Der zweite Mann kam heran. Er sah besser aus, als der Narbige und hatte ein feingeschnittenes Gesicht, das von dichten schwarzem Haar und einem ebenso pechschwarzen Bart umrahmt wurde.
Der Narbige wandte den Blick zu seinem Komplizen, aber die Pistole blieb weiterhin auf Elsas Kopf gerichtet, auch wenn sich der Druck etwas abschwächte.
Sie wechselten ein paar Worte. Der Schwarzbart schien offenbar das Sagen zu haben. Der Narbige war nur ein Handlanger.
Elsa blickte ängstlich von einem zum anderen
Dann fragte der Schwarzbart in akzentbeladenem Englisch.
„Wo ist Steiner?“
Elsa verstand ihn nicht. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wollte antworten, aber ihr Mund blieb stumm. So schüttelte sie nur den Kopf.
Der Narbige verstärkte den Druck seiner Waffe wieder.
„Du sollst antworten!“, zischte er.
„Ich kenne niemanden, der Steiner heißt!“, erklärte Elsa wahrheitsgemäß.
Der Narbige holte zu einer schnellen Bewegung aus und schlug Elsa seitlich mit der Pistole ins Gesicht. Blut tropfte ihr aus der Nase.
„Du lügst!“, zischte er dann. „Steiner wohnt hier.“
Langsam begriff Elsa. Diese Kerle suchten Robert; aus welchem Grund auch immer.
Der Schwarzbart bedeutete seinem Komplizen, es erst einmal dabei bewenden zu lassen. Elsa wurde roh aus dem Auto herausgezerrt. Sie wagte nicht, sich zu wehren. Es wäre auch zwecklos gewesen.
Die Männer packten sie, und so wurde sie zurück ins Haus geführt.
Als sie im Wohnzimmer ankamen, warfen sie Elsa auf die Couch.
„Ich würde Ihnen empfehlen, keine Dummheiten zu machen!“, meinte der Schwarzbart kalt. „Wir spaßen nicht. Sie bekommen eine Kugel in den Kopf, wenn Sie irgend etwas versuchen.“
Er sah sie scharf an. „Haben Sie mich verstanden?“
Elsa nickte.
„Ich will es hören!“
„Ja!“
„Gut so!“
„Was wollen Sie? Geld ist nicht besonders viel da, aber...“
„Wir wollen Steiner. Wo ist er? Vielleicht kennen Sie ihn unter einem anderen Namen. McCord? Jensen? Er benutzt noch ein paar weitere...“
Er griff in seine Jackentasche und legte Elsa ein Foto auf den Tisch. „Sehen Sie sich das an!“
Elsa zögerte erst. Dann schaute sie hin. Auf dem Bild war Robert.
„Dieser Mann wohnt hier, nicht wahr?“
Elsa antwortete nicht. Der Narbige trat unvermittelt vor und schlug ihr mitten ins Gesicht. Die Blutung in ihrer Nase, die gerade erst ein wenig zum Stillstand gekommen war, brach wieder auf. Elsa begann zu schluchzen.
„Es hat wenig Sinn, wenn Sie nicht mit uns zusammenarbeiten“, meinte der Schwarzbart ungerührt. „Wir werden ohnehin alles aus Ihnen herausbringen, was wir wissen wollen. Dafür haben wir unsere Methoden. Sie haben nicht die geringste Chance, merken Sie sich das. Vielleicht werden wir etwas Zeit verlieren, aber das ist auch alles...“
„Wo ist er?“, fragte der Narbige, der für das Grobe zuständig zu sein schien.
Elsa schluckte, wischte sich mit der Hand über die Wangen und die Augen und versuchte, mit ihrem Taschentuch das Nasenbluten aufzuhalten.
„Er ist nicht hier!“, sagte sie dann und fühlte sich scheußlich dabei. Sie hatte das Gefühl, Robert irgendwie zu verraten, obwohl sie wusste, dass es nicht so war.
