Ankunft ohne Wiederkehr - Teil 2. Vicky Lines. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Vicky Lines
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746796208
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auf. Sei einfach für mich da, damit ich auch für dich da sein kann“, versuchte ich, sie ein wenig positiver zu stimmen.

      Gestern Abend zwang ich mich dazu, mich von ihr zu verabschieden. Sonst wären wir im folgenden erotischen Nahkampf aufeinander losgegangen. Dauernd knisterte es, wenn sie mir nahe war. Diese Frau am anderen Ende des Telefons wollte ich beeindrucken und endlich für uns Haggerthons gewinnen. Sex ging mir gestern immer wieder durch den Kopf. Am schlimmsten traf es mich bei diesem Kuscheln auf der Brücke über der Spree. Mein Herz verkrampfte regelrecht. Unsere Küsse und das Anschmiegen gefielen mir viel zu gut. In meinen unteren Regionen gab es stehende Beifallsbekundungen. Ob ich mich im Taxi weiterhin beherrscht hätte, wäre ungewiss gewesen.

       Ähm, total ungewiss.

      Sie roch unverschämt gut, sah verdammt verführerisch aus, redete beinahe nie Unsinn und war einfach echt. Die versteckten Reize ihrerseits beflügelten meinen Wunsch, unter die Schale zu blicken. Wenn sie auch nur in der Nähe ist, elektrisiert mein ganzer Körper.

      „Liebe Samantha, ich würde gerne mit dir heute Abend noch etwas unternehmen. Denke ich doch, dass meine To-Do-Liste es mir erlaubt, gegen sieben Uhr am Brandenburger Tor zu sein. Wie sieht es bei dir aus?“, bangte ich auf eine Zusage.

      Samantha stockte etwas: „Klar, Essen, aber mehr nicht, okay? Versprochen? Party dann beim nächsten Mal?“

      Enttäuscht sagte ich zu: „Gerne, Samantha. Ich fliege am Freitag schon um acht Uhr zurück nach London“.

      „Oh. Schade. So früh schon? Nein. Klar, Familie und Job warten auf dich“, hörte ich auch ihre Enttäuschung heraus.

      Unglaublich zart hauchte Samantha dann doch noch: „Ich bin verliebt in dich. Mit rosa Wolken, bunten Wiesen und Schmetterlingen. Liebling, ich werde jetzt mal versuchen zu arbeiten. Und ich freue mich auf dich heute Abend. Tut mir leid, ich muss los.“

      Unter der Dusche begann ich, leise zu singen. So unbeschwert war ich vor Jahren das letzte Mal, da hatte neben mir meine Frau Barbara in einem atemberaubenden Sommerblumenkleid mit Blumenkrone gestanden. Was sagte Samantha doch zu meinen Kindern? Sie wollte Barbara auch dabei haben. Wie stark diese Frau war. Und doch fühlte ich mich noch nicht ganz eingeweiht in ihr Leben. Pünktlich um zehn beschaute ich mich im Spiegel. Alles passte. Es klopfte. Erst viermal dann eine Pause und dann zweimal und noch einmal. Es war Bowers. Also Matthew. Der Detektiv, den ich begleitet hatte. Warum? Weil mich diese Frau einfach nicht losließ. Auch für die Lösung meiner derzeitigen Fragen zu den familiären Problemen, die eindeutig aus dem beruflichen Umfeld hereinstürmten, brauchte ich jemanden, der mir weiterhelfen könnte. Und Samantha hatte bereits weitergeholfen. Uneigennützig, kreativ und auch liebevoll. Ehrlich gesagt liebte ich sie nicht nur, sondern brauchte sie auch. Das lernte ich aus dem, was geschehen war. Matthew trat ein und betrachtete mich keine zwei Sekunden. Dann noch einmal genauer. Sein unverschämtes Grinsen verriet mir sein Wissen um meinen Zustand. Darauf beschloss er, nichts anzudeuten. Dennoch schien Matthew überlegt zu haben, etwas mitteilen zu wollen. Jedoch nur unter freiem Himmel irgendwo weiter weg deutete er an. Wie viel ich ihm vom gestrigen Abend erzählen wollte, hatte ich nicht abgesteckt.

