Iska - Die Flucht. Jürgen Ruhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Ruhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754185339
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noch nicht lange dort liegen, denn seine Äste sind noch nicht vermodert und die Blätter noch grün. Hier nimm mein Messer und trenne so viele Äste wie möglich vom Stamm. Dann lass uns die Zweige hier auf den Boden legen.“

      Beide machten sich an die Arbeit. Der Baum lag direkt an dem Pfad, auf dem sie sich befanden. Trotzdem musste jeder Schritt wohl überlegt sein. Die Grenze zwischen festem Boden und Sumpf konnten sie nicht genau bestimmen und es kam mehr als einmal vor, dass Iskas nackte Zehen im Morast versanken.

      Es dauerte eine geraume Weile, das Gekläff der Hunde näherte sich inzwischen wieder sehr stark, dann endlich lagen genügend Äste, Zweige und Blätter über der morastigen Stelle. Vorsichtig stellte Sigmar sich an den Rand und schob seine Füße Stück für Stück weiter vor. Langsam sanken die Äste im Boden ein, aber gerade als Sigmars Füße im Schlamm verschwanden, schienen sie ihn zu tragen. Vorsichtig schob er sich weiter. Schon verschwand der halbe Unterschenkel im Morast und gerade als Iska ihn zur Umkehr bewegen wollte, winkte er ihr aufgeregt zu: „Hier ist der Boden wieder fest. Iska, komm vorsichtig zu mir herüber! Bleibe aber in der Mitte der Äste.“

      Noch einmal stieß er sein Schwert in den Boden und nickte zufrieden. „Der Boden ist wirklich etwas fester, komm schnell!“ Iska tat wie ihr geheißen. Mit einem satten Schmatzen verschwanden ihre Füße im Morast. Aber sie sank nicht weiter ein und vorsichtig setzte sie ebenfalls Fuß vor Fuß, immer in der Angst, noch weiter einzusinken.

      Endlich konnte sie Sigmars ausgestreckte Hand ergreifen. Aufatmend fiel sie auf den feuchten aber festen Boden. Doch Sigmar zog sie wieder hoch: „Keine Zeit zum Ausruhen. Du musst mir noch einmal helfen. Wir müssen die Zweige und Blätter wieder herausziehen. Das wird die Römer hoffentlich ein wenig aufhalten.“ Gemeinsam zogen sie die Äste auf ihre Seite. Zäh klebte der Morast an den Blättern und es war ein schweres Stück Arbeit, alles an Land zu ziehen. Dadurch verloren sie viel Zeit und das Gekläff der Hunde näherte sich unaufhörlich.

      Iska sah Sigmar erschöpft an und Angst schwang in ihrer Stimme mit: „Die Hunde kommen näher. Reicht es denn noch nicht, haben wir nicht genug Äste entfernt?“

      Sigmar schüttelte den Kopf, nahm sich aber keine Zeit die Arbeit zu unterbrechen. „Nur die hier noch. Gleich haben wir es geschafft!“

      Endlich lagen die meisten der Äste am Rand des schmalen Weges, teilweise im Morast und teilweise hinter Büschen. Sollten die Römer ihnen folgen wollen, so müssten die erst einmal selber Äste und Blätter sammeln. Sigmar machte sich aber keine Illusionen, dass die Römer dadurch lange aufgehalten würden. Beide setzten ihren mühevollen Weg fort. Bei aller Eile vergaß der junge Krieger aber nicht, ständig die Festigkeit des Bodens zu prüfen. Einfacher wurde es immerhin dadurch, dass sich hier ein kleiner Pfad abzeichnete, der wohl von Jägern oder Beerensammlern hin und wieder genutzt wurde. Sie kamen jetzt schneller voran.

      Plötzlich blieb Sigmar stehen. „Iska, hörst du das?“

      Iska lauschte, konnte aber außer dem Gezwitscher der Vögel und gelegentlichen Geräuschen, wie sie der Wind in den Bäumen verursachte, nichts vernehmen. „Was soll ich hören? Nein, ich höre nichts.“

      „Genau das meine ich. Das Kläffen der Hunde scheint verklungen zu sein!“

      Iska nickte zustimmend. „Ist das ein gutes Zeichen? Ob wir sie abgehängt haben?“

      „Bestimmt nicht, aber vielleicht haben wir einen kleinen Vorsprung gewonnen. Außerdem rechne ich damit, dass die Römer berittene Truppen um den Sumpf herumschicken. Zu Pferd dürften sie schon längst vor uns sein und auf uns warten!“

      Iska erschrak. Was Sigmar da sagte, würde vermutlich stimmen. Bestimmt warteten zahlreiche Soldaten vor dem Wald schon auf sie. Deswegen wurden sie vielleicht auch nicht mehr von den Hunden verfolgt. Dann blieb ihr Herz fast stehen. „Und wenn sie die Hunde um den Sumpf herumführen und von vorne kommen? Oder von beiden Seiten. Oh, Sigmar, wir sind verloren!“ Schluchzend setzte Iska sich auf den Boden. Die Anstrengung, die Angst und die augenscheinliche Ausweglosigkeit ihrer Flucht forderten jetzt ihren Tribut.

