Im Thailändischen Konsulat erhielt ich ein Visum für zwei Mo nate. Ich kaufte mir einen Laptop, denn laut Absprache mit HEN SE, sollte alles auf dem elektronischen Wege erfolgen, ohne Berge von Papier.
Zum ersten Mal nach meinem Weggang telefonierte ich mit Beate, ohne jedoch meinen Aufenthaltsort zu nennen. Mit Sicher heit suchte man mich bereits und vielleicht würde sogar das Tele fon abgehört.
Beate war völlig aufgelöst und am weinen. Mir tat es leid, ihr so wehtun zu müssen. Ich erklärte ihr die Situation und mein Han deln. Sie verstand, dass es meine einzige Chance war, meine Un schuld zu beweisen.
Sie erzählte, die Polizei hätte sich bereits gemeldet und ihr „die Hölle heiß gemacht“. Aber sie stünde nach wie vor hinter mir. Sie hätte damals alles selbst miterleben müssen. All die Ängste, der Schrecken und meine ungerechtfertigte Verurteilung. Wenn ich die Chance sehen würde, meine Unschuld zu beweisen, solle ich das tun. An ihrer Liebe würde sich daran nichts ändern. Sie war eine tolle Frau und diese moralische Unterstützung tat mir gut.
Sie erzählte von permanenten Faxversuchen und anonymen An rufen, von denen sie belästigt würde. Manchmal würde das bis
spät in die Nacht gehen. Sie hätte Angst, dass die Erpresser wieder aktiv seien. Auch wurde oft nach Banken, speziell nach einer UNITED OVERSEAS BANK, gefragt, die unter dieser Nummer zu erreichen sei. Die Anrufer legten jedes Mal auf, wenn man nach ihren Namen fragen würde.
Das Spiel war also noch voll im Gange. Nur, im Moment konn te ich nichts dagegen unternehmen. Am 1. Dezember ‘97 saß ich im Flieger nach Bangkok.
Die Tage auf der Insel taten mir sichtlich gut. In den letzten vier Jahren hatte mich ein negatives Ereignis nach dem anderen über rollt, ohne dass ich zum Luftholen gekommen wäre. Bei den Di mensionen säßen andere längst in der Psychiatrie. Die Frau weg, die Firma weg, Familie, Freunde, Bekannte weg, finanziell am Ende, öffentliche Demontage, eine blinde Justiz, die mich für drei Jahre und neun Monate in den Knast schicken wollte.
Und nun diese neuen Machenschaften, in die ich geraten war. Wieder ohne mein Zutun.
Ich hatte um alles und gegen alles gekämpft. Manch eine Ent scheidung, die ich treffen musste, mag im Nachhinein nicht rich tig gewesen sein. Aber in vielen Situationen hatte ich keine andere Wahl. Dass ich mich damals auf die Forderungen der Erpresser einließ, hatte mich letztendlich ruiniert. Aber ich war froh, dass den Kindern und anderen nichts passiert war.
Die Justiz sah das natürlich vollkommen anders. Nach deren Ansicht, hätte ich mich sofort an sie wenden sollen. Nun legten sie mir alles als Lügengeschichte aus und belegten mich zur Be lohnung mit mehreren Jahren Knast. Die Ignoranz und Arroganz war einfach nicht zu fassen. Ich hatte noch einen Gegner mehr. Wenn ich den überzeugen wollte, dann nur mit handfesten Be weisen. Und die hatte ich noch nicht.
Vielleicht gab es ja über die neue Schiene irgendwelche Hinwei se auf Aktivitäten meiner Zielperson. Ich beschloss die Dinge auf mich zukommen zu lassen und die Augen offen zu halten.
Am vereinbarten Termin flog ich nach Bangkok, um mich mit HENSE zu treffen. Er war pünktlich.
„Wie geht’s?“ begrüßte mich HENSE mit Handschlag. „Ich schlage vor, wir setzen unser Gespräch in meinem Büro fort. Da
können wir auch gleich den Systemabgleich für Ihren Laptop durchführen.“
Ich war einverstanden. Das Büro wollte ich sowieso sehen.
Der Taxifahrer war ein Profi in diesem VerkehrsChaos. Er schaffte es, uns unter zwei Stunden in die City zu bringen, was eine Leis tung war.
Die Sukhumvit Road gehört zu den längsten Straßen von Bang kok. HENSE ließ an einem mehrstöckigen Bürogebäude halten. In der Eingangshalle waren eine Reihe von Firmen aufgeführt, die hier ihren Sitz hatten.
