Aus der frühen Geschichte Pommerns - die Pomoranen, Liutizen und Obodriten - der 30kährige Krieg - Stralsund 1678. Johann Ludwig Quandt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Ludwig Quandt
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783752918885
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nun unsere Chroniken den Wartislaw für einen Sohn Ratibors, und das ist noch in einer neuesten Publikation festgehalten. Dafür ist gar nichts, dagegen Alles. Erstlich Wartislaws Alter; er ist vor 1127 geboren, müsste jedenfalls jünger sein als Boleslaw, wohl auch als Swentepolk, aber 1127 war Ratibor noch nicht oder eben erst volljährig. Zweitens sein Verhältnis; er würde Landeshoheit haben wie die genannten. Drittens die Bezeichnung als bloß cognatus; Swentepolk kommt nur einmal vor und heißt da Sohn des Herzogs Ratibor, und das Verhältnis des patruelis drücken damals unsere Herzoge durch frater aus. Viertens das Patronymikon, das ihn entweder als Sohn oder als Nachkommen eines Swantibor anzeigt; im ersten Falle müsste er Enkel Ratibors sein, was unmöglich ist, im zweiten wären die Herzoge selber Swantiboritzen. Die drei ersten Gründe sprechen auch gegen meine frühere Ansicht, Swantibor als Wartislaws Vater sei Bruder Ratibors; er müsste noch jünger sein als dieser. Vielmehr ist der gemeinschaftliche Stammvater höher hinauf zu rücken, in die heidnische Zeit; der Vater Wartislaws muss gewesen sein, was er war, Herr von Stettin, in freierer Stellung des pan zum knez, dem priesterlichen Geschlechtshaupt, er muss als Zeitgenosse Wartislaws I. Stettins Verhältnis zu diesem repräsentieren.

      16. Das geschieht nun 1124 durch Domislaw. Er war „der vorragendste unter den Stettinern an Leib und Geist, an Reichtum und Adel des Geschlechts, von allen so hochgeehrt, — tanto honore et reverentia colebatur, man denke an Saxos Bericht über die Verehrung, welche die slawischen Fürsten, Jaromar von Rügen und Niklot der Obodrite erhielten, selbst von Feinden, — dass auch der Herzog sich nicht herausnahm, ohne seinen Rat und Beifall in Stettin etwas zu tun, sondern nach seinem Willen alle öffentlichen und privaten Sachen geordnet wurden, seine Hausgenossenschaft zählte 500, der größte Teil Stettins war mit seinen Angehörigen und Verwandten erfüllt, [die minderfreien Einwohner also ihm hörig,] er hatte deren auch in der Umgegend so viele, dass niemand ihm leicht widerstehen konnte (Andreas V. Ott. 2, 9 Jasch. Ebbo 51. Der früher gemachte Einwand Andreas habe die erhaltenen Nachrichten corrumpiert, ist abgewiesen durch Klempins Nachweis, dass er wörtlich abschrieb.). Offenbar war er also weder Privatmann noch Beamteter; er war der dem knez untergeordnete pan, Haupt einer vielgliedrigen Familie; es musste für einen Deutschen schwer sein, die Stellung, eines solchen im Slawenlande, wo das Lehnwesen mit seinen Funktionen und Titeln nicht existierte, wo die Grenzen im Verhältnis zum oberpriesterlichen Geschlechtshaupt, zu den Verwandten, dem Adel und den Freien nicht scharf bestimmt waren, an einen modernen Begriff von Fürstlichkeit nicht zu denken ist, zu erfassen, und sie konnte kaum deutlicher bezeichnet werden, als geschehen ist. Domislaw war nun 1124 im frischesten Mannesalter, seine Gattin eine geraubte Christin aus Sachsen, beider zwei Söhne als blühende Knaben (von 7 bis 10 Jahren) durch Ottos Liebe gewonnen die am 25. Oktober 1124 getauften Erstlinge der Stettiner Christen. Wartislaw, vor 1127 geboren, ist unfraglich Domislaws Erbe, entweder einer der beiden Erstlinge, dann Swantibor dieses Vorfahr, oder, wenn die Knaben jung verstorben, Domislaws Neffe, Swantibor dessen Bruder. Die einzige Regierungshandlung nun in Wartislaws Regentschaft, von der Kunde auf uns gekommen, ist zu S. Ottos Ehren geschehen, von dessen Verehrung sein Colbatz nächst Stettin die meisten Spuren zeigt; er selber, „obwohl ein Slawe, war doch nicht von barbarischer Sitte und ganz unähnlich seinen Bürgern, sehr eifrig für Vermehrung und Zierung der Religion, daher er ein Kloster stiftete, um sein dem Aberglauben ergebenes Vaterland vom Dienst des Irrtums zurückzuführen“; zwei von seinen vier Söhnen haben christliche Namen, welche doch im Herzogshause sehr selten und erst im 15. und 16. Jahrhundert vorkommen (Joachim im 15., Johann Friedrich und drei Georg später.); das Alles weist auf die erste Alternative, die schon an sich vorzuziehen wäre.

