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ihnen eine solche Bedeutung schenken?«

      »Sie mögen es, dass die Menschen sie anbeten und sich ihnen unterwerfen«, erklärte Bellzazar und schmunzelte dann Desiderius listig an. »Wer würde das nicht mögen?«

      Ernüchtert stellte Desiderius fest: »Dann stimmt es, weil sie die Götter anbeten, legen diese ihre schützenden Hände über die Menschen.«

      »Nein«, widersprach Bellzazar.

      Verwirrt betrachtete Desiderius sein Profil. »Aber das sagtet Ihr doch gerade.«

      »Ich sagte nur, dass sie es mögen, dass es ein Volk gibt, das ihnen huldigt, das bedeutet aber nicht, dass die Götter irgendein Volk bevorzugen«, warf Bellzazar ein. »Vergesst nicht, Bursche, dass wir über Götter sprechen. Sie sind nicht habgierig, nicht machthungrig. Sie wollen nur Frieden und sie wissen, dass die Luzianer diesen Frieden garantieren können. Sie wollen Gerechtigkeit, und sie wissen auch, dass Luzianer gerechter sind als Menschen.«

      Desiderius grübelte darüber.

      »Sie sind Götter«, sagte er nach einer Weile verwirrt, »und sie sind doch in der Lage, für Frieden zu sorgen. Wieso lassen sie zu, dass so viel Ungerechtes passiert? Wissen sie denn nicht, was sich in dieser Welt abspielt?«

      »Sie sind Götter und keine Geschichtenschreiber«, erinnerte Bellzazar tadelnd. »Sie erfinden keine Schicksale, schicken keine Helden, sie können nur das tun, wofür sie geschaffen werden. Götter sind auch nur magische Wesen, aber keine Schöpfer. Ihr als Luzianer müsstet das eigentlich wissen.«

      »Wieso wissen es die Menschen nicht?«

      »Weil es über die Vorstellungskraft der Menschen hinausgeht«, erklärte Bellzazar. »Ihr und ich wissen, dass das Reich der Götter nur eine andere Welt ist, die parallel zu dieser existiert, so wie die Unterwelt. Diese Welten sind miteinander verflochten. Die Götter erschufen unsere Völker, sie übernehmen die Verantwortung für unser vergängliches Leben, doch das bedeutet nicht, dass sie jedes einzelne Schicksal schreiben und vorherbestimmen. Geschweige denn, lenken können.«

      »Wozu sind die Götter gut, wenn sie keine Schicksale lenken können?«, fragte Desiderius. Es verärgerte ihn, dass die Götter ihr Nichtstun so einfach abtaten.

      »Nun, wie viele Götter gibt es?« Es war eine rhetorische Frage, die keiner Antwort bedurfte. Bellzazar fuhr fort, ohne eine Erwiderung zu erwarten: »Es gibt den Gott des Lebens, Gott des Todes, Gott der Lust ... Es gibt für alles einen Gott. Jeder Gott hat einen Bereich, den er überwacht. Es gibt nun mal keinen Gott des Schicksals, der dafür zuständig ist, dass jeder einzelne Mann in Nohva den richtigen Weg findet. Und vergesst nicht die Dämonen aus der Unterwelt, die Gegenspieler der Götter, die die Menschen verführen. Götter sind nicht in der Lage, einen Dämon aufzuhalten, sobald er in diese Welt eingedrungen ist.«

      Desiderius stellte amüsiert fest: »Dieses Thema scheint Euch wichtig zu sein.«

      »Ich bin vielleicht ein Ausgestoßener, aber das bedeutet nicht, dass ich meine Brüder und Schwestern nicht verteidige, wenn jemand aus Unwissenheit schlecht über sie spricht.«

      »Ich meinte ja nur, dass man den Eindruck haben könnte, dass die Götter mehr für uns tun könnten«, warf Desiderius ein.

      Bellzazar runzelte auf einmal nachdenklich seine Stirn, als hätten Desiderius’ Worte ihn nun auch ins Grübeln gebracht.

      Er zügelte sein Pferd und hielt an, als er Desiderius verwirrt fragte: »Wie meint Ihr das?«

      Desiderius wendete seinen Rappen, um den Halbgott ansehen zu können. Er fühlte sich unsicher, weil er nicht anmaßend gegenüber dem göttlichen Wesen sein wollte.

      »Sagt schon«, forderte Bellzazar ungeduldig auf.

      »In Anbetracht der Ereignisse, angefangen bei den Hinrichtungen im Namen der Götter, oder all den Kriegen, die wegen ihnen geführt wurden, könnte man glauben, dass die Gunst der Götter Nohva längst verlassen hat«, erklärte Desiderius. »Wäre ich ein Gott und müsste zusehen, wie das Leben, das ich erschaffen habe, in meinem Namen tötet, würde ich mich auch abwenden.«

      Bellzazars Miene verdunkelte sich noch mehr als sonst, als er angestrengt darüber nachdachte.

