Desiderius legte seinen Umhang und seine leichte Lederrüstung ab. Sein Schwert und seine Dolche legte er an das Ufer, um sie in Griffweite zu wissen. Er zog das weiße Leinenhemd aus und streifte die Stiefel ab. Nur mit einer Leinenhose, die ihm bis zu den Waden reichte, watete er halbnackt in das Wasser. Es war kalt und verursachte bei ihm eine Gänsehaut, aber eben jene Abkühlung hatte er gesucht. Es würde seine Kopfschmerzen lindern und seine Nase kühlen, die am gestrigen Abend einen Fausthieb abgekommen hatte. Unter seinen Augen hatte Desiderius deswegen rot und violett schimmernde Ringe.
Er lief, bis ihm das Wasser bis zur oberen Hälfte seiner Oberschenkel reichte. Das Wasser war so klar, dass er auf den Boden sehen konnte. Kleine Fische schwammen um seine Knöchel, und seine Füße standen auf weißen, glatten Steinen, die nur teilweise von grünen Algen übersät waren. Sonnenstrahlen fielen durch die wenigen Blätter der Bäume und glitzerten auf der Wasseroberfläche, die vom warmen Frühlingswind leicht bewegt wurde.
Desiderius sprang kopfüber mit ausgestreckten Armen in das Wasser. Beinahe wäre er auf dem Boden aufgekommen, doch er hatte gewusst, dass das Wasser nicht allzu tief war und deshalb von Vornherein nicht viel Schwung genommen. Das Wasser schlug über seinem Köper zusammen und nasse Kälte umhüllte ihn. Er begrüßte sie und tauchte unbeirrt weiter. Nahe am Boden schwamm er entlang, verscheuchte mit seiner Anwesenheit Fische und anderes Getier. Seine strammen Bauchmuskeln steiften über glatte Bachsteine, die sich wie suchende Hände anfühlten, die ihn neugierig betasteten.
Unter Wasser gelangte er zu dem Staudamm und tauchte vorsichtig an ihm wieder auf. Er warf sein nasses Haar zurück, damit es ihm nicht in die Augen tropfte, und holte tief Luft, als er durch die Oberfläche brach.
Desiderius sah sich die Konstruktion an und stellte fest, dass der kleine Bach um einiges mehr Wasser aufzuweisen hätte, wenn die Biber hier keinen Damm errichtet hätten. Dann wäre der Bach ein reißender Fluss. Aber Desiderius würde deshalb niemals den Staudamm einreißen. Niemand würde von diesem Fluss profitieren, also ließ er die Konstruktion der Bieber intakt.
Desiderius warf sich zurück und tauchte wieder unter Wasser. Er schwamm noch einmal einige Fuß, bis ihm wieder die Luft ausging und er an die Oberfläche musste. An einer erhöhten Stelle kam er wieder zum Vorschein und richtete sich aus dem Wasser auf. Er schüttelte sein schwarzes Haar und strich sich Wassertropfen aus den Augen.
Desiderius liebte es zu schwimmen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit sprang er ins Wasser und tauchte einige Runden. Er war auch der Einzige, der sich traute, in das Tobende Meer an den Violetten Küsten zu springen. Das Wasser dort war dunkel, es wies stets hohe Wellen auf und war durchgehend eisigkalt, aber er mochte es. Die Strömung war stark und der Boden so tief, dass man ihn nicht sehen konnte, egal, wie tief man hinuntertauchte.
Sie nannten ihn alle einen leichtsinnigen Narren, wenn er dort schwimmen ging. Bestaunten ihn aber dann doch, wenn er lebend und gut gelaunt auftauchte.
Dieser Teich war damit nicht zu vergleichen, aber das kühle Wasser hier hatte zumindest seine andauernden Kopfschmerzen gelindert.
Seufzend drehte er sich in Richtung Ufer, um nach seinem Hab und Gut zu sehen. Er erstarrte für den Bruchteil eines Augenblicks, als er bemerkte, dass er nicht mehr allein war.
Desiderius lachte auf und watete kopfschüttelnd aus dem Wasser. Seine nasse Leinenhose wies dabei ein Gewicht auf, als hinge eine Person seiner Statur an seinen Beinen. Dennoch kam er mit recht eleganten Bewegungen immer weiter aus dem Wasser.
Prinz Wexmell saß mit angezogenen Knien im hellgrünen Gras unweit vom Bachufer entfernt und hatte die Arme um die Beine geschlungen, sein spitzes Kinn ruhte auf seinen Knien, und der leichte Wind bewegte seine goldenen Löckchen. Er schien schon etwas länger dort zu sitzen und Desiderius mit einem sehnsüchtigen Blick zu betrachten.
