Ich möchte freundlich behandelt werden. Wilfried Kochhäuser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilfried Kochhäuser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783742713391
Скачать книгу
meiner Gefühlen. Um uns darin zu üben, können wir in ruhigeren Bereichen unseres Lebens beginnen, wo nicht gerade der mächtigste Pulverdampf besteht. Ich offenbare mich auf diese Weise und begebe mich mutig in eine subjektiv verletzbar empfundene Position.

      Ich lerne mich darüber allerdings auch besser kennen, ich mache mich mit mir "Selbst vertrauter" und erkenne als Nebeneffekt, auch vielleicht erst in kleinen Schritten, welche Ausdehnung mein Garten tatsächlich hat.

      Ein Beispiel:

      "Ich hatte seit 4 Wochen Kontakt zu einer Frau, die ich recht zufällig neu kennen gelernt hatte. Wir kamen sehr schnell in einen intensiven Austausch miteinander und es entwickelte sich langsam eine engere Beziehung. Wir verstanden uns gut, hatten zum Teil ähnliche Interessen und fanden uns offensichtlich beide anziehend. Nach ca. 4 Wochen gerieten wir plötzlich in einen heftigen Streit. Letztlich ging es nur um die Planung, wie wir unser Wochenende verbringen bzw. wann wir füreinander Zeit haben würden. Vielleicht war ich ein bisschen unentschieden oder auch noch hin- und hergerissen, weil sich auch ein Freund mit mir treffen wollte. Am Ende eskalierte unser Gespräch mit heftigen Vorwürfen und Entwertungen von ihrer Seite aus, die mich ratlos zurückließen. Normalerweise hätte ich mich an diesem Punkt zurückgezogen und gedacht: „Die blöde Kuh weiß sowieso nicht was, sie verpasst“. Es stand auf jeden Fall außer Frage, mich jetzt auf irgendeine Weise klein zu machen oder betteln zu gehen.

      Ich hatte es während dieser ersten 4 Wochen unseres Kennenlernens eigentlich nie nötig gehabt, machohaft aufzutreten, wie es die längste Zeit meines Lebens Gewohnheit gewesen war. Aber in dieser Zwangslage kam das wieder durch. Ich benötigte volle 2 Tage, um wieder Klarheit zu finden.

      Dann ging ich diese verfahrene Situation so an, wie ich das vorher in meinem neuen Job gelernt hatte. Ich rief sie an und bat um ein Gespräch. Und es gelang mir in dem Gespräch ausschließlich und durchgehend von mir zu sprechen. Jeder Satz begann mit „Ich“, ich beschrieb meine Gefühle, meine Verwirrtheit, meine Wünsche und auch das, was ich nicht wünschte. Es gelang mir, mich außerhalb meiner üblichen machohaften Attitüde „Entweder Du willst mich so, wie ich bin, oder lass´ es bleiben.“ zu stellen. Ich verspürte Angst in dieser Situation von Selbstoffenbarung, fühlte mich verletzlich und klein überhaupt nicht wie ein richtiger Mann. Ich zog das letztlich auch nur durch, weil mir diese Art von Kommunikation aus verzwickten beruflichen Situationen schon heraus geholfen hatte. Am Ende war ich verblüfft und überrascht, wie zugewandt meine Partnerin reagierte, ihrerseits sich selbst beschrieb, von sich sprach."

      Ich erkenne zunehmend deutlicher, wieviel Müll und mühsam zu umfahrende Hindernisse in meinem Garten herumliegen. Und wie viele Umwege ich in meinem täglichen Leben absolviere. Ein erster Schritt, viele nicht gut funktionierende Strategien mutig zu unterlaufen besteht darin, ausschließlich von mir zu reden. Genau das mache ich mit Ich-Botschaften. Das mag simpel klingen und unvermeidlich schlechte Gefühle und solche Gedanken auslösen, wie zum Beispiel: "Das ist doch total egoistisch, nur noch von mir zu reden ".

      Das beste ist daher, alles beharrlich auszuprobieren. Die konsequente Umsetzung dieses sprachlichen Prinzips ist anfänglich, wie bei jedem Training, holprig. Unser Gehirn wird nämlich nicht augenblicklich "Hurra" schreien können. Das – trügerische - Gefühl einer erfolgreichen Salve auf den Gegner bleibt ihm verwehrt. Die Belohnung "Hurra, Treffer, versenkt" gibt es in der Arbeit mit Selbstabgrenzung über Ich-Botschaften nicht. Wahrscheinlich winde ich mich in der Beschreibung meiner Selbstposition zunächst noch etwas.

      Nachfolgend finden sich Kernbotschaften. Es wird sich kaum ein zwischenmenschliches Aufeinandertreffen finden, in denen diese Sätze nicht als erste Schutzmaßnahme ausreichen, um mich zunächst selbst wieder zu finden, zu beruhigen sowie Zeit zu gewinnen - und mein Angsttraining voranzutreiben.

