Ich möchte freundlich behandelt werden. Wilfried Kochhäuser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilfried Kochhäuser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783742713391
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Situationen zu bringen. Außerdem findet sich der Garten auch in vielen Mythologien und Kulturen als Bild des Privaten, Intimen oder auch Spirituellen (zum Beispiel der persische „Innere Garten“, der mit seinem Wortstamm vom Garten „Paradaidha“, eine Verbindung mit dem Wort „Paradies“ besitzt).

      Wenn der Garten im Augenblick verwildert, zugewachsen oder „zugemüllt“ ist, so kann ich Techniken erlernen, dies Schritt für Schritt zu ändern. Eine wichtige Funktion besitzt auch der Zaun, der zu unserem Garten gehört. Zum Wert von Zäunen gibt es unterschiedliche Meinungen:

      „good fences make good neighbours“

      "Gute Zäune machen gute Nachbarn".

      Dieses klassische angelsächsische Volkswissen über die gute Beziehungspflege zu den Nachbarn - mithilfe eines Zaunes - kann auch erweitert werden (nach Lorna Smith Benjamin).

      „Good defences make good neighbours“.

       „Gute Verteidigung macht gute Nachbarn“.

      Die konkrete Auseinandersetzung mit diesem Modell wirft Fragen auf. Ob es ein solches Terrain bei uns überhaupt gibt? Möglicherweise kennen wir nicht einmal das Gefühl von einem verfügbaren Raum. Einem Raum, der auch die Möglichkeit zum Rückzug und zu einer Grenzziehung bietet. Wenn man beispielsweise seine Kinder durch die Kleinkind- und die Grundschulphase gebracht hat, dann wird bei dem einen oder anderen wenig von diesem eigenen Raum übrig sein. Dann sieht der Garten nicht nur gerupft aus, sondern wird von allen möglichen Menschen, Verpflichtungen und Gewohnheiten belegt. Oder wenn wir über einen längeren Zeitraum Angehörige pflegen. Für viele Menschen gehören solche Phasen in ihr Leben, ebenso wie die Herausforderung, den eigenen Garten wieder für sich herzustellen. Es geht somit in diesem Buch nicht nur um bösartige Grenzüberschreitungen.

      Möglicherweise ist Ihnen das Gefühl vom eigenen Raum aber auch so fremd, dass Sie das gar nicht interessiert. Weil Sie sich sowieso bevorzugt in den Räumen anderer aufhalten (ob nun feindselig, schutzsuchend oder fürsorglich). Vielleicht ist es sogar eher „das Normale" für einige von uns. Ich möchte allerdings neugierig auf die Frage machen, ob das wirklich anhaltend "gut" funktioniert.

      Oder Sie haben eine gewisse Ahnung von „Ihrem“ Raum, aber erleben sich nur noch in einer winzigen Ecke des eigenen Gartens. Bedrängt und eingeengt und mit nur noch wenig Luft zum Atmen. Immerhin besteht dann aber an sofort die Möglichkeit, sich aus dieser "Eckenperspektive" zunächst einen Blick auf die wieder zu erlangende Bewegungsfreiheit zu verschaffen.

      Vielen Menschen ist es möglich, das Bild vom eigenen Körper als Raum für die eigene Persönlichkeit zu nutzen. Dieser Raum bleibt lebenslang gleich groß - aber in welchem Umfang er durch uns oder durch andere belegt ist, wird im Verlauf schwanken.

      Das Bild bietet außerdem eine Anschaulichkeit für Dinge, die sich auf unserem Terrain befinden. Das kann zum Beispiel der Seelen-Müll sein, den Andere uns regelmäßig über den Zaun werfen. Es kann sich aber auch um unerwünscht anwesende Personen handeln, die sich zum Teil gewohnheitsmäßig bei uns aufhalten, eingenistet haben. Das mag sogar unser geliebtes Enkelkind sein, über dessen Anwesenheit in unserem Terrain allerdings gar nicht mehr verhandelt wird. Weil wir gewohnheitsmäßig Betreuungsverpflichtungen übernehmen müssen, die uns im Ausmaß zu viel geworden sind. Das kann der alkoholkranke Partner sein, der fast wie ein Mobiliar in unserm Terrain/Garten seinen Platz einnimmt, und der andernorts überhaupt nicht mehr alleine existieren könnte. Dann ist der Garten ein Abbild für eine permanente Fürsorgeverpflichtung geworden.

      Es können aber auch die Marotten der Bürokollegen sein, die wir über Jahre erduldet haben und die faktisch in unser Terrain integriert sind. Menschen, die laut am Arbeitsplatz Privattelefonate führen, während wir mit unserer Teilzeitstelle bis zum Mittag versuchen, konzentriert unsere Arbeit zum Abschluss zu bringen.

