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und die Eiseskälte setzten ihm zu. Hier brachte es nichts, sich etwas Trockenes anzuziehen, man fror sich trotzdem den Hintern ab. Ganz zu schweigen davon, dass sich seine Weichteile in seine Magenhöhle zurückgezogen hatten. Es würde einige Zeit beanspruchen, sie zu suchen und wieder hervorzuholen, fluchte Desiderius innerlich. Er wünschte, er wäre an der Küste und könnte andere warme Hände dafür bezahlen, ihm dabei zu helfen.

      Oh, wie er sich in diesem Moment nach den warmen Armen eines anderen Mannes sehnte, die ihn wärmen und streicheln würden. Die Kälte zeigte ihm nur zu deutlich, wie einsam die Nächte sein konnten, selbst wenn da jemand war, der sich aus lebensnotwendigen Gründen an seinen Rücken drängte.

      Desiderius hob den Blick zu Bellzazar, der vor dem Feuer stand und es kritisch beobachtete, als habe er Angst, es könnte bald wieder erlöschen.

      Mit fragend gerunzelter Stirn wollte er von dem göttlichen Wesen wissen: »Wie kommt es, dass Euch die Kälte nichts auszumachen scheint?«

      Bellzazar zuckte mit den Schultern. »Nun, ich lebe mittlerweile schon ziemlich lange und habe mich einfach an jedes Klima gewöhnt. Ich spüre die Kälte, aber ich weiß, dass sie mir nichts anhaben kann. Selbst wenn ich erfriere, wache ich ja doch irgendwann wieder auf.«

      Diese Antwort warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Aber Desiderius ließ es dabei bewenden, er hatte jetzt keine Konzentration für weitere Erklärungen. Ihm war kalt, er war müde und er spürte, dass er hungrig wurde. Das war zu viel für sein Gemüt, er war schlecht gelaunt.

      Als hätte er seine Gedanken gelesen, beschloss Bellzazar: »Ich besorge uns etwas zu Essen.«

      »Was denn?«, schnaubte Desiderius zynisch. »Gefrorene Baumwurzeln?«

      Bellzazar griff sich unbeirrt den Bogen. »Ich werde schon etwas finden.«

      »Lasst uns lieber aufbrechen«, warf Desiderius ein. »Bringen wir es hinter uns und verlassen diese verschneiten Berge.«

      Nicht nur die Kälte vertrieb ihn von hier, auch die Aussicht darauf, entdeckt zu werden. Denn Desiderius und das Gebirge hatten eine interessante Vorgeschichte, die er lieber vergessen wollte, statt daran erinnert zu werden. Er war hier nicht willkommen – nicht mehr – das war das Einzige, was er sich in Erinnerung rief.

      »Wir konnten wegen des Sturms gestern nichts essen«, erinnerte Bellzazar ihn. »Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich brauche jetzt eine Mahlzeit. Von mir aus könnt Ihr schon aufbrechen, ich folge, wenn ich meinen Hunger gestillt habe.«

      Damit wandte er sich ab und verschwand im Wald, dabei musste er die Beine weit anheben, weil er im hohen Schnee bis zu den Knien versank.

      Desiderius sah ihm kopfschüttelnd nach, beschloss aber, dass sich seine Laune vermutlich bessern würde, wenn er etwas gegessen hatte. Außerdem war es vermutlich sowieso ratsamer, ihren Auftrag bei Nacht durchzuführen.

      Es dauerte nicht lange, als Desiderius verblüfft feststellte, dass Bellzazar mit einer Schneegans zum Lager zurückgehrte, der ein Pfeil im Hals steckte.

      Desiderius stand auf und ging dem Halbgott entgegen. »Gebt her, ich mach das.«

      »Von mir aus«, erwiderte Bellzazar und reichte ihm das leblose Tier.

      Desiderius wollte einfach etwas tun, um das Gefühl zu haben, nützlich zu sein. Wenn der Halbgott schon jagen ging, konnte Desiderius wenigstens seine Kochkünste beweisen.

      ***

      Die Schwarzfelsburg, der Sitz des Gebirgslords, der über den Süden herrschte, trug ihren Namen aufgrund des Gebirges – das Schwarzfelsgebirge. Sie war ebenso schwarz wie das Gestein, auf dem sie stand.

      Die Burg war eine beeindruckende Festung, um die herum viele Dörfer versammelt waren. Sie ragte aus der Spitze eines Bergs, und ihre spitzen Türme schienen den Himmel aufspießen zu wollen. Ihre Mauern waren hoch und unüberwindbar. Sie war das eindrucksvollste Bauwerk der Menschen.

      Das einzige Bauwerk, das größer und beeindruckender war als die Schwarzfelsburg, war die Luzianerfestung im südöstlichen Gebirgspass, die aber nur dazu diente, die Völker aus der Wildnis von Nohva fernzuhalten.