      Das möchte ich nicht.

      Das wünsche ich mir anders.

      Ich möchte freundlich behandelt werden.

      Ich möchte mich nicht weiter unterhalten.

      Ich habe das noch nicht verstanden.

      Ich kann dazu noch nichts sagen.

      Ich beende jetzt das Gespräch.

      Ich gehe jetzt.

      Wenn Sie sich mit dem nachfolgenden Protokoll (siehe auch als PDF zum Ausdruck auf der Homepage www.friendly-pressure.com) regelmäßig mit Konfliktsituationen und den darin stattfindenden sprachlichen Auseinandersetzungen beschäftigen, werden Sie feststellen, wie weit unser Gehirn von solchen Aussagen zunächst entfernt ist. Die Arbeit mit einem Protokoll ist aus meiner Sicht unverzichtbar, um mehr über sich und die eigenen Sprachmuster zu lernen.

      Es hilft, den tatsächlichen Ablauf von Auseinandersetzungen zu protokollieren, um so sehen zu können: Was habe ich gesagt und was habe ich tatsächlich bekommen oder nicht bekommen? Das ist der Einstieg, um mich zunächst am grünen Tisch damit auseinander zu setzen, wie eine Selbstbeschreibung hätte aussehen können. Damit begebe ich mich auf die ersten Schritte eines Trainings freundlicher Abgrenzung. Was ich dabei bewältige, ist die dazu gehörige Portion Angst und wahrscheinlich ein inneres Widerstreben. Aus meiner Erfahrung ist das Erleben solcher Gefühle auch ein wichtiges Kriterium dafür, ob etwas funktioniert hat – oder eben nicht. Ob ich im Anschluss an die Konfrontation mit meinem Gegenüber die Situation weitestgehend abschließen konnte. Wenn mich hingegen etwas weiter beschäftigt oder mich mein Gegenüber - im Geist oder in der Realität - nicht in Ruhe lässt, dann hat irgendetwas nicht richtig funktioniert.

      Was habe ich von der Person / Situation erwartet? Was habe ich bekommen?

      Wie fühlte ich mich während und nach der Situation? Meine konkrete Körperwahrnehmung:

      Was habe ich tatsächlich gesagt?

      Ich formuliere Ich-Botschaften, in denen ich beschreibe, was ich mir in dieser Situation gewünscht habe und was nicht:

      Habe ich erfahren, was sich die andere Person von mir gewünscht hat?

      Wie hat sich die Situation/der Konflikt weiterentwickelt.

      Habe ich zu einem späteren Zeitpunkt Ich-Botschaften genutzt?

      Versuchen Sie nun die nachfolgende Szene mit Ich-Botschaften zu bewältigen. Ein Kollege kommt zu Ihnen ins Büro gestürmt, baut sich nahe an ihrem Schreibtisch auf und wirft Ihnen wütend einen Akten-Vorgang vor die Nase:

      "Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, dass wir das bis 11:00 Uhr erledigt haben müssen. Bist Du eigentlich bescheuert?“

      Unser Kampfgehirn wird nun für uns typische Gegenattacken anbieten. Beispielsweise würden wir antworten:

      „Was soll das denn jetzt? Du bist wohl SELBST bescheuert!“

      Insbesondere, wenn wir tatsächlich einen Fehler begangen haben könnten, wird sich der hier von dem Kollegen begonnene Machtkampf weiter entwickeln, mit einem erneuten Angriff:

      "Wer hat denn hier bitte den Mist gemacht, sei du mal jetzt ganz still! Und mach den Kram sofort zu Ende!"

      Und kurzerhand hat sich für den Kollegen eine günstige Gelegenheit entwickelt, wütend "als Gewinner" aus dem Zimmer zu stampfen. Auch wenn sich in Ihrem realen Umfeld genau diese Konfrontation noch nicht zugetragen hat, werden Sie Wut und die Hilflosigkeit nachempfinden können, die sich schon mit dem ersten Satz entzündet. Und die sich jetzt, wo das Gegenüber den Raum wieder verlassen hat, noch stärker in uns aufbaut.

      Versuchen Sie im Folgenden eine Ich-Botschaft als Schutz gegen die Attacke des Kollegen zu formulieren. Sie können hierzu nachfolgenden Beispielsätze ausprobieren:

      Ein Kollege kommt zu Ihnen ins Büro gestürmt, baut sich recht nahe an ihrem Schreibtisch auf und schmeißt Ihnen einen Akten-Vorgang vor die Nase:

      Ich-Botschaft:

      „Ich möchte freundlich behandelt werden!“

      Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der Kollege jetzt erneut so attackiert. Aber selbst in diesem Fall......:

      "Wer