Dadurch gelang es Friedrich Wilhelm, der im Unterschied zur mehrheitlich protestantischen Bevölkerung Brandenburgs Calvinist war, nicht weniger als 20.000 französische Hugenotten zur Übersiedlung nach Brandenburg zu bewegen. Von diesen siedelten sich etwa 6.000 in Berlin an. Die neuen Siedler trugen wesentlich zur Belebung der brandenburgisch-preußischen Wirtschaft bei, da viele von ihnen Wissenschaftler, Lehrer, Bankkaufleute, Händler oder Handwerker waren und die Elite der Gesellschaft bildeten. Es kam zur Öffnung von Handelshäusern, neuen Fabriken und Gewerben und zur Entwicklung zahlreicher Strömungen in Kunst und Bildung. Das Vorgehen Friedrich Wilhelms hatte positiven Einfluss auf das Bevölkerungswachstum und führte zu einer Stärkung der staatlichen Wirtschaft.
Nach seinem Tod wird sein Sohn Friedrich III. (11.7.1657 — 25.2.1713) Kurfürst von Brandenburg. Dieser krönte sich 1701 selbst zum preußischen König und setzte die Politik der Immigration ins Land fort, wobei vor allem Hugenotten aus Frankreich und Calvinisten aus der Schweiz ins Land einreisten, die zu großen Teilen hochqualifi- zierte Handwerker waren. Während seiner Herrschaft wütete von 1709 bis 1711 eine Choleraepidemie, der 200.000 Menschen oder fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung Preußens zum Opfer fielen. Die in diesem Zusammenhang gesunkenen Steuereinnahmen und die maßlosen Ausgaben für den Unterhalt des königlichen Hofes führten dazu, dass die Staatsschulden nach dem Tod Friedrichs III. 20 Millionen Taler betrugen, was einem Zehntel der Gesamteinkünfte entsprach.4
Sein Sohn, der neue König Friedrich Wilhelm I. (14.8.1688 – 31.5.1740), in der Geschichte als „Soldatenkönig“ bekannt, begann seine Amtsgeschäfte mit Einsparungen und Kürzungen der Ausgaben für den Unterhalt des Hofes und einer starken Erhöhung der Aufwendungen für die Armee, welche nun ein Fünftel der gesamten Staatseinnahmen ausmachten.
In seiner Rolle als Asket zog er das Schlachtfeld und die Soldatenpritsche den königlichen Annehmlichkeiten vor und widmete all seine Gedanken und Taten der Stärkung der Armee, der Schaffung einer entsprechenden Finanzierungs- und Versorgungslogistik und ihrer zahlenmäßigen Vergrößerung. Dafür war er auf ein Wachstum der Bevölkerung, welche nach den Choleraepidemien zurückgegangen war, angewiesen. Er führt eine ganze Reihe wichtiger Reformen durch, welche auf eine aktive Peuplierungspolitik abzielen, sieht in den Menschen den größten Reichtum des Staates und siedelt in Ostpreußen zwischen 17.000 und 20.000 Protestanten aus Salzburg an, die aus religiösen Motiven zum Verlassen ihres Landes gezwungen waren. Nachdem Friedrich Wilhelm am 2. Februar 1732 die unter dem Namen „Preußisches Einladungspatent“ bekannte Einladung verkündet hatte, kamen die Protestanten vor dem Ende des Jahres 1733 auf dem Wasser- und dem Landweg in Königsberg an. Beachtung verdient auch die von ihm durchgeführte Austrocknung von Sumpfgebieten im Jahre 1732, auf denen er anschließend ein Zentrum zur Aufzucht und Vergrößerung einer Herde verschiedener Dragonerpferderassen schuf, und daneben die Einladung und Ansiedlung protestantischer Flüchtlinge aus Salzburg in der Nähe von Berlin.