Unter anderem war ein Schild zu lesen mit „FIRST BANK OF KOREA, Office Bangkok“.
Mit dem Fahrstuhl ging’s in den 5. Stock. Drei Damen begrüß ten uns sehr freundlich. HENSE ließ sich einen Aktenordner mit Unterlagen geben und zog sich mit mir in sein Büro zurück. Alles war angenehm klimatisiert. Das Büro zeugte von einer regen Be triebsamkeit. Überall lagen irgendwelche Unterlagen. Auf einem Flipchart waren Strategiepunkte festgelegt worden. Hier musste vorher eine Konferenz stattgefunden haben.
„Unsere AnzeigenKampagne ist inzwischen in Deutschland, Schweiz und Österreich angelaufen“, berichtete HENSE. „Es ha ben sich einige Interessenten gemeldet und bereits AntragsUn terlagen von uns erhalten. Die Aktion läuft insgesamt über fünf Wochen bis Mitte Januar und dann müssen wir mal sehen, was an interessanten Kontakten dabei ist. So manche Anfrage sortieren wir bereits im Vorfeld aus, wenn es nach heißer Luft riecht.“
HENSE gab mir eine Diskette mit Interessenlisting, Kunden daten und Antragsunterlagen. Ich spielte sie in meinen Laptop ein.
„Wir können zukünftig alles auf diesem Weg erledigen“, schlug er vor.
„Das Notebook besitzt eine integrierte Telefon und Faxeinheit und ist für das Internet vorbereitet“, erklärte ich ihm.
„Damit werden Sie nicht so viel zu tun haben“, wandte er ein,
„Ihre Aufgabe ist es, anhand der Kundendaten, deren Angaben zu überprüfen und den Kontakt zu halten. Das Problem ist, dass wir
von hier aus, die werthaltigen Sicherheiten von Antragstellern, kaum beurteilen und überprüfen können.
Deshalb haben wir die Sache so gelöst, dass die Kreditnehmer bei Vertragsabschluß, eine 10%ige Sicherheitsleistung in Form einer Festgeldanlage über die Kreditlaufzeit, bei einer Schweizer Korrespondenzbank zu hinterlegen haben. Das ist gleichzeitig auch der Bonitätsnachweis. Ohne den geht nichts!“
Ich fragte nach: „Wann müssen denn die Kunden die verlangte Sicherheitsleistung zahlen? Im Voraus oder können sie das mit der Darlehenssumme verrechnen?“
HENSE wich aus: „Das ist von Fall zu Fall verschieden. Wichtig ist, dass die Bonität nachgewiesen wird. Über die jeweilige Vorge hensweise werden Sie die entsprechenden Informationen erhal ten.“
„Wie heißt denn die Korrespondenzbank, über die die Sache mit der Festgeldanlage abgewickelt wird?“ bohrte ich nach.
„Auch darüber werde ich Sie zu gegebener Zeit informieren.“
Mit solchen brisanten Daten wollte HENSE anscheinend nicht herausrücken.
„Ich bin Mitte Januar wieder in Zürich. Bis dahin ist die Akqui se durch und die Interessenten sind sortiert. Dann können Sie richtig starten. Wir haben dann auch einen gewissen Überblick und können über Ihre weitere finanzielle Ausstattung reden.“
Damit war unser Gespräch beendet.
HENSE bestellte mir ein Taxi, das mich zurück zum Airport brachte. Ich flog zurück auf die Insel.
HENSE wusste nicht, dass ich mich bereits seit zweieinhalb Wochen in Thailand befand und es schien ihn auch nicht sonder lich zu interessieren, wo ich mich aufhielt.
Für ihn schien wichtig zu sein, dass ich zum verabredeten Zeit punkt am vereinbarten Ort war und letztendlich meinen Job mach te.
Das Geschäftsgebaren war schon mehr als ungewöhnlich. Andererseits stimmten bisher sämtliche Angaben die er machte. Ich durchforstete die Daten auf der Diskette.
Die Anfragen nach einem Darlehen lagen zwischen 10 und 150 Millionen USDollar. Die Meisten wollten das Geld zur Unter nehmensfinanzierung oder für Immobilienvorhaben einsetzen.
Ich fand Formulare zur Selbstauskunft, Darlehensanträge, ebenso wie eine Verpflichtungserklärung für die Sicherheitsleistung. Die musste anscheinend mit in die Unterlagen gerutscht sein, denn