Der erste Traum
Beruhigendes Geplätscher, ein Segelschiff wie aus dem Bilderbuch, schöne griechische Küste, weiße Häuser, blaues Meer, Samos, Patmos, Athos. Eine gutgelaunte Gesellschaft an Bord, ja, so läßts sich leben, schicke Yacht, schlanke Schönheiten, ein laues Lüftchen, Sommer, Sonne, Strand, Geld, Gold, ein sorgenfreies Leben, wozu zu Hause malochen, wenn man hier wie die Millionäre leben kann?
„Aaah, ay ay Käptn, bloß nich wieder die Anker lichten, hier bleiben wir!“
„Ahoi! Aber klar, mein Sohn, darum geht’s: jetzt wolln wir Spaß, Ruhe gibt’s aufm Friedhof, dann ist Schluß mit lustig, solang wir jung sind, haun wir auf die Pauke.“
„Laß krachen, Alter, die Party steigt, später weiß keiner, was kommt!“
„Hoch die Tassen! Von mir aus kann dieser Tag 1.000 Jahre dauern!“
„Habt ihr gehört, sie haben jetzt das Altern entschlüsselt, es gibt schon Substanzen, die konservieren den Körper praktisch bei 25 Jahren, ohne Nebenwirkungen, kannst 200 Jahre alt werden ohne Krankheiten!“
„Super, kauf ich mir sofort, erst ein paar Jahre arbeiten, Geld beiseite legen, und anschließend hauste druff, nich wie jetzt, wo de hinterher schon hin bist bis zur Rente.“
„Nee, Mann, das ganze Rentensystem muß umgekrempelt werden, ab 20 gibts erst das ganze Geld aufs Konto, und ab 40 kannstes wieder abarbeiten. Sollst ma sehn, wie viele dann gleich tot umkippen, löst sofort das Überalterungsproblem der Gesellschaft, und der Rest kann nich meckern, hat ja seinen Spaß gehabt. Dann könnse beim Schuften immer von früher schwärmen und sich gegenseitig mit ihren Stories überbieten, hahaha.“
„Genau, könn die Kohle doch einfach drucken, kost ja nix, kurbelt die Wirtschaft an, und wer klug ist, macht was draus: die erste Milllion ist immer die schwerste, oder? Wär doch ne bessere Starthilfe als Studium und Bafög!“
„Ich bin dabei in eurem finanziellen Schlaraffenland.“
„Laßt das Kapital zurück in die Arbeitnehmerhände fließen, jawoll!“
„Super, müssen wir nur noch politisch durchdrücken, wie wärs denn mit ner neuen Freirentenpartei?“
„Frührentner aller Meere, vereinigt euch!“
„Alle Renten kommen schnell, wenn dein starker Arm es well!“
„Arbeiten? Anstrengen? Beh, reicht doch eine zündende Idee im Internet und - wupp - biste jetzt schon stinkreich, guck dir Brin und Page an oder Zuckerberg.“
„Klar, kann ich euch auch verraten, wie Apple Records Millionen hätte verdienen können, aber nichts ham se gemacht, hätten sie mich gefragt und mir bescheidene 10 % gegeben ...!“
„Und – das wäre?“
„November 2001, George Harrison geht ein ins Nirvana, ein Hype bricht aus, seine Sweet Lord Single geht weg wie warme Semmeln, und was wäre der Hit gewesen – und das auch noch so kurz vor Weihnachten? George With The Beatles natürlich, eine CD mit allen Songs, die er für die Fab Four geschrieben hat, müßten gerade so auf eine Scheibe passen: perfekt. Wäre weggegangen wie nix. Naja, vielleicht klappts ja beim nächsten Jubiläum. Hier! Hierher die Tantiemen.“
„Wow, gut, hätt ich mir auch gekauft.“
„QED.“
„Sach nochmal was anderes, wie war das eben mit Nirvana? Hat George da auch mitgespielt?“
„Nee, ist so ne Art Nichts nach dem Tod, gibt ja eh kein Paradies, son Unsinn, daher die Alternative: Nichts. Schwarzes Loch. Feierabend.“
„Eh klar, deswegen feiern wir ja auch, und zwar hier und jetzt, ist doch auch son esoterischer Spruch.“
„Ohne Religion lebt sichs wesentlich besser, dann mußte dir nämlich nicht ständig nen schlechtes Gewissen einreden.“
„Ich sags euch: noch besser ist filetieren als philosophieren, wen stört schon die Ewigkeit, die keiner kennt, machts wie Rossini, vom musikalischen Gourmet zum kulinarischen Gourmand.“
„Ja genau, wie in Das Große Fressen – genial!“
„Klar, voller Kühlschrank, volles Portemonnaie, mit Kohle ist das Leben leichter: Geld macht vielleicht nicht glücklich, aber Armut erst recht nicht, hahaha.“
„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Haste Kohle, haste Mädchen, gelle?“
„Guck, wenn man wie wir bereits mit den Mädels aufm Boot im Mittelmeer schaukelt, brauchste noch nich mal sonderlich viel Geld, keine Miete, keine Steuern ...“
„Ja, schon die alten Griechen und Römer waren kluge Leute, sie sagten: carpe diem!“
„Karpfen? Was fürn Karpfen?“
„Das Leben ist wie ein Fisch: schwimm – sterb!“
„Also schnell rein ins Vergnügen, ehe es zu spät ist.“
„Leute, beeilt euch, so jung kommwa nie wieda zusamm.“
„Quark! Was uns nicht umbringt, macht uns stark.“
„Hahaha, na denn Prost! Auf die Leber!“
„Im Himmel gibts kein Bier, drum trinken wir es hier.“
„Es gibt keine Ewigkeit, nichts außer diesem Leben in dieser Welt und die verdammichte Zeit, die uns altern läßt.“
„Jaja, ab 20 baut der Körper wieder ab.“
„Die dem Tod in die Arme tanzen.“
„Das soll man noch dauern: live long and prosper!“
„Genau, Ruhe gibts aufm Friedhof, wie der Käptn sacht, im Diesseits weiß ich wenigstens, was ich habe, danach sinds doch alles nur Hirngespinste, sonst hätte die Wissenschaft längst das Leben