Die Maske des Pharaos. Micha Rau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Micha Rau
Издательство: Bookwire
Серия: Tommy Garcia
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742746306
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ersten Begegnung wusste ich, dass er mein Leben lang mein Freund bleiben würde.

      Als ich jetzt vor Tommys Wohnungstür stand und auf Lazy wartete, der sich mühsam die Treppen hoch schleppte, dachte ich genau an dieses erste Zusammentreffen mit Tommy und wie es mein Leben verändert hatte. Und nicht nur meins, auch das von Sanne und Janine. Endlich war Lazy oben und ich klingelte. Jesse, Tommys Stiefvater, öffnete die Tür und begrüßte mich.

      „Hallo Joe! Komm doch rein. Tommy ist in seinem Zimmer und brütet über irgendwelchen Ägyptern.“

      Jesse hieß eigentlich Manfred, aber mit seinen langen Haaren und den dunklen Augen erinnerte er mich sofort an den Jesse aus der Fernsehserie Full House, und seit ich ihn das erste Mal so nannte, riefen ihn alle nur noch Jesse. Er war Maler und konnte Bilder malen, die einem den Atem verschlugen. Seine Landschaftsbilder wirkten von weitem wie Fotos. Und ich rutschte immer gerade so mit einer Vier minus durch den Kunstunterricht!

      Jesse ließ mich rein, und ich schaute kurz in die riesige Küche, um Tommys Mutter zu begrüßen. Dann ging ich zu seinem Zimmer und öffnete die Tür. Im nächsten Moment ertönte ein quiekender Laut, ich vernahm ein paar tapsende Schritte und ehe ich mich versah, sprang mir ein wirbelndes und zappelndes Etwas in die Arme, das mit seiner kleinen rosa Zunge versuchte, mein Gesicht abzulecken!

      „Jever!“, rief ich und versuchte so gut ich konnte, seine Zunge aus meinem Ohr fernzuhalten. „Kannst du mich denn nicht einmal wie ein normaler Hund begrüßen?“

      Aber das war dem kleinen Kerl einfach nicht möglich. Jedes Mal, wenn er mich sah, sprang er mir einfach in die Arme. Ich drückte den süßen Frechdachs an mich und schaute nach Lazy, der tatsächlich auch schon aus der Küche hinter mir hereingekommen war.

      „Da, nimm du ihn!“, sagte ich zu meinem eigenen Hund, der noch nie höher als zwei Zentimeter gesprungen war. Lazy wusste, was auf ihn zukam, ließ sich wie ein nasser Lappen auf den Dielenboden fallen und schloss die Augen. Jever hatte seinen Freund entdeckt und zappelte in meinen Armen. Vorsichtig ließ ich ihn zu Boden, und schon stupste und leckte er den armen Lazy, bis der tatsächlich für ein paar Sekunden seine Trägheit aufgab, sich auf den Rücken drehte und die beiden eine schöne freundschaftliche Rauferei austrugen.

      Ich betrachtete unsere Hunde kopfschüttelnd und begrüßte dann meinen eigenen Freund, der am Schreibtisch vor seinem Computer saß. Als ich eintrat, hatte er nur kurz die Hand zum Gruß gehoben, sich aber nicht umgedreht. Neugierig, was ihn denn wohl so faszinieren mochte, trat ich hinter ihn und haute ihm auf die Schulter.

      „Na, mein Freund, was spielst du denn gerade?“, neckte ich ihn.

      Tommy hätte niemals ein Computerspiel angerührt. Es sei denn, man konnte dabei etwas lernen! Wenn Tommy vor dem Bildschirm saß, dann meist, „um was aufzunehmen“, wie er sich ausdrückte. Manche hielten ihn für einen Besserwisser, aber das war er weiß Gott nicht. Klar, er war anders als andere, er gab nur niemals mit seinem Wissen an, und er war der beste Freund, den man sich vorstellen konnte. Ich wollte niemals mehr einen anderen haben.

      „Ich spiele nicht“, sagte er todernst. „Ich arbeite!“ Dabei hielt er mir seine Hand hin und ich schlug lachend ein.

      „Aha“, machte ich. „Und woran, wenn ich fragen darf?“

      „Hast du jemals was von Amun gehört?“, fragte er und deutete auf den Monitor.

      „Nein“, musste ich zugeben. „Wer soll das sein?“

      „Amun war einer der Urgötter Ägyptens. Man nannte ihn sogar Gott der Götter. Also der Chef vons Ganze!“, grinste er.

