung zu finden.
Die extrem langsame Senatsarbeit und der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges verhinderten letztendlich eine Bestätigung des Projekts von De Lafont. Ein nicht weniger trauriges Schicksal wurde auch dem Projekt des sächsischen Generals Weißbach zuteil, welcher vorgeschlagen hatte, sich die durch unzählige Kriegsquartiere, die Einberufung von Rekruten und die harten Strafen Friedrichs II. im Zuge des Siebenjährigen Krieges entstandene Emigration aus Preußen in angrenzende polnische Gebiete zunutze zu machen. Die aus Pommern, Preußen und Schlesien stammenden Flüchtlinge, die mehrheitlich Protestanten waren, erhielten nicht nur keinerlei Unterstützung von der polnischen Regierung, sondern wurden auch von der katholischen Kirche unterdrückt. Weißbach wollte mit seinem Projekt insbesondere die militärische Macht Friedrichs II. schwächen und die massenweise Desertation aus seiner Armee noch weiter verstärken. Er schlug vor, die deutschen Flüchtlinge in Südrussland anzusiedeln und ihnen eine ganze Reihe von Vergünstigungen und Privilegien zu gewähren.3
3.3. Kolonisationspolitik und Manifeste
Katharinas der Großen
Wir sehen also, dass die Frage, wie ausländische Staatsangehörige zur Eroberung öder und zurückeroberter russischer Gebiete angelockt werden sollten, zur Zeit Elisabets von der russischen Regierung bereits untersucht und im Hinblick auf das Treffen praktischer Entscheidungen Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden waren. Anhand dieser umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen lässt sich auch erklären, weshalb Katharina II. ihr erstes Manifest vom 04. Dezember 1762 innerhalb kurzer Zeit verabschiedete – es wurde nämlich lediglich fünf Monate nach ihrer Krönung am 28. Juni 1762 veröffentlicht. Dieses Dokument lud Ausländer verschiedener Nationalitäten (Juden ausgenommen) dazu ein, sich in Russland anzusiedeln, und gestatteten Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat, die sie zuvor aus verschiedenen Gründen verlassen hatten. Mit ihrem Manifest setzte Katharina II. die Projekte fort, die bereits unter Elisabeth Petrovna begonnen worden waren, ihr Schwerpunkt lag dabei jedoch nicht mehr in der Schaffung neuer Fabriken und Manufakturen in den Städten, sondern in der Entwicklung des Ackerbaus und der damit verbundenen Gewerbe. Obwohl das Manifest in verschiedenen Sprachen gedruckt und in den Ländern Europas verteilt wurde, zog es keine praktischen Folgen nach sich. Dies hatte damit zu tun, dass es keine konkreten Bedingungen und Vergünstigungen für Übersiedler enthielt.
Eine solche Reaktion auf das erste Manifest Katharinas II. stellt einen sehr wichtigen Punkt dar, der klar aufzeigt, dass in der europäischen Bevölkerung zu jener Zeit keine potenziellen Migranten existierten, die ohne wesentliche und genau definierte Bedingungen, Vergünstigungen und Garantien dazu bereit waren, in andere Länder wie Russland überzusiedeln.
Darüber war sich auch die russische Regierung im Klaren, weshalb sie aktiv an der Vorbereitung eines neuen, grundlegenden Dokuments arbeitete. Dieses stellte schließlich das weit bekannte Manifest Katharinas II. vom 22. Juli 1763 dar: „Über die allen nach Russland einreisenden Ausländern erteilte Erlaubnis, sich in Gouvernements ihrer Wahl niederzulassen, und über die ihnen gewährten Rechte“. Am selben Tag wurden von ihr der „Erlass an den regierenden Senat über die Einrichtung einer Vormundschaftskanzlei für Ausländer“ und die „Instruktion der Vormundschaftskanzlei für Ausländer hinsichtlich ihrer Pflichten bei der Organisation der Aufnahme ausländischer Übersiedler in Russland“.4
Zum Präsidenten der Kanzlei wurde Graf Orlow ernannt, der von diesem Moment an sämtliche Vollmachten erhielt, welche für die Aufnahme und Ansiedlung der Ausländer und die praktische Lösung aller Fragen notwendig waren, die mit der Verwaltung, Finanzierung und Entwicklung der Kolonisten Siedlungen zusammenhingen. Dabei ist anzumerken, dass die im Manifest aufgelisteten Vergünstigungen und Privilegien keine prinzipielle Neuerung der damals in Europa vorherrschenden Kolonisationspolitik darstellten und in vielerlei Hinsicht aus entsprechenden Dokumenten Preußens, Dänemarks, Österreichs und Englands übernommen wurden, welche bereits unter Elisabeth Petrovna untersucht worden waren. Allerdings waren sie für potenzielle europäische Übersiedler vorteilhafter und attraktiver und wurden zu einer äußerst wichtigen Grundlage der gesamten russischen Kolonisationspolitik im 18. und 19. Jahrhundert.
