Der Cyber-Mönch. Yahya Wrede. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Yahya Wrede
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039108
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      „Hallo? ... Frank, du bists ... wie geht nicht. Kann das nicht bis Montag warten? Wer hat denn Bereitschaft, ich doch nicht? Komplettausfall? Wow. OK, OK, ich komme schon, wenns denn sein muß, meinetwegen.“

      Tja, das war ja wohl nix mit gemütlich. Seis drum, heute Überstunden, werd ich dann irgendwann wieder abfeiern. Oder später früher in Rente gehen. Wie war das noch im Traum, erst das Vergnügen, dann die Arbeit? Gar nicht so dumm. Vielleicht nen Hinweis vom Schicksal, ich soll mal was Revolutionäres auf die Beine stellen, ändere die Gesellschaft, der Mahatma Marx der Neuzeit.

      OK, auf geht’s, nichts vergessen, Handy, Portemonnaie - ist eh nichts drin, Schlüssel, Tür zu. Buah, dochn bisschen frisch, sollte lieber in der Südsee arbeiten, mit Internet kein Problem heutzutage - wenns funzt. So, jetzt raus aus dem Haus, Richtung Arbeit, Hardware & Software, die Welt will Spaß haben, pane et circensis, oder hieß das gaudeamus igitur? Latein, geile Sprache, schlichtweg genial, alles kurz und bündig, habe leider das Meiste davon vergessen, im Mittelalter war es noch Universalsprache, Erasmus von Rotterdam, wenn die Lutheraner bescheidener geblieben wären mit ihrem Mundartwahn bräuchten wir heute kein Englisch, nur die klare Sprache der ratio, wer kann sich denn überhaupt schon perfekt im Englischen ausdrücken, ist eine reine Wegwerfsprache, jeder kennts, keiner kanns. Als Sprachausländer kann man sowieso besser mit anderen Pidgin-English-Vertretern kommunizieren als mit Muttersprachlern, die sind ja gnadenlos, plappern gleich drauf los, als wenn alle Menschen Englisch mit der Muttermilch aufgesogen hätten, ohne jede Rücksicht auf Verständigungsverluste. Also wenn mir ein Ausländer auf Deutsch entgegenradebrecht, dann spreche ich doch etwas langsamer und deutlicher als sonst! Ist doch wahr, jetzt sind wir eben dran, seit Jahrhunderten vorne in Wissenschaft und Technik, Musik, Literatur und Philosophie, bis die Chinesen kommen, die ihrerseits bereits von den cleveren Indern überholt werden … Das ist der Lauf der Welt, heute oben, morgen unten. I Ching. Auch das wußten die alten Chinesen nur allzu gut. Samsara. Sayonara. Zen aus Japan. Oder aus Korea? Chick?

      Hoppla, wie, schon an der Straßenbahn? 786. Wer denkt, dem vergeht die Zeit wie im Flug. Flüge, ja, irgendwie verreisen die Menschen heute alle wie die Verrückten. Früher ist doch kein Mensch irgendwohin gefahren, wenn er nicht unbedingt mußte. Rügen einmal im Jahr. Bach ist auch nur in Nord-Ost-Deutschland unterwegs gewesen. Jeden Sonntag eine Kantate. 52 Stück. Oder sogar mehr, 61, 62, 265, wer weiß. Kant. War auch nur zu Hause. Außer Humboldt vielleicht. Der hat die Welt wenigstens noch erforscht. Heute ist Reisen eine Kompensation für die eigene Unzufriedenheit, sonst würden ja nicht alle immer weglaufen: je weiter, desto besser. Kennen den Dschungel in Thailand, aber waren noch nie im Harz. Lücke Heimatkunde. Ist Teil der eigenen Identität, die Fremde nicht. Schön ists, zu verreisen, noch schöner, wieder nach Haus zu kommen. Oder Frustabbau durch Autofahren: auf der Autobahn kannst du noch so schnell sein, irgendwer hängt dir immer an der Stoßstange. Wie die Sonntagsfahrer, hinten Strickhütchen auf der Klopapierrolle, vorn Opa mit Hut, erst bremsen sie dich aus auf freier Strecke, aber wenn dann ne Baustelle kommt mit Tempolimit 40, brettern sie durch wie nix. So What, um mit Miles zu sprechen ... sicherlich einer der genialsten Werktitel der Musikgeschichte. Dada dada dada dada - daaada! Dada dada dada dadada - daaada! So gesehen gefällt mir das Englische: kurz und treffend. Muß halt wieder mal nen Genie her, um da aufzuräumen, son William oder Oscar eben. Oh, gleich da, jetzt habe ich das Brötchen vergessen, anscheinend kann Denken auch sattmachen, Till Eulenspiegel hatte recht, spart Zeit und Geld. Berg hoch ist besser als Berg runter, I Ching eben. Weisheit ist universal, wie bei Enemy Mine: auf jedem Planeten wirkt derselbe Gott.