      „Hm“, machte ich, und dann kam mir tatsächlich ein Geistesblitz. „Also so wie der Zeus aus Griechenland?“

      Tommy hob anerkennend die Brauen. „Hut ab, Herr Professor Seefeld. Hier steht sogar, dass er in altgriechischer Zeit mit Zeus gleichgesetzt war. Wozu brauche ich eigentlich noch einen Computer, wenn ich einen allwissenden Freund habe?“

      „Ja klar!“, prahlte ich. „Schalt das Ding aus und frag mich alles, was du willst!“

      Tommy lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Okay. Dann sag mir doch mal, was ein Anch ist!“

      „Tja, also“, grummelte ich und tat so, als grübelte ich angestrengt nach. „Ein Anch ist ... also, ein Anch ist ein Anch!“

      „Weise Antwort!“, lachte Tommy. „Der Philosoph Sokrates Seefeld hat gesprochen! Nein, ein Anch ist ein Lebenszeichen. Und Amun war wahrscheinlich der erste, mit dem man es in Verbindung brachte. Es sieht aus wie ein großer Ring mit einem Kreuz daran und soll Kranken, ja selbst Toten Leben eingehaucht haben. Hier, schau mal, Amun hat es auf diesem Bild in der Hand. Und auf den alten Zeichnungen, die man ausgegraben hat, sind viele der alten Götter mit einem Anch zu sehen. Vielleicht blieb ein Gott nur durch einen Anch unsterblich.“

      „Dann haben sie wohl alle ihren Anch verloren, denn wo sind denn die ollen Götter jetzt alle?“, fragte ich respektlos.

      Tommy verdrehte die Augen.

      „Ein wenig mehr Glaube an die Mythologie, mein Freund“, sagte er tadelnd. „Außerdem solltest du auch ein bisschen mehr darüber wissen, denn schließlich waren wir in der Kammer einer Pyramide, und die stammen ja wohl eindeutig aus Ägypten, nicht wahr?“

      Ich nickte. „Und die Hieroglyphen auch.“

      „Genau. Die auch. Ohne die lesen zu können, hätten wir das Buch der Gaben nie bekommen.“

      Da hatte er Recht. Es war bei unserem Abenteuer im Sommer unglaublicher Zufall gewesen, dass Tommy ausgerechnet jene Hieroglyphen kannte, aus denen die Buchstaben seines Namens bestanden. Oder war es vielleicht doch kein Zufall gewesen? Wie auch immer. Ich schüttelte den Kopf. Ich fand Geschichte langweilig. Jedenfalls das Zeug, das wir in der Schule lernen mussten.

      „Und wozu liest du das alles?“

      „Weil ich mehr über die Leute herausbekommen will, die unser geheimnisvolles Haus erbaut haben. Und ich bin mir fast sicher, dass es alte Ägypter waren.“

      „Echt?“, entfuhr es mir. „Aber wie konnten sie eine Holografie bauen? Oder eine Scheinwelt, in der alles größer und dann wieder kleiner wird? Und was ist mit den Wunschkugeln? Und das Buch der Gaben? Das soll alles Amun erfunden haben?“

      „Nein, nein“, wiegelte Tommy ab und zuckte etwas hilflos die Schultern, was ich mit einer gewissen Befriedigung registrierte. Es war irgendwie doch ganz beruhigend, dass er nicht alles wusste.

      „Nein“, meinte er noch mal. „Nicht Amun. Aber die Geheimnisse des Hauses haben mit dem alten Ägypten zu tun. Das glaube ich ganz bestimmt. Vielleicht hat ihnen noch jemand geholfen.“

      „Ein Alien?“, fragte ich lachend.

      „Mann, Joe!“, sagte Tommy tadelnd, musste aber auch lachen. „Du guckst zu viel fern! Aber wer weiß das schon, ob nicht ein intelligentes Volk aus dem Weltraum dabei geholfen hat?“

      Ich tippte mit dem Zeigefinger an meine Stirn. „Das glaubst du doch selbst nicht!“

      „Hm, nein. Eigentlich nicht. Aber das ganze Wissen über das Universum und den Bau der Pyramiden werden sie ja wohl nicht von Schulz haben, oder?“

      Ich seufzte. Ich wollte endlich etwas anderes machen als endlos mit Tommy über irgendwelche längst vergangenen Sachen reden. Zum Beispiel ins Kino gehen oder auf die Kart-Bahn oder vielleicht auf das verlassene Grundstück? Komisch, wieso kam ich jetzt ausgerechnet darauf? Das Bild des Hauses erschien ganz plötzlich vor meinem inneren Auge. Ich schüttelte es ab und beobachtete Tommy dabei, wie er den Computer herunterfuhr. Dann stand er auf und drehte sich um.

      „Nee, bei Schulz hätten sie jede Formel verschlafen!“, lachte er. „Aber die Götter wohnen doch immer im Himmel, oder? Kann doch sein, dass ein paar von ihnen tatsächlich von oben runter gefallen sind.“

      Ich hörte gedämpft, wie die Wohnungsklingel läutete, und Jever spitzte die Ohren. Wahrscheinlich