      »Ich meine ... «, Desiderius suchte nach Worten, » ... wann habt Ihr das letzte Mal Kontakt zu einem Gott gehabt?«

      Die Mundwinkel des Halbgottes fielen herab, und da hatte Desiderius seine Antwort. Auch der Halbgott hatte seit einiger Zeit die Präsenz der Götter nicht mehr gespürt.

      Bellzazar trieb seinen schwarzen Hengst wieder an und beschloss mit grimmiger Miene: »Kommt, wir müssen weiter.«

      Schweigend wendete Desiderius seinen Rappen erneut und folgte dem verstimmten Halbgott mit etwas Abstand. Es schien, als hätte er ein äußerst unpassendes Thema angesprochen und damit Bellzazar in tiefe Grübeleien versetzt.

      Was auch immer nun durch den Kopf des Halbgottes ging, es sorgte dafür, dass er in den nächsten Tagen und Nächten sehr einsilbig blieb.

      ***

      Trotz des Frühlingsbeginns herrschte weit im Süden im Gebirge eine eisige Kälte.

      Eingehüllt in seinen Umhang, lag Desiderius in seinem winzigen Zelt und erwachte aus einem unruhigen Schlaf. In der Nacht hatte ein Schneesturm gewütet, und die Kälte hatte ihn wachgehalten, oder besser gesagt, das Zittern seines Körpers. Erst am frühen Morgen hatte er etwas Schlaf gefunden. Zum Glück würden sie an diesem Tag ihr Ziel erreichen und konnten dann die verschneiten Berge wieder verlassen.

      Er konnte seinen Atem sehen, als er sich mit steifen Gliedern aufrichtete und das winzige Zelt verließ, das er am Abend zuvor mit Bellzazar aufgestellt hatte. Wegen des Sturms hatten sie kein Feuer entfachen können, weshalb Bellzazar beschlossen hatte, dass sie sich in der Nacht gegenseitig wärmen mussten. Desiderius hatte sich widerwillig gefügt, denn auch wenn ihm unwohl dabei gewesen war, sich nachts an den anderen Mann zu kuscheln, war ihm die Tuchfühlung doch allemal lieber gewesen, statt zu erfrieren. Dem Halbgott schien die Kälte nicht ansatzweise etwas auszumachen, im Gegenteil, als er sich in der Nacht zu Desiderius gelegt hatte, war sein Körper eine angenehme Wärmequelle gewesen.

      Desiderius verließ das Zelt und richtete sich auf, unter seinem Umhang verschränkte er die Arme, um sich vor der Kälte zu schützen, eisiger Wind wehte durch sein Haar und Schneeflocken peitschten über sein Gesicht.

      Bellzazar blickte von dem Feuer auf, das er wohl gerade erst entzündet hatte. Desiderius fragte sich, wo er nach diesem Sturm trockenes Feuerholz gefunden hatte. Allerdings war das nicht das erste Mal während ihrer Reise, dass der Halbgott scheinbar wie durch ein Wunder ein Lagerfeuer entfacht hatte. Vielleicht konnte er mehr Magie wirken, als er offenbarte.

      »Ihr seid wach«, stellte Bellzazar trocken fest. »Und Ihr seht – verzeiht den Ausdruck – ganz schön lausig aus.«

      »Danke, Ihr seid auch nicht gerade mein Lichtblick an diesem Tag«, murrte Desiderius zurück.

      Bellzazar grinste amüsiert. Er winkte Desiderius zu sich heran und bedeutete ihm, sich auf einen Baumstamm zu setzen, auf dem ein Sattel lag.

      »Kommt her«, forderte Bellzazar. »Setzt Euch ans Feuer und wärmt Euch auf, bevor wir weiterreisen.«

      Desiderius setzte sich kommentarlos an das Feuer und streckte den Flammen seine halbeingefrorenen Hände entgegen. Es tat gut, sie langsam auftauen zu spüren.

      Nachdem die Wärme des Feuers allmählich zu ihm durchdrang, hob Desiderius den Blick und sah sich um. Er fand die zwei schwarzen Hengste unweit vom Lager entfernt, sie streckten die Köpfe nach Blättern aus, um sich ein Frühstück zu gönnen. Bellzazar hatte beide am Abend zuvor in Decken gehüllt, um ihr Fell vor dem Schnee zu schützen. Sie wirkten nicht, als wäre ihnen kalt.

      »Ihnen geht es gut«, versicherte Bellzazar, nachdem er Desiderius’ Blick gefolgt war. »Besser als Euch jedenfalls.«

      »Ich bin nicht so oft in kalten Gebieten«, erklärte Desiderius und