»Glaub mir, ich hatte nicht vor, mit dir hier zu stranden«, sagte der Prinz entschuldigend.
Desiderius versuchte, ihn zu ignorieren. Er würde einfach weitergehen, einen Weg aus dem Graben finden und dann zurück zu seinem Pferd gehen.
Sie stolperten weiter vorwärts. Desiderius immer einige Schritte voraus und der junge Prinz schwer atmend hinter ihm.
Nach gefühlten hundert Stunden musste Desiderius eine Pause einlegen. Er bekam einfach nicht genügend Luft und die schwüle Hitze zwang ihn in die Knie. Er lehnte sich nach vorn und stützte die Hände auf die Schenkel. Schweiß rann ihm über die Schläfen und schimmerte auf seiner Oberlippe. Sein Leinenhemd war schweißnass.
Der Prinz holte auf und kam hustend und keuchend hinter ihm zum Stehen. Desiderius hatte ihn schon seit einiger Zeit pfeifend husten hören, sich aber nicht darum gekümmert, weil er hoffte, bald für sie beide einen Weg nach draußen zu finden. Doch die Hänge schienen immer steiler und unüberwindbarer zu werden. Es war, als wollte der Wald sie beide hier festhalten und sterben lassen.
Prinz Wexmell lehnte einen Arm gegen einen dünnen Baumstamm, der aus dem steilen Hang neben ihm in Richtung Himmel ragte. Keuchend stellte er fest: »Du blutest.«
»Du auch«, erwiderte Desiderius trocken, ohne sich zu ihm umzudrehen.
»Nein, ich meine dein Bein«, warf der Prinz ein. »Der Schnitt muss tief sein, das Blut hört nicht auf zu fließen.«
Desiderius sah an sich hinab, er hatte die tiefe Schnittwunde an seinem Schenkel schon ganz vergessen. Dunkelrotes Blut floss in vielen kleinen Strömen sein Bein hinab, durchtränkte die Leinenhose, floss seinen Unterschenkel und sein Schienbein hinab über den Fußknöchel und tropfte auf das Moos.
Das erklärte natürlich auch, warum ihm so schwindelig war und seine Sicht verschwamm.
»Du musst dich ausruhen«, sprach der junge Prinz auf ihn ein.
Desiderius richtete sich auf. »Komm, weiter.«
»Mit der Wunde kommst du nicht weit«, widersprach der Prinz. »Und es hilft uns nicht weiter, wenn du das Bewusstsein verlierst.«
Fluchend hielt Desiderius inne. Er hätte vor Frustration gerne gebrüllt, aber er wollte den Wald nicht auf sich aufmerksam machen. Hier unten wären sie leichte Beute.
Er drehte sich wieder um. »Und was willst du dagegen tun?«, fragte er höhnisch. »Die Wunde bleibt, auch wenn ich mich ausruhe.«
»Entweder du lässt mich die Wunde verarzten«, erwiderte Wexmell, »oder ich gebe dir mein Blut, damit sie schnell verheilt.«
Desiderius lachte zynisch auf und schüttelte den Kopf. »Vergiss es, ich trinke nicht von dir!«
»Dann lass mich dein Bein sehen!«
»Bist du Heiler?«, fuhr Desiderius den Prinzen an.
Prinz Wexmell presste frustriert seine sinnlichen Lippen zusammen. Es war das erste Mal, das Desiderius den Eindruck hatte, dass der junge Prinz gern auf ihn losgegangen wäre.
»Dann bringt es wohl auch nichts, dir mein Bein zu zeigen«, beschloss Desiderius. »Halt einfach den Mund und lass mich in Ruhe, bis ich einen Weg gefunden habe, der uns hier rausbringen wird.«
»Du bist so stur, ich würde dir am liebsten die Faust in deine selbstgerechte Miene rammen!«, zischte Prinz Wexmell. »Fein, dann verblute eben.«
Damit ging er an Desiderius vorbei, der einen Moment sprachlos dastand und sich über den Stimmungswechsel des Prinzen wunderte.
Doch schließlich drehte er sich um und folgte dem Prinzen durch den Graben.
»Lass mich vorangehen«, versuchte Desiderius, den Prinzen zu stoppen. Es behagte ihm nicht, einem anderen Mann zu folgen.