      „Moin moin - Mann siehst du verschlafen aus ham wa dich ausm Bett geschmissen wa?“

      „Klar warne kurze Nacht, außerdem hab ich nur Stuß geträumt vier Stunden Schlaf vielleicht.“

      „Solltest nicht immer alleine schlafen, geh mal wieder raus.“

      „Nee kein Bock auf Gesellschaft jetzt zu anstrengend. Weeste doch: Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“

      „OK sieh mal nach das System bockt komplett muß schnell gehen jetzt. Good work.“

      „Gleichfalls, bis später.“

      Wasndasnu wieder ist, kaum brennt ein Schaltkreis durch kriegense gleich de Panik, is doch nich das erste Mal. Beziehungsstress, hat mir gerade noch gefehlt. Hab da sowieso kein glückliches Händchen. Klar, einige sind echt happy, beati loro, aber die meisten krebsen bald nur noch herum. Die einzelnen Komponenten eines Pärchens sind halt zu verschieden. Oder zu schnell wieder nur mit sich selbst beschäftigt. Ein jeder lebt in seiner eigenen Welt. Kollektiver Autismus. Ego, der altböse Feind. Mit Ernst ers jetzt meint. Was zählt denn eigentlich in einer Beziehung? Respekt, Ehrlichkeit, Rücksichtnahme, den anderen in die eigenen Pläne mit einbeziehen, niemand sieht sich gerne der normativen Kraft des Faktischen ausgesetzt, kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, Geduld, Zärtlichkeit, Nachsicht, hab ich noch was vergessen? Achso, das, ja klar, auch wichtig, aber bauen kann man offenbar nicht auf intime Zweisamkeit, sieht man ja an der Schnelllebigkeit vieler Promibeziehungen, psychologische Sättigung, gemeinsam lachen, gemeinsam reisen, ist neben Wohnungsumzug und Heirat der ehrlichste Beziehungsbelastungstest, überhaupt, Gemeinsamkeiten pflegen und gleichzeitig Raum für Unterschiedlichkeiten lassen, Fußball gegen Kegelclub, freundlicher Umgang, keine schroffen Worte, den anderen immer verteidigen, Kritik nur unter vier Augen: Mann, die Liste wird ja immer länger, kein Wunder, daß es so schwierig ist. Liebe heißt, die Bedürfnisse des anderen über die eigenen zu stellen. Und wie kann ich das besser ausdrücken als durch die vorgenannten Verhaltensweisen? Sind allesamt genau betrachtet so ziemlich das genaue Gegenteil vom Egotrip. Müßte einem nur immer klar vor Augen stehen, dann würds besser laufen. Religion miteinander teilen, das wäre sinngebend, aber wer ist heutzutage noch religiös, ich meine ernsthaft, nicht dem Lippenbekenntnisse nach? Open minded sein – tja, das behauptet wohl ein jeder von sich, aber wer ist das schon, wenns drauf ankommt? Wir waren alle schon einmal irgendwo im Ausland, sprechen eine Fremdsprache, aber macht uns das zu Kosmopoliten? Wohl kaum. Wer nicht eintaucht in die andere Kultur, bleibt ET, Integrationsverweigerer.

      „Naaa, Triv, auch schon da am frühen Samstagmorgen?“

      „Ciao Beatrice, wie gehts dir heute?“

      „Danke, kann nich klagen, wie du siehst, der übliche Stress.“

      „Stress? Da wüßte ich was, heut Abend is ne Ausstellung im Nirvana, Sinn des Lebens unso, Religionen im Dialog, der Dalai Lama war auch schon da, Weisheiten der Zenmeister und Sufis, guten Tee gibbs auch - has Lust?“

      „Jaa, hab ich auch schon dran gedacht, tät mich schon sehr interessiern, ma sehn wann ich heut fertich werd, erinner mich nachher nochmal dran.“

      „OK sehn uns später. Machs gut.“

      „Machs besser.“

      Was habe ich eben gesagt: Beziehungsstress? Kommt nur drauf an mit wem, bei der könnt ich schon mal ne Ausnahme machen ...

      Tüdelüdelü ... tüdelüdelü ...

      „Moooorgen, ruf ma dein Lieblingskunden zurück, hat schon dreimal angerufen, deren IT spinnt auch!“

      „Puuh, echt? Erst kommse selbs nich rüber mit den nötigen Infos und jetzt machense Druck. Scheibenkleister.“

      Naja, nobody is perfect.

      Tipp tipp tipp ...

       Tuut ... tuut ...

      „Hallo, Herr … moin moin … was geht nich? Mal ja mal nein? Sollte OK sein, aha, dann wieder keine connection … die sagen bei denen ist alles paletti? OK, komme am besten gleich ma vorbei, bin schon unterwegs. Bis nachher dann!“

      Jaja, hatte denen doch alles so schön eingerichtet, könn die denn kein PC bedienen? Naja, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, hat bestimmt wieda irgendson selbtsberufener Heini dran rumgestöpselt. Gut, daß es gleich um die Ecke is, jetzt gönn ich mir aber nochn Hörnchen zwischendurch, voller Bauch studiert nicht gern, leerer erst recht nicht, es sei denn, die Speisekarte. A proposito Essen, was war das heute Morgen noch für ne Frage ohne Antwort … also echt, schlimmer