      Ob jemand am Arbeitsplatz Kochrezepte austauscht oder das Fenster immer genau so geöffnet und geschlossen ist, wie das seit Jahren üblich war - unser eigenes Terrain ist mitbetroffen. Häufig bestehen „Zustände“ in unserem Terrain, ohne dass wir darüber noch mitverhandeln könnten und wir uns schließlich damit abgefunden und resigniert haben.

      Manchmal sind gewohnheitsmäßig angesammelte innere Überzeugungen allerdings noch einschränkender, als die oben genannten Beispiele äußerer Eindringlinge. Das eigene schlechte Gewissen, festgefahrene Bewertungen hinsichtlich konkreter Personen, einschließlich unserer selbst. Vielleicht hat mal jemand mit einer alten Schuld ein Faustpfand in unser Terrain gelegt und wir erleben uns nun gewohnheitsmäßig machtlos, unsere eigenen Bedürfnisse zu verdeutlichen oder überhaupt noch wahrzunehmen.

      Bisweilen befeuert schon die Idee, überhaupt ein eigenes Terrain zu haben, eine notwendige Sehnsucht. Die Sehnsucht, sich das eigene Terrain wieder, oder auch erstmalig zu erschließen, um dort von jetzt schrittweise für sich zu sorgen. Dabei entstehen leicht auch ein Unwohlsein und die Vorstellung, dies könnte "egoistisch" sein. Oft bekommen wir genau das von unserem Gegenüber mitgeteilt ("Du bist so egoistisch geworden“). Was widerum mit einem Erleben verknüpft sein wird, sich alleine und isoliert zu fühlen. Diese gedanklichen und sprachlichen Einwände und Bewertungen über uns selbst und andere entsprechen genau den Warnungen, die unsere Hirnbiologie bei den ersten Schritten auf uns zu abfeuert:

      „Verscherze es Dir nicht mit den Anderen. Verliere nicht den Kontakt zur Gruppe. Fordere niemanden heraus, der machtvoller ist, als Du. Es gibt nur Unterwerfung oder die Zuversicht, einen Kampf erfolgreich bestreiten zu können...!“ Oder Du gehst da draußen alleine zu Grunde...“.

      Alternative, neue Strategien haben in unserem Säugetiergehirn keinen hirnbiologisch vorgegebenen Platz, sie sind künstlich und fühlen sich auch so an:

      Sich (und wenn auch nur zeitweise) zurückzuziehen

      Auf den empfundenen Handlungsdruck nicht sofort zu reagieren

      Die eigene Bedürfnislage mit ausreichend Zeit auszuloten und erst dann

      Diese nach außen zu vertreten (= Selbstoffenbarung)

      Die Effekte, die wir über die Kontaktaufnahme mit unserem Körper herstellen können, will ich an einem kleinen Beispiel verdeutlichen.

      Vor einigen Jahren habe ich bei der Abreise aus einer Pension beim Zurücksetzen auf dem Parkplatz einen Blechschaden verursacht. Ich hatte bei der Rückwärtsfahrt aus einer schmalen Lücke ein direkt hinter mir stehendes Fahrzeug einfach vollkommen übersehen, so beschäftigt war ich mit der Beobachtung der auf dem Parkplatz hin und her laufenden Personen.

      Von außen betrachtet handelte es sich um ein ausgesprochen peinliches Ereignis, die vielen Umherstehenden schauten mich mit offenen Mündern an, als ich nach dem Krach aus dem Auto ausstieg. Es war sozusagen ein Parkplatzrempler mit Ansage, die außer mir alle Umherstehenden mitbekommen hatten. Das eigentliche Unfallereignis ließ sich rasch regeln, die geschädigte Angestellte der Pension reagierte sehr gelassen, das Ganze wurde unproblematisch über die Versicherung abgewickelt und verblieb letztlich als überschaubares finanzielles Ärgernis. Das für mich Bedeutungsvolle an diesem Erlebnis waren jedoch die Folgen, die sich in meinem Körper über mehrere Tage hinweg abspielten. Ich musste immer wieder an dieses Ereignis denken, ich schlief schlechter und war immer wieder bei allen möglichen Tätigkeiten durch die bildhaften Erinnerungen an diesen kleinen Unfall abgelenkt. Zu guter Letzt konnte ich mich an das erinnern, was ich meinen Patienten in einer solchen Situation geraten hätte - obwohl das Ereignis doch augenscheinlich trivial war. Auf den ersten Blick so banal, dass ich mich selbst wie die meisten Menschen deswegen natürlich nicht um Rat befragte, sondern die Abläufe still in mir erduldete, bis sich die Aufregung erfahrungsgemäß dann irgendwann von selbst verloren hätte.

      Aber ich fragte mich doch noch um Rat und ging den entscheidenden ersten Schritt:

      Ich konfrontierte mich vor meinem inneren Auge mit der noch diffusen und undurchschaubaren Erinnerung an den Ablauf dieses Unfalls. Ich versuchte mich intensiv und bildhaft daran zu erinnern, wie ich in