Bereits in den ersten Zeilen des Manifests Katharinas II. aus dem Jahr 1763 ist von einer nicht geringen Anzahl „unbebaut liegender“ und ungenutzter Ländereien innerhalb des Imperiums die Rede, die „mit vorteilhafter Bequemlichkeit zur Bevölkerung und Bewohnung des menschlichen Geschlechtes nutzbarlichst könnten angewendet werden“. Diese „halten in ihrem Schoose einen unerschöpflichen Reichtum an allerley kostbaren Erzen und Metallen verborgen; und weil selbiger mit Holzungen, Flüssen, Seen und zur Handlung gelegenen Meerung gnugsam versehen, so sind sie auch ungemein bequem zur Beförderung und Vermehrung vielerley Manufacturen, Fabriken und zu verschiedenen Anlagen.“ Damit wird die allen ausländischen Staatsangehörigen erteilte kaiserliche Erlaubnis begründet, frei ins Land einreisen und sich in allen Gouvernements des Russischen Imperiums niederlassen zu dürfen.
In den ersten fünf Paragrafen des Manifests werden die für Ausländer geltende freie Einreise, die Vorgehensweise und die bei entsprechendem Ersuchen zu durchlaufenden Instanzen, die Bezahlung der Umzugskosten im Falle fehlender finanzieller Mittel, das Recht auf freie Berufs- und Standortwahl, die verpflichtende Annahme der russischen Staatsangehörigkeit und die Leistung des Treueschwurs auf die Kaiserin verkündet, die folgenden Paragrafen verkünden die für Übersiedler geltenden Privilegien und Vergünstigungen. Deren Darstellung beginnt mit dem für die Mehrheit der Ausländer äußerst wichtigen Recht auf freie Religionsausübung, welches in den meisten Fällen den Ausschlag für die Entscheidung zur Emigration gegeben hatte. Das Manifest gestattete nicht nur die „freie Religions-Übung nach Kirchen-Satzungen und Gebräuchen“, es erteilte auch „die Freyheit, Kirchen und Glocken-Türme zu bauen und dabey nöthige Anzahl Priester und Kirchendiener zu unterhalten“. Der Bau von Klöstern war hingegen nicht erlaubt, daneben war es unter Androhung der Strenge der Gesetze verboten, andere russische Staatsangehörige zum eigenen Glauben zu bekehren, wovon „dem Mahometanischen Glauben zugethane Nationen“, die an den Grenzen des Imperiums lebten, ausdrücklich ausgenommen waren.
Die Ausländer, die sich in Russland niedergelassen hatten, wurden von sämtlichen Abgaben und Steuerzahlungen, der Übernahme außerordentlicher Dienste und von Unterhaltsleistungen an Militärquartiere befreit. Dies galt an den Siedlungsorten der Kolonisten für einen Zeitraum von 30 Jahren, in Sankt Petersburg, Moskau und den Städten Livlands, Estlands, des Ingermanlands, Kareliens und Finnlands für einen Zeitraum von fünf Jahren und in Provinzstädten und sonstigen Städten für einen Zeitraum von 10 Jahren.
Allen, die „Manufacturen, Fabriken und Anlagen“ errichten wollten oder „zum Kornbau“ geneigt waren, wurden nötige Hilfsleistungen und Unterstützung zugesagt. Für den Hausbau, die Viehaufzucht und die Anschaffung von Produktionsmaterialen, Produktionsgeräten und Werkzeugen wurden benötigte Kredite zinsfrei zur Verfügung gestellt. Diese mussten nach Ablauf von zehn Jahren in drei gleichen Teilen innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt werden. Den Übersiedlern wurde gestattet, Eigentum für den Eigenbedarf zollfrei nach Russland einzuführen, darüber hinaus war auch die Einfuhr von Waren, die für