Diese Männer wussten Bescheid. Sie wussten, dass Robert - oder wie immer sein wirklicher Name auch sein mochte - hier lebte.
„Das haben wir gemerkt“, erklärte der Schwarzbart kalt. Er musterte Elsa mit einem unangenehmen Blick, der alles zu durchdringen schien. „Etwas mehr musst du uns schon erzählen. Wo ist Steiner jetzt? Pardon, hier nennt er sich ja wohl Jensen und behauptet, Däne zu sein...“
„Ist er das denn nicht?“
„Nein. Aber die Fragen stelle ich.“
„Ich weiß nicht, wo er ist“, erklärte Elsa mit Nachdruck. Sie sah in die Gesichter der beiden Männer, und dann lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sie fühlte, dass diese beiden - wer oder was sie auch immer geschickt haben mochte - die geringste Rücksicht auf ihr Leben nehmen würden. „Es ist die Wahrheit, ich weiß wirklich nicht, wo er sich befindet... Das müssen Sie mir glauben!“
„Wir müssen gar nichts!“, meinte der Schwarzbart. „Hat er nichts gesagt? Ist vielleicht auf einer seiner... Geschäftsreisen?“
Das letzte Wort sagte er in einem seltsamen Tonfall. Etwas stimmte da nicht, Elsa fühlte es ganz deutlich.
„Ja“, murmelte sie.
„Wer sind Sie?“
„Mein Name ist Elsa Karrendorf.“
„Deutsche?“
„Ja.“
„Und was machen Sie hier in Steiners Haus?“
„Ich lebe hier.“
„Kennen Sie Steiner aus Deutschland?“
„Nein. Ich habe ihn hier in Tanger kennengelernt. Ich bin seit ein paar Wochen mit ihm zusammen, das ist alles. Warum fragen Sie? Ist Steiner - wie Sie ihn nennen - etwa in Wahrheit Deutscher?“
Das würde erklären, weshalb er die Sprache so vorzüglich spricht, überlegte Elsa still. Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern.
„Er spricht sehr gutes Deutsch, habe ich gehört. Aber das gilt auch für ein halbes Dutzend anderer Sprachen. Steiner ist wie ein Chamäleon, das sich überall perfekt anzugleichen versteht. Er wechselt Aussehen, Name und Nationalität nach Belieben. Kein Mensch weiß, wer er wirklich ist. Das heißt...“
„Was?“
„Vielleicht wissen Sie es.“
„Nein. Ich kenne einen Mann namens Robert Jensen. Sonst weiß ich nichts. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was hier gespielt wird.“
„Ist Steiner noch in Marokko?“
„Nein.“
„Hat er sich irgendwann gemeldet?“
Als Elsa nicht sofort antwortete, drückte der Narbige ihr wieder die Pistole an den Kopf. Der Druck war unangenehm. Sie schluckte und fasste sich dann. Es hatte alles keinen Sinn, sie musste diesen Männern irgend etwas vorsetzen, irgendeinen Brocken, den diese Wölfe verschlingen konnten... Und vielleicht, wenn sie sehr viel Glück hatte, würden sie sich damit zufrieden geben... Vielleicht...
„Ja, er hat einmal angerufen.“
„Von wo aus?“
Sie überlegte kurz. „Italien. Ich glaube, es war Mailand.“
Ohne Vorwarnung verpasste der Narbige ihr einen furchtbaren Schlag.
„Sie lügen!“, kommentierte der Schwarzbart. Die beiden Männer schien fast so etwas wie Gedankenübertragung zu verbinden. Sie verstanden sich blind und ohne ein Wort. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass Elsa nichts von dem wirklich verstand, was hier vor sich ging.
„Warum sollte ich lügen?“
„Steiner weiß genau, dass er ein toter Mann wäre, sobald er sich in Italien blicken ließe... Nein, das würde er nicht wagen! Also, von wo aus hat er sich gemeldet?“
„Brüssel.“
Es