      Mit staunend offenstehendem Mund starrte Desiderius zu der Menschenfestung hinauf, die sich zwischen verschneiten Bergspitzen emporhob. Er zügelte sein Pferd auf dem schmalen Pass und nahm sich einen Moment Zeit, um das Bauwerk zu betrachten.

      Eines musste man den Menschen im Gebirge lassen, sie wussten sich zu verteidigen. Die Festung war von außen nicht zu überwinden, Angreifer konnten nur auf die gute, alte Belagerungstaktik zurückgreifen.

      Wenn es zu einem Krieg kommen sollte, würde der König erhebliche Mühen haben, diese Festung einzunehmen, ging es Desiderius durch den Kopf. Sein scharfer Verstand musterte die Burgfestung kritisch, auf der Suche nach einer Schwachstelle. Eines war jedoch sicher, mit einem Soldatenheer konnte man nicht einfach anrücken und angreifen, man musste raffinierter vorgehen. Vielleicht, wenn die Wachen auf den Wehrgängen nicht in Alarmbereitschaft waren, dann könnte sich ein kleiner Trupp Assassinen auf die Mauer schleichen, die Verteidigung ausschalten und das Tor öffnen. Oder man schleuste Monate zuvor unbemerkt einige Assassinen als einfache Arbeiter in die Burg, die im Falle eines Angriffs das Tor rechtzeitig öffnen würden. Doch dann stand man als Angreifer vor anderen Risiken, da Assassinen nicht nur sehr teuer waren, sondern auch nicht unbedingt loyal oder zuverlässig. Da sie allerdingst nun mal diskret arbeiteten, wurden sie immer wieder angeheuert. Ein Teufelskreis. Man müsste vielleicht einen Assassinen Orden gründen, der nur der Krone unterstellt war, grübelte Desiderius vor sich hin. Die Idee kam ihm nicht so übel vor.

      »Über was denkt Ihr so angestrengt nach?«, rief Bellzazar.

      Desiderius blickte zu ihm auf und bemerkte, dass der Halbgott bereits den schmalen Weg zu Ende geritten war und sein Pferd oben auf der Bergspitze gewendet hatte, um Desiderius fragend anzusehen.

      Schmunzelnd scherzte Desiderius: »Über meinen nächsten Wohnsitz.«

      Er trieb seinen Rappen an und schloss zu Bellzazar auf. Noch immer schneite es und mittlerweile waren ihre dunklen Haare komplett zugeschneit, ganz zu schweigen von dem Eis, das ihre Bartstoppeln zusammenklebte. Jedes Mal, wenn Desiderius seine Mimik bewegte, spürte er, dass sein Gesicht gefroren war.

      Grinsend blickte Bellzazar zur Schwarzfelsburg und nickte zustimmend. »Beeindruckend, nicht wahr? Aber ich fürchte, es wäre Euch hier oben zu kalt.«

      »Nur im Winter und Frühjahr«, warf Desiderius ein. »Aber im Sommer soll es hier sehr schön sein. Dann, wenn der Schnee nicht mehr die Berge bedeckt.«

      Bellzazar lachte in sich hinein. »Mir gefällt, wie Ihr denkt, Desiderius. Vergesst den König, nehmt die Burg ein und macht Euch hier ein schönes Leben!«

      »Ich fürchte nur, die Eroberung wird nicht so leicht, wie ich mir das vorstelle«, scherzte Desiderius.

      »Vermutlich nicht, nein«, stimmte Bellzazar zu. Er wendete sein Pferd und nickte in die Richtung, die sie nehmen mussten, als er mit einem listigen Lächeln hinzufügte: »Aber ihre hohen Mauern werden ihnen nun zum Verhängnis.«

      »Ich hoffe nur, dass wir auch Erfolg haben werden«, gab Desiderius zurück und lenkte seinen Rappen neben den Halbgott.

      »Das werden wir«, versicherte Bellzazar. »Euer Plan ist idiotensicher.«

      ***

      Es stank nach Ziegen und Rindern, noch bevor sie überhaupt in die Nähe der Mauern kamen.

      »Wie gedenkt Ihr eigentlich unbemerkt hinein und wieder hinaus zu gelangen?«, wollte Desiderius wissen.

      Der Halbgott erwiderte ausweichend: »Das werdet Ihr ja gleich sehen.«

      »Sollten wir nicht warten, bis die Nacht hereinbricht?«, gab Desiderius zu bedenken.

      Es dämmerte bereits, aber es würde noch eine Weile dauern, bis es dunkel wurde und der Schleier der Nacht sie in seinen schützenden Mantel hüllen konnte. Außerdem sorgen die Schneemassen für zusätzliches