Eine derart aktive Peuplierungspolitik ermöglichte es Friedrich Wilhelm I., seinem Sohn Friedrich II. ein blühendes Ostpreußen zu hinterlassen, welches erneut eine Bevölkerung von etwa 600.000 Menschen zahlreicher Nationalitäten hatte, die zu einem Viertel aus Emigranten bestand.4 Auch der Staatshaushalt war wieder gefüllt und die vom Vater hinterlassenen Schulden beglichen. Die Armee wurde hinter dem Russland, Österreichs und Frankreichs zur viertgrößten in Europa, wobei Preußen hinsichtlich seiner Fläche den 10. und hinsichtlich seiner Einwohnerzahl lediglich den 13. Platz belegte.5
Ihren höchsten Entwicklungsstand erreichte die Peuplierungspolitik in Preußen allerdings zur Regierungszeit Friedrichs II. (des Großen), der die Amtshandlungen seiner Vorgänger nicht nur fortsetzte, sondern auch auf andere Bereiche ausweitete und ihre grundlegenden Annahmen und ihre Anwendungspraxis weiterentwickelte. Seine Erfolge auf diesem Gebiet versuchten viele andere europäische Länder zu kopieren. Im Bemühen, möglichst viele ausländische Staatsbürger in seinen Staat zu locken, hielt er nicht nur an den von seinen Vorgängern gewährten Privilegien und Vergünstigungen für Kolonisten fest, sondern weitete sie auch auf andere Bereiche aus. Der Staat befreite die Kolonisten über drei Generationen hinweg vom Kriegsdienst und übernahm die Kosten für die Umsiedlung, die Bodenmelioration, den Hausbau, die Holzzuteilung usw. Er senkte die Steuern und weitere für die Übersiedler anfallende Zahlungen deutlich. Diese hatten nur ein Zehntel der gewöhnlichen Summe zu erbringen, die von der ansässigen Bevölkerung bezahlt werden musste. Allein zur Regierungszeit Friedrichs II. wurden etwa 25 Millionen Taler für die Kolonisation ausgegeben, was durchschnittlich zwischen 400 und 600 Talern pro Familie entsprach.6
Einen äußerst wichtigen Faktor für die Attraktivität seiner Peuplierungspolitik stellte die von ihm verkündete und für jene Zeit einzigartige Glaubenstoleranz dar, die von ihm verteidigt und materiell unterstützt wurde. Dies hatte mit der religiösen Intoleranz in vielen Ländern zu tun, welche deren Staatsbürger zur Emigration veranlasste, aber auch mit der Notwendigkeit, diese Staatsbürger im Rahmen der Integration in den durch ihn eroberten neuen Gebieten Schlesiens und Polens zu verteidigen, deren Bevölkerung größtenteils katholischen Glaubens war. Friedrich II. kontrollierte häufig persönlich, ob die wesentlichen Vorschriften und Projekte der preußischen Politik des Bevölkerungswachstums bestimmungsgemäß umgesetzt wurden. Er bemühte sich um die Entwicklung neuer oder schwach entwickelter Industriezweige im Land und forderte von seinen Beamten nicht einfach eine wachsende Anzahl von Immigranten, sondern Kolonisten, die über Wissen und Erfahrung in bestimmten Tätigkeitsbereichen verfügten und zur Entwicklung progressiver landwirtschaftlicher Anbaumethoden und der Industrie beitragen konnten. Zur Entwicklung der Milchwirtschaft wurden Kolonisten aus Holland eingeladen, Kolonisten aus der Pfalz für den Gartenbau und den Obstanbau, Kolonisten aus Württemberg für den Getreideanbau, Spinner und Weber wurden in Sachsen und Thüringen angeworben. Die ankommenden Übersiedler mussten auf freie Ländereien verteilt werden, wobei nicht nur öde und wenig besiedelte Landstriche zum Einsatz kamen, sondern auch Gebiete, die bereits durch Meliorationsmaßnahmen für die landwirtschaftliche Nutzung erschlossen worden waren. Eine wichtige Besonderheit der Peuplierungspolitik Friedrichs II. stellten zahlreiche Agrarprojekte dar, die die landwirtschaftliche Erschließung zuvor ungeeigneter Ländereien ermöglichten.
Das in diesem Rahmen größte Projekt war die Austrocknung von Sumpfgebieten im Oderbruch. Die Arbeiten daran stellten die zu jener Zeit größten und technisch erfolgreichsten Meliorationsmaßnahmen in Europa dar. Mit der Austrocknung der Sümpfe hatte bereits sein Vater Friedrich Wilhelm I. begonnen. Diesem war es gelungen, einen Teil der Ländereien auszutrocknen und sie für die Versorgung seiner Kavallerie mit Nahrungsmitteln nutzbar zu machen. Allerdings wurden diese Ländereien im Frühjahr ständig überschwemmt, und die schwierigen und kostspieligen Arbeitsmaßnahmen erlaubten es ihm nicht, diese zum Abschluss zu bringen. Friedrich II. war sich dessen bewusst und beauftragte 1740 den anerkannten Spezialisten Simon Leonard von Haerlem damit, eine neue Expertise durchzuführen und ein Konzept zur Trockenlegung der Sumpfgebiete an der Oder auszuarbeiten. 1747 wurde mit den von ihm geplanten Arbeitsmaßnahmen begonnen.