Ohne stehen zu bleiben, erwiderte der Prinz: »Wozu? Der Weg führt nur in eine Richtung, es ist egal, wer vorausgeht, falsch abbiegen kann ich ja nicht.«
»Weißt du eigentlich, welche Gefahren in den Tiefen Wäldern lauern?«, fragte Desiderius wütend. »Und weißt du auch, was mit mir passiert, wenn ich einen toten Prinzen zurück auf die Burg bringe?«
»Du verlierst dein Erbe, das du sowieso nicht antreten willst«, gab der Prinz mit gelangweilter Stimme zurück, »und der König würde dein Leben beenden, was dir ja offensichtlich auch nicht viel wert ist.«
»Natürlich ist es das, ich hänge sehr an meinem Leben!« Desiderius hatte nicht wenig Lust, Wexmell von hinten anzuspringen und ihn zu Boden zu reißen, weil er sich so anmaßend benahm. Die Hitze musste ihm zu Kopf gestiegen sein und angriffslustig gemacht haben, anders konnte sich Desiderius den Stimmungswechsel seines Begleiters nicht erklären.
»Wenn dem so wäre, warum nimmst du dann das Angebot deines Vaters nicht einfach an und dienst dem König als Lord des Toten Waldes?«
»Ich binde mich nicht gern.«
Der Prinz schnaubte freudlos. »Das habe ich auch schon festgestellt.«
»Jetzt pass mal auf!« Desiderius bekam ihn zu fassen und packte grob den Arm des jungen Prinzen.
Mit mahlenden Kiefern drehte sich der Prinz zu ihm um und blickte ihm trotzig in die Augen.
»Nur damit wir diese Sache ein für alle Mal richtigstellen«, zischte Desiderius sauer, »diese Nacht war ein einmaliges Erlebnis, verstanden? Du und ich, das passiert nicht wieder! Hätte ich gewusst, wer du bist, hätte es diese Nacht ohnehin nicht gegeben.«
»Aber es hat sie gegeben«, erinnerte der Prinz mit einem hochmütigen Blick.
»Und du solltest sie vergessen«, warnte Desiderius. »Was auch immer du von mir erhoffst, wirst du nicht bekommen. Außerdem ... « Desiderius schmunzelte anmaßend, » ... so toll war es nicht.«
Verletzt wich der Prinz zurück.
Desiderius zuckte mit den Schultern und ließ den Arm des Prinzen los. »Du warst an diesem Abend einfach nur der einzig zugängliche Mann, da ich keine Münzen für Dirnen hatte. Ich wollte nur deine Taler, ein Bett und etwas Vergnügen. Für mehr warst du nicht gut.«
Der Prinz schluckte schwer, Tränen der Scham schimmerten in seinen schönen eisblauen Augen.
»Du lügst«, erwiderte der Prinz mit reichlich wenig Überzeugung. Er hoffte es, glaubte es aber selbst nicht.
Desiderius schüttelte über ihn den Kopf. Ein letztes Mal beugte er sich zu ihm und sagte herablassend: »Lass dir von mir einen Rat geben, mein junger Prinz. Wenn du zurück in der Hauptstadt bist, dann vergiss ganz schnell diese Nacht mit mir und such dir eine hübsche Gattin, die dir hübsche Kinder schenkt.«
»Das würde mich nicht glücklich machen«, wimmerte der Prinz traurig.
Mit einem gemeinen Schmunzeln erwiderte Desiderius: »Nenn mir eine Seele in ganz Nohva, die mit ihrem Schicksal glücklich ist.«
Der Prinz begann verständlich zu nicken. Doch dann trat er einen Schritt auf Desiderius zu und regte stolz das Kinn empor, als er mit harter Miene zurückgab: »Wir könnten glücklich sein, wenn du nicht so verdammt kalt wärest.«
Damit ging er plötzlich wieder an Desiderius vorbei.
Desiderius drehte sich verwundert zu ihm um und sah ihm nach. »Wo gehst du schon wieder hin?«
»Du hast uns in die falsche Richtung geführt«, behauptete der Prinz. »Wir sind immer tiefer in den Wald, statt aus ihm heraus.«
»Ich suchte nur nach einer geeigneten Stelle, um aus dem Graben zu klettern«, rief Desiderius dem Prinzen nach, der sich eilig entfernte.
»Tja, aber das ist der falsche Weg«, glaubte der Prinz.
Desiderius stieß ungläubig einen Seufzer aus. »Und woher willst du das wissen?«
Der Prinz rief