      Domislaw, 1124 in so ausgezeichneter Stellung, kommt 1128 gar nicht vor, ist unstreitig inzwischen gestorben. Daraus erklärt sich einerseits der dazwischen liegende Abfall der Stettiner, andrerseits die abhängigere Stellung der minorenn Hinterbliebenen Söhne, als deren Vormund der 1128 hervortretende Wirtschach (Wrtczech = Siegsfroh vgl. §. 20 A 39.) gelten mag. Wartislaws Nachkommen haben den größeren Teil der Stettiner Castellanei, die Pane der übrigen Burgwarde Garz und Fiddichow können vom Bruder stammen.

      17. Wartislaw I. hatte heidnische Herzoge zu Vorfahren. Der Vater des Stettiner Wartislaw ist sein patruelis, entweder im ersten oder auch im zweiten Grade. Der gemeinschaftliche, über beide Landesteile, den Belgarder und den Stettiner, herrschende Großvater oder Urgroßvater ist, da Wartislaw I. um 1095, nicht nach 1045 oder resp. 1020, geboren. Aber 1046 ist Smysl Herzog von Pommern.

      Boleslaw I. von Polen unterwarf 993 und behauptete bis an seinen Tod (1025) ganz Pommern; sowohl Danzig als S'chinske (Stettin) und Jomsburg standen unter ihm; er stiftete im Jahre 1000 ein Bistum zu Colberg, zweifellos für das ganze Land, in dessen Mitte die Stadt lag, wie das 1124 als Grund für die Erwählung von Wollin ausgesprochen ward. Unter seinem Sohne Mesko I. sank seit 1031 die polnische Macht durch Bruderkrieg, — schon vorher (nach 1025) hatte der Dänenkönig Knud die Pommern zinsbar gemacht, sie blieben es bis an seinen Tod (1035), — mit Meskos Tode (1034) und seines Sohnes Kasemirs I. Vertreibung (1035) brach schreckliche Anarchie ein, sogar das Heidentum erhob sich wieder, die Böhmen und die Pommern machten Eroberungen, nur Masovien blieb in Frieden, weil dort Meczslaw, Meskos Beamteter und Mundschenk, nach dessenTode sich zum Fürsten aufgeworfen hatte. 1041 kehrte Kasemir zurück, entriss den Nachbarn die gemachten Eroberungen, unterwarf dann c. 1044 die Masovier, wobei Meczslaw fiel, ehe die ihm verbündeten und zu Hülfe kommenden Pommern zur Stelle waren, erfocht dann auch über diese einen großen Sieg. So der älteste polnische Bericht. (3) Und ein deutscher: Im Sommer 1046 erschienen vor dem Kaiser zu Merseburg die Herzoge Kasemir von Polen und Zemitzlo (Polnisch zmysl, (das z ist weiches, das s scharfes s) bedeutet Sinn, Klugheit, = Hug, Hugo.) von Pommern mit Tribut und Geschenken, er schlichtete auf dem Fürstentage zu Meißen ihre Streitigkeiten (Wechsel von j und w findet sich auch sonst in Pommern, Venzidol, Yenzidul, Rwaneu. Ru-, Roianen. Übriges kommt jam (Höhle) nicht selten in pommerschen Namen vor, vgl. Jamene (Jamund), Jament, ehemaliges Dorf bei Schmolsin, Jamno, jetzt Jamen bei Bütow, Jam Holzung bei Järshöfd, „Jemme d. i. Fuchsgrube“ c. 