Die Maske des Pharaos. Micha Rau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Micha Rau
Издательство: Bookwire
Серия: Tommy Garcia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742746306
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Arme vor der Brust und machte auf strengen Lehrer.

      „Herr Josef Seefeld! Setzen. Sechs!“ Dann lachte er und knuffte mich in den Bauch. „Klar spinn ich! Denn ich hab vorhin auch gelesen, dass die meisten Götter so wie Amun eigentlich Menschen waren, die besondere Fähigkeiten hatten. Zum Beispiel als Medizinmänner oder kluge Herrscher. Im Laufe der Jahrhunderte verehrte man sie immer mehr, und schließlich wurden sie zu Göttern.“

      „Man hat sie halt vergöttert!“, ergänzte ich.

      „Genau! So wie Lazy dich!“

      Im gleichen Moment, als wir beide loslachten, ging Tommys Zimmertür auf und Sanne und Janine kamen herein. Sofort sprang Jever direkt in Sannes Arme. Lazy erhob sich schwerfällig und watschelte zu Janine. Doch es dauerte keine zwei Sekunden, bis wir begriffen, dass etwas nicht stimmte. Janine machte ein völlig verzweifeltes Gesicht. Ihre Augen waren rot und sie schaute so traurig, dass ich einen Schreck bekam. Was konnte bloß passiert sein? Janine bückte sich nicht einmal, um Lazy zu streicheln, der sich an ihr Schienbein lehnte.

      Sanne machte mit Jever auf dem Arm die Tür hinter sich zu und setzte unseren kleinen Freund vorsichtig zurück auf den Boden. Dann nahm sie Janine an der Hand und blickte von mir zu Tommy und zurück.

      „Wir müssen euch was sagen.“

      Ich hatte einen Kloß im Hals und Tommy ging es sicher genauso. Doch im Gegensatz zu mir blickte er Janine fest an und seine Stimme war ruhig wie immer.

      „Kommt, setzt euch erstmal. Ich hol uns was zu trinken.“

      Während er in die Küche ging, ließen wir uns einfach im Schneidersitz auf dem Teppich nieder. Tommy hatte in seinem Zimmer nur den einen Stuhl vor dem kleinen Schreibtisch mit dem Computer und einen riesigen Schlafsessel, den er abends zum Schlafen auszog. Wir fanden es sowieso besser, im Kreis mit unseren Hunden zu sitzen. So ließ es sich viel besser quatschen.

      Bis Tommy zurückkam, sagte niemand von uns ein Wort. Mir war gar nicht wohl, Janine so zu sehen. Ich kannte sie nur als lustiges Mädchen. Na ja, sie war ab und zu ein bisschen übervorsichtig, aber traurig hatte ich sie noch nie erlebt. Was mochte nur geschehen sein?

      Tommy kehrte mit einem Tablett voller Gläser und zwei Flaschen Mineralwasser zurück. Cola oder so etwas gab es bei ihm nicht. Daran hatten wir uns schon längst gewöhnt. Als er die Sachen zwischen uns abstellte, musste Janine doch ein wenig lächeln, denn er hatte auch eine Schüssel und Chips organisiert. Natürlich seine Lieblingschips, die dünnen nur mit Salz.

      „Na ja“, sagte er verlegen, „ich dachte, wenn man was im Bauch hat, geht es einem gleich besser.“

      Er setzte sich zu uns, riss die Tüte Chips auf und schüttete die Hälfte in die große Schüssel.

      Es herrschte eine merkwürdige Stimmung. Eben noch hatte ich mit Tommy gescherzt und keinerlei Sorgen, und jetzt saßen wir mit bangem Herzen da und fühlten uns niedergeschlagen, noch bevor Janine ein einziges Wort gesagt hatte. Wir hatten die unglaublichsten Dinge zusammen erlebt, Gefahren und manch brenzlige Situation überstanden. Aber immer hatten wir uns unbeschwert gefühlt und viel gelacht. Der einzige Moment, an dem Janine Trost gebraucht hatte war der, als wir damals um Mitternacht nach Hause kamen und sie nicht wusste, wie sie das ihren Eltern beibringen sollte. Aber jetzt ...

      „Meine Mutter ist krank.“

      Die Worte kamen leise aus ihrem Mund und sie blickte nicht auf, als sie das sagte. Für einen Moment blieb mir das Herz stehen. Gerade wollte ich eine Handvoll Chips nehmen, um meine Unsicherheit zu verbergen, doch meine Hand blieb, wo sie war. Besorgt sahen wir Janine an. Selbst die Hunde lagen ruhig und mit schief gelegtem Kopf neben uns und spürten die traurige Stimmung.