Der junge Prinz musterte Desiderius auffällig, während dieser aus dem Wasser kam und auf ihn zu schlenderte. Seine Augen blieben an der nassen Leinenhose hängen, die sich eng um Desiderius’ Beine und seine Männlichkeit schmiegte.
Desiderius schüttelte den Kopf, als er laut sagte: »Du bist unheimlich – immer, wenn ich mich umdrehe, stehst du plötzlich vor mir.«
»Vergebung.« Wexmell kam auf die Beine und klopfte sich den Dreck von der, für seine Verhältnisse, einfachen Kleidung. »Ich wollte mich dir nicht aufdrängen.«
Desiderius blieb mit etwas Abstand vor ihm stehen und hob skeptisch seine dunklen Augenbrauen.
Statt darauf einzugehen, holte Prinz Wexmell Luft und erklärte: »Ich wollte mich entschuldigen.«
Nun schnellten Desiderius‘ Augenbrauen noch weiter nach oben. »Entschuldigen?«, wiederholte er überrascht. »Wofür denn?«
Der junge Prinz senkte schüchtern den Blick, als er antwortete: »Dafür, dass ich dich beinahe in Schwierigkeiten gebracht hätte.«
Ach so, Desiderius verstand, runzelte aber dennoch seine Stirn. Er hätte nicht gedacht, dass der junge Blonde auf ihn zukam, um sich dafür zu entschuldigen.
Wexmell hob wieder den Blick und sah Desiderius gefasst in die Augen. »Mir war nicht bewusst, in welche Gefahr ich dich damit bringe. Verzeih, es war wirklich nicht meine Absicht gewesen, mit deinem Leben zu spielen. In Zukunft werde ich mich diskret verhalten.«
Desiderius schüttelte seinen Arm aus und warf damit die Wassertropfen von seiner Haut, die ihn wie kleine Käfer kitzelten.
»Vergiss es einfach«, brummte er abweisend.
Ohne ihn weiter zu beachten, ging Desiderius an ihm vorbei zu seinen Sachen, die er am Ufer abgelegt hatte.
Aber Prinz Wexmell drehte sich mit ihm und sagte noch: »Ich wollte dir außerdem danken. Für gestern. Ich weiß, was du getan hast und ich stehe in deiner Schuld.«
Desiderius schmunzelte in dem Wissen, das der andere es nicht sah. Er entwirrte gerade sein Leinenhemd, als er erwiderte: »Hm, ich weiß nicht, was du meinst.«
»Natürlich nicht«, gab Wexmell spöttisch zurück. »Der Wind hat dich umgestoßen und mich mit dir zu Boden gerissen.«
»War ein starker Wind«, murmelte Desiderius.
Der Prinz schnaubte erheitert.
Desiderius warf ein Schmunzeln über die Schulter, das der junge Prinz erwiderte. Doch die Augen des Prinzen blieben nicht an seinem Gesicht hängen, sie wanderten an Desiderius’ Rückseite hinab und kamen an tieferen Körperregionen zum Erliegen.
»Ich dachte, alle wären ausgeritten?«, fragte Desiderius und zog sich sein Leinenhemd über den nassen Körper. Er hatte nichts gegen die auffällige Musterung, sie gefiel ihm sogar.
»Ich bin auf der Burg geblieben und habe gewartet, bist du aufwachst«, gestand der Prinz gelassen. »Als ich dich ausreiten sah, bin ich dir gefolgt.«
Desiderius schnaubte kopfschüttelnd. »Und das nennst du diskret? «
Er drehte sich zu dem Prinzen um und warf ihm einen strengen Blick zu.
»Übereifrige Diskretion führt ebenso schnell zu Misstrauen wie offensichtliches Verhalten«, erwiderte der junge Prinz selbstgerecht.
Desiderius legte schmunzelnd seinen Kopf schief. »Ihr seid ein Besserwisser, Euer Gnaden.«
»Nein.« Der junge Prinz trat mit verschränkten Armen auf ihn zu. »Ich sehe die Dinge einfach so, wie sie sind.«
»Ach?« Desiderius verzog skeptisch sein Gesicht. »Und wie sind die Dinge?«
Direkt vor ihm blieb der Prinz stehen. Sie waren sich so nah, dass Desiderius an seinem ausgekühlten Körper die Wärme des anderen spüren konnte. Es vernebelte ihm die Sinne, dass der, den er begehrte, so greifbar war. Gern hätte er sich an den jungen Prinzen gedrängt und sich von seinem warmen Körper wärmen lassen.
Grinsend, als wüsste er genau, woran Desiderius dachte,