      Bereits eine Stunde waren wir beide durch Berlin gefahren und im Volkspark Friedrichshain mitten auf dem Trümmerberg eines Flakturmes des Zweiten Weltkrieges gelandet. Mühsam fand ich zurück in mein berufliches Leben. Vor mir tat sich ein eigenwilliger Ausblick Berlins auf. Nach einer halben Stunde rief jemand aus dem Parliament an und es folgte eine Datenübertragung. Darin vereinten sich eine Nachricht und zwei Bestätigungen, ein Bericht und zwei E-Mails. Mittlerweile konnte ich mein neues Handy ganz gut bedienen und es half mir weiter. Der kleine Laptop Matthews half uns, diese neuen Informationen schneller zu sondieren. Eine Nachricht betraf Cathryn, meine sehr fähige Vorzimmerassistentin. Die Nachrichten bestätigten, dass sie sehr wohl beim MI-6 gearbeitet hatte. Doch als Informatikerin? Das musste eindeutig eine Lüge sein. So traf die zweite Anfrage bei Forsyth ins Schwarze. Sie ging regelmäßig zum Kung-Fu. Also konnte sie mit Sicherheit die heimliche Helferin sein. Nur wie bekäme ich sie dazu, mir ihre Identität zu offenbaren? Zumal mich die Gründe des Handelns interessierten. Mutter war sie auch. Meine Standpunkte bewegten sie damals, bei mir bleiben zu wollen und wir verstanden uns seitdem gut. Meine Barbara kannte sie besser. Abwegig schien meine Überlegung also nicht zu sein. Herauszufinden, ob sie dahintersteckte, gestaltete sich als schwierig. Darüber war ich mit Matthew einer Meinung. In dem angehängten Bericht fanden wir diverse Rechnungen wieder, die von Lord Rorary eingereicht worden waren. Was ich dort entdeckte, zwischen den geschwärzten Zeilen und auch deren Abfolge, stürzte uns beide in blankes Entsetzen. Lord Rorary stecke wirklich dahinter. Aber wer noch? Die E-Mail aus Irland bestätigte einen Termin für einen Anruf mit den damaligen Verhandlungspartnern in Nordirland. Denn ich war involviert in die Friedensverhandlungen mit der IRA. Alle Richtungen klopften wir ab. Leider wurde die andere geheime Anfrage in einer E-Mail aus sicherheitspolitischen Gründen abgelehnt. Schon klingelte es. Aus England, London, Parliament, dem Vorzimmer meines Büros rief Cathryn an. Matthew nickte mir zu, anzunehmen.

      „Lord Haggerthon? Cathryn hier. Sie fragten doch nach den Auszügen unserer Register. Ich würde Ihnen gerne zwei Dokumente verschlüsselt senden. Sie können beruhigt bis morgen in Berlin verweilen. Der Vorfall zieht scheinbar seine Kreise. Morgen würde ich versuchen, Ihnen einen Überblick zu verschaffen“, berichtete Cathryn mir kurz.

      Durch ihre Überqualifizierung schaffte sie es, mir den Rücken freizuhalten. Dafür spendierte ich ihr nicht selten einen Bonus und sie durfte auch öfter mal inoffizielle Heimarbeit nutzen. Mögen, wäre ein falsches Wort. Ich empfand sie eher als eine Schwester. Die förmliche Anrede hielt einfach unsere Etikette nach außen aufrecht.

      „Dankeschön. Dann habe ich doch morgen sofort einen Plan. Mir stellte man eben auch interessante Dokumente zu, die abgeglichen werden müssen. Wir treffen uns morgen im Café Bird“, verabredeten wir uns.

      Cathryn klang erfreut: „Gerne. Bis morgen.“

      Matthew Bowers blickte auf Berlin. Jetzt trieb es mich, ihm Vertrauen zurückzuzahlen. Fest entschlossen stand ich auf. Er folgte mir. Gemeinsam bestaunten wir beide Berlin noch einen langen Augenblick, was ich nun mit ihm näher erkunden wollte. Nebenbei steckte ich ihm alle Informationen, die ich preisgeben durfte. Somit verstand er mehr, was uns künftig erwartete. Matthew veränderte sein Verhalten, indem er mir sehr viel intensiver zugewandt war und auch offener nachfragte. Als wir am Alexanderplatz aus der Straßenbahn ausstiegen, hielten wir beide kurz die Luft an. Dieser Fernsehturm mitten in der Stadt nötigte uns ein Staunen ab. All die Berliner mit ihrem eigenen Aussehen und die Touristen bevölkerten diesen historischen Flecken. Linker Hand stand eine Uhr, eine Weltzeituhr. Gleich wurde uns klar, sollten wir uns aus den Augen verlieren, träfen wir uns hier mit Sicherheit wieder. Dann fiel mir etwas ein, ein mir im Gedächtnis gebliebener Nachrichtenfilm, der hier 1989 auf diesem Platz spielte. Wo war wohl Samantha damals? Die Fotos von meinem Dad, der hier zu Zeiten des kalten Krieges ein paar mal zu Besuch war, straften mich Lügen. Keine zwanzig Jahre und dieser Platz konnte nur noch schemenhaft wiedererkannt werden. Auch der Detektiv sog all die Eindrücke in sich ein. Straßenmusikanten tönten immer wieder über den Platz.

      Gemeinsam unerkannt einkaufen zu gehen, reizte mich. Keine zwanzig Minuten später bogen wir in die Straße Unter den Linden ein. Matthew und ich staunten über die Ansammlung alter prächtiger Gebäude. Doch beinahe lachen musste ich, als ich dem Reiterdenkmal Friedrich dem Zweiten gegenüberstand. Diese Stadt versprühte ihren Charme aus Geschichte und Moderne mit einer Unaufgeregtheit, welche mich verzückte. Außerdem lebte einer der liebsten Menschen hier. Meine Samantha. Kribbeln schoss in meinem Bauch auf. Mir fiel aus den Erzählungen meines Vaters etwas ein. So lotste ich Matthew ins Pergamonmuseum. Vorher spotteten wir über die angeblichen deutschen Tugenden. Doch die freundlichen Begegnungen straften uns Lügen, dass wir den Deutschen soviel unsäglichen Unfug andichteten.

      Voller Bewunderung hielten wir vor dem Pergamonaltar inne. Beeindruckend. Wirklich. Diese Stadt konnte sich in allen Belangen mit London messen. Am Ausgang trafen wir auf eine Gruppe junger


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