      „Ich hab gelauscht. Ich meine ... “, sagte sie und hob den Blick, „ ... ich wollte nicht lauschen, aber ich musste nachts auf die Toilette und da hab ich gehört, wie meine Mutter geweint hat.“

      Janine traten Tränen in die Augen und sie schluckte.

      „Mein Vater hat meine Mutter getröstet. Sie soll operiert werden, und dann muss sie lange Zeit in irgendeine Reha ... Reha ... “

      „Rehabilitation“, ergänzte Tommy.

      „Ja. Und das kann ein Jahr dauern. Und sie wissen nicht ... sie wissen nicht ... “, schluchzte sie und konnte die Tränen jetzt nicht mehr zurück halten. „Sie wissen nicht, ob es hilft.“

      Mechanisch streichelte ich Lazy und versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. Ich kannte Janines Mutter nicht. Wir hatten Janine immer nur von zu Hause abgeholt oder hingebracht. Aber ich brauchte nur an meine eigene Mutter denken und konnte mir vorstellen, wie es jetzt in Janine aussehen musste. Ich fühlte mich in dem Augenblick unendlich hilflos. Aber es war Tommy, der mit seiner ruhigen Art unsere Unsicherheit überwand.

      „Weißt du, was ihr fehlt oder in welchem Krankenhaus sie operiert wird? Dann könnten wir ihr vielleicht helfen. Jesse ... mein Vater kennt viele berühmte Leute. Da sind bestimmt auch Ärzte dabei.“

      „Danke, Tommy“, sagte Janine und schenkte ihm einen dankbaren Blick. „Aber ich glaube, das würde nichts helfen. Sie soll in Hamburg operiert werden.“

      „In Hamburg?“, rutschte es mir raus. „Warum das denn?“

      „Heute Morgen haben mir meine Eltern alles erzählt. Da gibt es eine Spezialklinik und mein Vater will das beste Krankenhaus. Ich weiß nicht, was ihr fehlt, und ich wollte nicht fragen.“

      Sanne legte ihre Hand auf Janines Arm.

      „Wollen wir zusammen zu deiner Mutter gehen und sie trösten?“

      Janine holte ein Taschentuch aus ihrer Jeans und putzte sich die Nase.

      „Das ist so lieb von euch. Ich weiß, dass ihr alles für mich tun würdet, aber was können wir denn machen? Wie soll ich ihr denn helfen? Ich bin doch kein Arzt!“

      Wieder liefen ihr dicke Tränen über die Wangen. „Das ist ja noch nicht alles“, flüsterte sie dann.

      „Nicht alles?“, fragte ich leise. „Du kannst uns alles sagen. Wir werden immer bei dir sein, das weißt du doch.“

      Janine nickte stumm. Dann setzte sie an, um etwas zu sagen, aber ihr versagte die Stimme. Schließlich reichte Tommy ihr ein Glas Mineralwasser.

      „Trink erstmal. Dann wird dir gleich besser. Und ich sag dir jetzt mal was. Deine Mutter wird ganz bestimmt wieder gesund. Das weiß ich so sicher wie nichts sonst auf der Welt.“

      Janine blickte in Tommys ruhig schauende Augen und ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. Sie nahm ihm das Glas aus der Hand und trank es halb aus. Als sie dann sprach wusste ich, dass Tommy es geschafft hatte. Ihre Stimme klang fest und sie weinte nicht mehr.

      „Nein, das ist noch nicht alles. Ich bin heute hier, um mich von euch zu verabschieden. Mein Vater hat sich versetzen lassen, um bei meiner Mutter in Hamburg sein zu können. Eine Wohnung hat er auch schon gemietet. Wir wissen ja nicht, wie lange die Reha ... die Reha ... na ihr wisst schon, dauern wird. Also muss ich mitkommen. Vielleicht müssen wir sogar unser Haus verkaufen. Am Montag ... am Montag müssen wir schon los.“

      „Du kannst doch nicht einfach weggehen! Was sollen wir denn ohne dich machen?“ Jetzt hatte auch Sanne Tränen in den Augen, und ich selbst fühlte mich auf einmal schwer wie ein Stein. Janine war unsere beste Freundin. Was gingen mir auf einmal nicht alles für Gedanken durch den Kopf. Seit wir vier zusammen waren, war alles ganz anders als früher. Wenn Janine wegziehen würde, dann... dann...

      „Ich will doch auch nicht weg von euch“, sagte Janine bedrückt. „Aber es geht nicht anders. Vielleicht können wir nach diesem einen Jahr wieder hierher zurückziehen.“

      Wir schwiegen. Ich glaube, jeder von uns wusste, dass das nicht passieren würde. Wenn Janines Vater erst einmal in einer anderen Stadt arbeitete, dann blieb er auch da. Und mit ihm seine ganze Familie.

      „Das Wichtigste ist, dass deine Mutter gesund wird“, sagte Tommy und kraulte Jever gedankenverloren