1. Ein Joch entspricht ungefähr 0,57 ha
2. Ein Gulden entspricht 60 Kreuzern
Wie aus den Daten der Tabelle hervorgeht, wurden die Übersiedlungsbedingungen aus ökonomischer Perspektive mit jedem Folgezeitraum vorteilhafter und attraktiver: Wurden die Kolonisten zu Beginn des Jahrhunderts während der Regierungszeit Karls VI. über einen Zeitraum von drei Jahren und in der Mitte des Jahrhunderts während der Regierungszeit Maria Theresias über einen Zeitraum von sechs Jahren von der Steuerzahlung befreit, so waren sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts während der Regierungszeit Josephs II. 10 Jahre lang vollständig von der Steuerlast befreit. Genauso verbesserten sich auch die Finanzierungsbedingungen für den Wohnungsbau und die Bedingungen für den Erwerb von landwirtschaftlichem Inventar und Haustieren.
All das geschah nicht zufällig und infolge einer Laune der plötzlich gutmütig gewordenen österreichischen Monarchen, vielmehr ging die Verbesserung der Einladungs- und Siedlungsbedingungen für die Übersiedler auf eine ganze Reihe von Faktoren zurück. So war bereits Maria Theresia auf die Konkurrenz des preußischen Königs Friedrich II. und der russischen Zarin Katharina II. gestoßen, die sich ebenfalls aktiv um die Anwerbung und Übersiedlung deutscher Kolonisten in ihre Länder bemühten. Gerade aus diesem Grund sah sich Maria Theresia gezwungen, die Bedingungen für den Zuzug von Kolonisten zu verbessern. Für diese wurde der Zeitraum, in dem keine Steuern erhoben wurden, verdoppelt, daneben erhielten sie eine umfangreichere staatliche Unterstützung beim Bau ihrer Höfe und Wohnungen.
Dennoch blieben die Zahlen derer, die nach Ungarn übersiedelten, hinter den Erwartungen zurück, was insbesondere auf die religiösen Einschränkungen zurückzuführen war. Bekanntermaßen gab Maria Theresia durch ihre Bedingungen katholischen Übersiedlern den Vorzug, während Friedrich II. und Katharina II. Übersiedler unabhängig von deren Glaubenszugehörigkeit nach Preußen und Russland einluden. Dieser Fehler wurde später mit den Einladungsbedingungen von König Joseph II. aufgehoben. Dieser brachte 1781 einen speziellen Erlass (das Toleranzpatent) heraus, welcher alle Einschränkungen aufhob und den Protestanten den Umzug in katholische Länder der Habsburger-Dynastie gestattete.
Kapitel 3.
Deutsche Kolonisten in Russland
3.1. Geschichte der Beziehungen
Kontakte zwischen den Bewohnern deutscher Fürstentümer und der Kiewer Rus werden erstmals gegen Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung erwähnt, und bereits im Mittelalter luden russische Monarchen fremde Staatsangehörige nach Russland ein. Diese wurden für den Kriegsdienst angestellt oder waren als Händler, Mediziner, Apotheker, Bauarbeiter und Meister verschiedener Gewerbe tätig. Sie ließen sich hauptsächlich in Moskau und später im 16., 17. und 18. Jahrhundert in Sankt Petersburg, Woronesch, Saratow und anderen Städten in den sogenannten „deutschen Vorstädten“ nieder.
Während der Regierungszeit Peters I. (des Großen, 30.5.1672 – 28.1.1725) brach für Russland ein neuer Entwicklungsabschnitt an. Die Veränderungen betrafen alle Bereiche des alltäglichen Lebens, die Armee wurde verstärkt und perfektioniert, die Handelsbeziehungen wurden verbessert, Werke und Fabriken wurden erbaut, die staatliche Verwaltung und die internationalen Beziehungen wurden optimiert und die ökonomische und kulturelle Rückständigkeit Russlands wurde überwunden. Dabei machte sich Peter I. die Erfahrung der westeuropäischen Länder und der dort ansässigen Spezialisten zunutze, die Russland durch die Möglichkeit anlockte, ihre Kenntnisse einbringen und schnell Karriere machen zu können. In seinem speziellen Manifest vom 16. April 1702 („Über die Ansiedlung von Ausländern in Russland beim Versprechen freier Religionsausübung“) versprach er den ausländischen Spezialisten einen hohen Lohn, gute Lebens- und Arbeitsbedingungen und freie Religionsausübung, verlangte jedoch auch nach Lehrlingen und der Ausbildung russischer Fachkräfte, die die ausländischen Spezialisten ersetzen sollten. Die Einladung Peters I. und seine Reformen führten zu einer erheblichen Intensivierung des Zustroms von Ausländern nach Russland. Bei diesen bildeten die Auswanderer zahlreicher deutscher Fürstentümer die Mehrheit. Für viele von ihnen wurde Russland zur zweiten Heimat, welcher sie selbst und ihre Nachkommen ergeben dienten, und zu deren Wohl sie ihr Wissen, ihre Seele und Erfahrung einbrachten. Bei allen Initiativen und Reformen Peters I. kamen ausländische Spezialisten zum Einsatz, die erheblichen Anteil an der Entwicklung und Optimierung des Staatsapparates, der Wissenschaft, Kunst, Architektur, Medizin, Wirtschaft, Armee, Flotte und der Kultur in Russland hatten.
Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklung des Außenhandels gelegt. Den ausländischen Kaufleuten, die ins Land eingeladen wurden, wurden bestimmte Vergünstigungen gewährt. Unter den etwa 8.000 Ausländern, die zur Zeit Peters I. in Russland ankamen, waren etwa 500 Kaufleute, die Waffen, Metalle, Stoffe und andere Bedarfsgüter ein- und in Russland hergestellte Waren ausführten.1
Trotz der bedeutenden Zahl an Ausländern, die zur Zeit Peters I. nach Russland kamen, hatte ihre Übersiedlung noch keinen organisierten und planmäßigen Charakter. Sie ließen sich in der Regel in der Hauptstadt und anderen russischen Großstädten nieder.
3.2. Kolonisationsprojekte zur Zeit
von Zarin Elisabeth
Das Erscheinen deutscher Kolonisten in Russland im 18. Jahrhundert wird normalerweise mit dem Namen Katharinas II. (der Großen) in Verbindung gebracht, der deutschen Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst. Diese wuchs im Haus ihres Vaters, des Herzogs von Anhalt-Zerbst, auf, welcher unter Friedrich II. den Preußen diente. Durch diesen Umstand konnte sie sich bereits in jungen Jahren mit der Populationstheorie und ihrer praktischen Umsetzung in Preußen vertraut machen, und es ist wenig verwunderlich, dass sie zu einem aktiven Verfechter derselben wurde, als sie den russischen Thron bestieg.
Allerdings war sie nicht die erste, die diese Ideen in Russland verwirklichte. Schon zur Regierungszeit Elisabeths (Elisabeth Petrovna) gestattete die russische Regierung Auswanderern aus Serbien die Übersiedlung in die Ukraine und siedelte sie am rechten Dnjepr Ufer entlang der damals verlaufenden Grenze zu Polen an. Aus den 16.000 serbischen Siedlern, die sich an diesen Orten niedergelassen hatten, wurden ein Husaren- und ein Infanterieregiment gebildet. Diese hatten die Aufgabe, die russischen Grenzen zu schützen, und ihr kompaktes Siedlungsgebiet erhielt die Bezeichnung Neuserbien. In der Folge siedelten sich in Russland nochmals mehrere Tausend Serben an, denen Ländereien in der Provinz Bachmutsk am linken Flussufer des Severskij Donez, einem großen Zulauf des Don, zugewiesen wurden, und ihre Siedlungen erhielten die Bezeichnung Slawjanoserbien.2 Im Jahr 1764 gehörten diese Gebiete dem erneut geschaffenen Neurussischen Gouvernement an, seine Bewohner wurden als staatliche Bauern registriert, und die Offiziere erhielten den Adelstitel und Ländereien.
Die ersten Projekte im Zusammenhang mit der Einladung ausländischer Staatsangehöriger nach Russland, die die Kolonisation öder Landstriche zum Ziel hatten, wurden ebenfalls noch zur Regierungszeit Elisabeths ausgearbeitet. Die russische Regierung, die sich unter dem Eindruck der erfolgreichen Peuplierungspolitik Preußens befand, setzte sich intensiv mit dem Projekt von Francois de Lafont auseinander, der vorgeschlagen hatte, die noch in Frankreich verbliebenen Protestanten nach Russland umzusiedeln. In seinem Projekt schlug er vor, dem Beispiel des preußischen Königs zu folgen und eine Einladung in Form eines Manifests der russischen Kaiserin unter Angabe der für Übersiedler geltenden Rechte und Privilegien in französischen Zeitungen zu veröffentlichen. Man schlug vor, die Franzosen in der Ukraine entlang des Dnjepr oder an den Wolgaufern und in der Nähe Moskaus anzusiedeln. Das Projekt sah vor, dass die russische Regierung den Übersiedlern die freie Religionsausübung und eine 15-jährige Befreiung von Steuern und Abgaben zusichern, die Kosten des Umzugs und der für die Betriebseröffnung notwendigen Materialien,