1400 bei Bütow.). Er stiftete Frieden, ließ auch den Pommer, da er von ihm Tribut annahm, selbständig, so war Polen nicht zu schwach, nicht zu stark, wie es das Interesse des Reichs forderte. — Die Streitigkeiten des Herzogs mit Polen im deutschen Bericht sind die Kriege der Pommern im polnischen. In ihnen stehen beide in gleicher Macht gegenüber, im Frieden in gleicher Stellung. Folglich hat Smysl ganz Pommern gehabt, namentlich als helfender Bundesgenosse des auch über Witland herrschenden Masoviers Ostpommern mit Nakel, von wo aus die Pommern um 1100 den Sbignew, Herren von Masovien, unterstützten; er hatte 1014 auch Dänen in seinem Heer, (Wo Mart. 1. c. Pomorani hat, da haben Chr. Johannis und (das sonst dem Mart. folgende) Chr. priuc. Pol. (Sommersb. l, 5, 22), Dani, Maritimi (d. i. Pomorani). Vgl. § 18 zu U. 10) das sind die Jomsburger. Wie Kolberg wegen der Lage in des Landes Milte Bischofssitz sein sollte, so war Belgard 1102 urbs regia und Zentrum des Landes, gewiss auch Smysls Sitz, da isländische Sagas das ganze Land Bialagard-Sida nennen.

      Smysl ist denn o.hne Z.weifel Ahn des 1102. 1107 zu Belgard residierenden, die Küste von der Pene bis zur Leba beherrschenden Herzogs, des Vaters von Wartislaw I. und Ratibor I. Den Boleslaw nun, Ratibors Sohn, mithin das gesamte herzogliche Haus, erklären Boguphal und spätere polnische Chronisten für Abkömmlinge der vornehmen Familie im Krakauer Herzogtum, die den Greif im Wappen führte; (Bog. p. 46, de stirpe Griffonum. p. 57, de cognatione Griffonum Cracum Boleslaum nomine (s. Blt. St. 16, 2, 56). Cracum halte ich für eine vom Abschreiber nicht aufgelöste Abbreviatur von Cracouensiam aus Grund der (auch aus Bog. schöpfenden) späteren Berichte über diese Abstammung.) zu ihr gehörten Graf Jaxa (nebst Swantoslaw um 1160 primi principum in Klein - Polen»)), der sehr vorragende Bischof Getko von Krakau (1165— 1182), der Woiwode Theodor von Krakau, von denen der erste 1162 die Abtei zu Miechow, der zweite die zu Wonchoz, der dritte 1234 die zu Ciricz gründete. Solche polnische Abstammung ist dem Geschichtszusammenhange gemäß; denn dass Smysl aus einem von Boleslaw I. gesetzten Woiewoden bei der Zerrüttung Polens selbstständiger Herzog geworden, — der Titel ist gleich, woiewoda die Übersetzung von Herzog, der spätere ist dann knez, — ist an sich das zunächst liegende, und es wird solch Verhältnis von dem in gleicher Lage befindlichen, ihm verbündeten und benachbarten Meczslaw berichtet durch den Chronisten, der von Smysl nichts weiß. Diesen unterscheidet so von jenem nur das Glück und die günstigere Lage, die ihm gestattete, aus einem Statthalter durch die dänische Zinsvasallenschaft hindurch zum Fürsten zu erstarken