Steuermatrose.« Der Erste Offizier der »Shanvaar« zwinkerte dem Mann zu.
»Sie mögen die Helden der See. Vor allem, wenn diese einen Korsaren
versenkten.«
Großkapitän ta Mergon räusperte sich. »Der Kampfsegler hat einen
gerundeten, mit Eisen verstärkten Bug und einen Rammsporn wie wir. Aber
der fehlende Mast und die beschädigten Segel machen ihn schwerfällig und
langsam, er wird keine Chance haben, den Sporn gegen uns einzusetzen.
Ansonsten hat solch ein Segler Katapulte und Pfeilschleudern. Mit den
Katapulten schleudern sie Steine oder Metallstücke, in der Hoffnung, die
Segel des Gegners zu beschädigen oder sein Ruder zu treffen. Mit den
Pfeilschleudern verschießen sie übergroße Pfeile, an die Leinen gebunden
sind.« Ta Mergon blickte grimmig zum Korsarenschiff hinüber. »Treffen die
Pfeile Segel oder Takelage, dann reißen die Bastarde an den Leinen und
zerstören sie. Treffen sie den Rumpf, dann ziehen sie ihr Schiff an das Opfer
heran, damit sie es entern können. Das ist ihnen lieber, als ein Schiff zu
versenken, doch schrecken sie auch davor nicht zurück, wenn die Beute ihnen
sonst entkommt. Denn Schiffe sind eine wertvolle Beute. Die Schwärme
verwenden sie jedoch nicht, um mit ihnen die Meere zu befahren, sondern um
ihre verfluchten Städte damit auszubessern. Ihnen geht es vor allem um die
Fracht der Schiffe, und da können sie wirklich alles gebrauchen.«
Rechts vor ihnen öffnete sich nun die weite Bucht von Gendaneris, an
deren rechtem Ufer die große Hafenstadt lag. Die beiden Korsaren kannten
die Gefahr und steuerten nach links, um das offene Meer zu erreichen und den
schweren Batterien der Hafenfestung zu entgehen.
»Bei den Finsteren Abgründen.« Der Großkapitän stieß ein wütendes
Knurren aus. »Sie kommen an Gendaneris vorbei. Verfluchte Brut.« Er sah
den Steuermatrosen an. »Maximale Umdrehungen! Wir müssen die Bastarde
erwischen!«
Es würde ein Wettrennen werden, dessen Ausgang ungewiss war. Das
Jagdschiff der Korsaren konnte entkommen, wenn der Wind günstig war,
doch für das größere Kampfschiff standen die Chancen schlechter. Ohnehin
schwerfälliger als sein kleinerer Bruder, war es durch den fehlenden Mast und
die beschädigten Segel zusätzlich behindert. Dennoch würde die Jagd nicht
einfach werden. Die beiden Dampfkanonenschiffe Alnoas würden nun bald
die offene See erreichen, deren rauere Wellen eine höhere Belastung für die
Schaufelräder darstellten.
»Das Jagdschiff flieht!«, rief der Ausguck erregt. »Es lässt den anderen
zurück!«
»Wir kriegen sie!« Ta Mergon schlug sich abermals aufgeregt in die
Hände. »Zumindest das Kampfschiff werden wir einholen.«
Die »Shanvaar« und die »Aivaar« dampften mit voller Leistung an der
Stadt und Festung Gendaneris vorbei, den fliehenden Korsaren dicht auf den
Fersen. Das Segelkampfschiff »Netluaar« hingegen fiel immer weiter zurück.
Vielleicht würde es aufschließen können, wenn die Winde der offenen See
seine Segel füllten. Ta Mergon schlug seinem Ersten Offizier freundschaftlich
auf die Schulter. »Lass das Schiff klar zum Gefecht machen, Halblar. Auch
wenn es noch ein Weilchen dauern wird, bis wir die Bastarde erreichen, wir
wollen vorbereitet sein.«
Gendaneris hinter ihnen wurde immer kleiner und die See immer bewegter.
Die »Shanvaar« begann leicht zu stampfen, und die Schaufelräder unter der
Brücke am Heck hoben sich gelegentlich für einige Augenblicke aus dem
Wasser und drehten leer, bevor sie erneut ins Meer klatschten und mit ihrem
Druck das Schiff vorantrieben. Dennoch war das Dampfkanonenschiff
schneller als der beschädigte Korsarensegler. Allmählich holte man zum
Feind auf.
Halblar warf nachdenklich einen Blick in den Himmel hinauf. »Es wird
bald Dunkeln, ta Mergon, mein Freund. Die Nacht beginnt sich über die See
zu legen.«
»Wir holen auf«, erwiderte der Kapitän. »Zudem haben wir einen klaren
Himmel, und der Bastard vor uns hat weißes Tuch gesetzt. Wir werden ihn
nicht verlieren, mein Freund.«
Mit überraschender Plötzlichkeit brach die Nacht herein. Keiner der
Seeleute Alnoas hatte einen Blick für die Schönheit des Sonnenuntergangs
auf dem offenen Meer, denn das Jagdfieber hatte sie gepackt. Während das
kleine Jagdschiff der Korsaren am Horizont in der hereinbrechenden
Dunkelheit verschwand, rückte der beschädigte Kampfsegler immer näher.
Seine ungewohnt weißen Segel leuchteten durch die Nacht, und so fiel es
nicht schwer, ihm zu folgen.
Die Kampfstationen der »Shanvaar« und ihres Schwesterschiffes »Aivaar«
waren längst besetzt. Im Kanonenturm hatte die Bedienung eine der schweren
Geschosskugeln mit seinem Ladepfropfen in die Mündung des Laufes
gesteckt und mit einem Rammstock nach hinten gedrückt. Die Kugel lag nun
direkt vor der Druckkammer, und es musste nur noch der Ventilhebel
umgelegt werden, um die Maschinenkraft vom Antrieb in das Geschütz zu
leiten und das Geschoss aus dem Lauf herauszupressen. Die
Kanonenturmbesatzung achtete akribisch darauf, den Feind im Ziel zu
behalten und die Dampfleitung bei den dazu erforderlichen Bewegungen nicht
zu beschädigen.
Die beiden seitlichen Katapulte, die rechts und links des Hauptmastes in
Gefechtsbuchten außen am Rumpf aufgestellt waren, waren bemannt.
Gelegentlich sprühte die Gischt über die Männer an den Waffen und
durchnässte sie. Entlang der Reling hatten sich die Seesoldaten der
»Shanvaar« formiert. Während die Matrosen nur einen metallenen
Brustpanzer trugen, hatten die Soldaten die volle Rüstung angelegt: Bein- und
Armschienen, dazu Panzer und Helm. Im Gegensatz zu den Landtruppen des
Königreiches