      Sigmar legte ihr eine Hand auf den Kopf. „Iska, es wird ein wenig dauern, bis die Römer die Hunde um den Sumpf herumgebracht haben. Da sind wir längst in Sicherheit.“

      Das stimmte so zwar sicherlich nicht, aber Sigmar erreichte sein Ziel und Iska beruhigte sich etwas.

      „Wenn wir erst einmal aus diesem Sumpf heraus sind, was ja nicht mehr allzu lange dauern kann, dann wenden wir uns nach Süden und weichen somit den Soldaten aus. Dadurch wird unser Weg zwar länger, aber wir laufen den Römern nicht direkt in die Arme.“ Sigmar zog die immer noch leise schluchzende Iska wieder auf die Beine. Dann legte er beide Arme fest um das zitternde Mädchen. Sanft strich er ihr über die kurzen Haare. „Beruhige dich“, sprach er leise auf Iska ein, „wir werden das schaffen. Die Götter sind mit uns.“ Allmählich beruhigte das Mädchen sich wieder. Mit dem Ärmel wischte sie schließlich entschlossen die Tränen fort. Hand in Hand setzten sie erneut ihren Weg fort.

      „Da schau, Iska, ein Reh. Das heißt, wir haben das Sumpfgebiet fast verlassen.“ Sigmar zeigte mit ausgestrecktem Arm auf das Tier, das seelenruhig zwischen den Bäumen an einem Grasbüschel rupfte. Er sprach leise und sein Blick wanderte rastlos zwischen den Bäumen umher. „Lass uns noch ein Stück in dieser Richtung weitergehen und dann nach Süden einen Haken schlagen!“

      Nachdem sie die Richtung geändert hatten, sah Iska Sigmar fragend an. „Sigmar, was ist Süden?“

      „Du kennst nicht viel von der Welt, nicht wahr Iska? Habt ihr keine Lehrer in eurem Dorf, habt ihr niemanden, der euch die Zusammenhänge erklärt und euch unterrichtet?“

      „Unser Dorfältester erzählte mir oft etwas über Römer und die Götter und so. Er meinte auch, ich könnte die Sprache der Fremden erlernen. Aber wir sind einfache Bauern und wichtig für uns ist das Korn auf den Feldern und die Gesundheit unserer Tiere.“

      Iska vermeinte in den Worten ihren Bruder reden zu hören. Doch sie gab nur die Gesetzmäßigkeiten ihrer Dorfgemeinschaft wieder. Beide sprachen leise, fast flüsternd, miteinander und Sigmar lauschte ständig, ob er verdächtige Geräusche hören könnte. Aber alles schien ruhig zu sein und so blieb er plötzlich stehen, wandte sich an Iska, legte ihr beide Hände auf die Schultern und sah ihr fest in die Augen: „Iska, in unseren Dörfern gibt es gelehrte Leute, die auf so mancher Reise viel gesehen und erfahren haben. Dieses Wissen geben sie an die Kinder des Dorfes weiter. So wie die Kinder und jungen Männer, und ja - auch die Frauen - die Kunst des Kampfes von klein auf lernen, so lernen sie auch andere Dinge. Und nicht nur die Sprache der Römer. Wir werden unser Dorf heil erreichen und ich verspreche dir, Iska, dass du von unseren gelehrten Männern ebenso unterrichtet wirst, wie die jungen Leute unseres Stammes.“

      Dem Mädchen rieselte ein warmer Schauer den Rücken herunter. In ihrem Kopf schien sich plötzlich alles zu drehen. Waren es die Worte des jungen Kriegers, die sie so verwirrten, oder war es der Mann selbst? Iska wusste ihre Gefühle nicht zu deuten. Dann endete der magische Moment plötzlich und Sigmar nahm sie wieder an der Hand und zog sie weiter durch den Wald. Sunna hatte in ihrem Wagen schon ein erhebliches Stück Weges zurückgelegt, da tauchte plötzlich der Rand des Waldes vor ihnen auf. Sigmar ging in die Hocke und bedeutete Iska es ihm gleich zu tun. In gebückter Stellung schlichen sie vorwärts. Hinter einem Busch legte der Krieger sich flach auf den Boden und zog Iska neben sich. „Da, neben dem Baum dort hinten lagern römische Soldaten.“ Er hauchte die Worte direkt in Iskas Ohr. „Sei leise und achte darauf, ja kein Geräusch zu machen!“

      Iska konnte die Männer nicht entdecken und angestrengt spähte sie in die angegebene Richtung. Leise drang das Wiehern eines Pferdes zu ihnen herüber. So sehr sie sich auch anstrengte, sehen konnte sie immer noch niemanden. Sigmar richtete sich etwas auf. „Es scheinen drei oder vier Soldaten zu sein. Ihre Pferde sind an einem Baum angebunden. Vermutlich wird es sich um eine Patrouille handeln, die den Wald abriegeln soll. Wie ich sagte, sind sie um den Sumpf herumgeritten und suchen dich jetzt auf dieser Seite.“ Er zeigte mit dem ausgestreckten Arm fort von den Soldaten: „Wir müssen es etwas weiter in dieser Richtung versuchen.“ Ohne ein Geräusch zu verursachen, zogen sie sich wieder tiefer in