des Königreiches von Alnoa und trug den Namen Alneris.
Kein Feind hatte seinen Fuß je in die Stadt setzen können, obwohl man es
versucht hatte. Vor vielen Jahreswenden war eine starke Armee des
Schwarzen Lords auf den Feldern erschienen, die Alneris umgaben. Die
mächtigen Katapulte der Orks hatten den Verteidigungsanlagen Schaden
zugefügt, aber diese hatten standgehalten, bis die Beritte der Pferdelords den
Menschen des Reiches Alnoa zu Hilfe kamen und die Rettung brachten.
Es gab nur einen Zugang zur Stadt, dort, wo einst ein Teil der Kraterwand
eingestürzt war und sich nun der große Fluss in den Kratersee ergoss. Aber
diese Zufahrt zum Hafen von Alneris, der im Innern des Kraters gelegen war,
und die gepflasterte Straße, die daran entlang in die Stadt hineinführte, waren
durch schwere Tore und mächtige Batterien geschützt.
Der Fluss Genda verband die Stadt mit dem offenen Meer, und der träge
wirkende, aber tückische Strom erreichte rasch eine Breite von zwanzig
Tausendlängen. Erst nach rund vierhundertfünfzig Tausendlängen mündete er
in die riesige Bucht von Gendaneris, wo die gleichnamige Hafenstadt die
Zufahrt schützte. Von Alneris aus gesehen erhoben sich am linken Ufer die
massigen Formen des südlichen Gebirges von Hesparat und bildeten eine Art
natürliche Grenze zum verlorenen Reich der alten Könige. Am rechten Ufer
öffnete sich das Land, das zum Königreich Alnoa gehörte.
Es war ein reiches Land, mit riesigen Wäldern und fruchtbaren Ebenen.
Ein Land, das ein Leben im Überfluss ermöglichte. Die Bäume waren groß
und ausladend und hatten eine weiße Rinde, die nur gelegentlich von dunklen
Flecken bedeckt war. Diese Bäume hatten dem Königreich den Beinamen des
»Reiches der weißen Bäume« eingetragen. Ihr Holz war stark und fest, und so
waren auch die Schiffe des Reiches Alnoa stark und fest.
Die »Shanvaar« hatte den Hafen von Alneris vor einer Tageswende
verlassen und fuhr nun den Fluss entlang in Richtung Gendaneris.
Großkapitän Gort ta Mergon stand an der Reling des Brückenaufbaus am
Heck seines Schiffes und wagte es kaum, die hölzerne Einfassung zu
berühren. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab, und Holz und
Metall der Aufbauten hatten sich unangenehm aufgeheizt. Der adlige
Großkapitän beneidete seine Matrosen nicht, die barfüßig über die Planken
des Schiffes hasteten oder an der Takelage in die Masten aufenterten.
Die »Shanvaar« gehörte zu den Neubauten der alnoischen Marine, und dies
war ihre erste Feindfahrt. Gort ta Mergon fieberte dem Aufeinandertreffen mit
dem Gegner ebenso entgegen wie seine Offiziere und die Besatzung und er
war froh, in seinem Ersten Offizier und einigen der Matrosen erfahrene
Seeleute an Bord zu haben. Es war nicht leicht für ihn gewesen, das
Kommando zu erhalten, und viele beneideten ihn nun zu Recht um dieses
Schiff.
Die »Shanvaar« maß fast vierzig Längen von Bug bis Heck und war
knappe sechs Längen breit. Der hölzerne Rumpf bestand aus dicken Planken
des Weißbaums und war unterhalb der Wasserlinie mit Platten aus Gold
beschlagen, die einen Bewuchs des Unterwasserschiffes mit Algen und
Muscheln verhindern sollten. Der Bug war unter Wasser mit einer langen
Ramme, von Metallplatten verstärkt, versehen und nach oben hin sanft
ausgezogen. An seinem Ende zeigte er das Wappen des Reiches Alnoa, drei
weiße Bäume auf grauem Grund. In der Mitte des Schiffes stand der
Hauptmast, der an seinem Ende mit der Querstange für das Hauptsegel und
der Ausguckplattform versehen war. Ein zweiter, wesentlich kleinerer Mast
ragte vor der Brücke am Heck auf. Masten und Segel wirkten für ein
Segelschiff ausgesprochen bescheiden und schienen kaum in der Lage, der
»Shanvaar« Geschwindigkeit zu verleihen. Doch sie waren auch nur für den
Notfall gedacht, denn das Kampfschiff wurde von einem Brennsteinantrieb
bewegt.
Ungefähr in der Mitte des Rumpfes war unter Deck die wuchtige
Konstruktion des Brennsteinkessels verborgen, in dem aus Wasser Dampf
gebildet wurde, welcher das Schiff antrieb und zugleich seine gefährlichste
Waffe bildete. Von der Brennsteinmaschine liefen rechts und links je eine
armdicke Metallwelle zur jeweiligen Seite des Schiffes, um dort in einer
großen metallenen Scheibe zu enden. An einem Außenpunkt der Scheibe war
jeweils eine lange Stange befestigt, die zu den Gegenstücken der Scheiben am
Heck der »Shanvaar« führten. Dort, unter der hinten überstehenden Brücke,
drehte sich das gewaltige Schaufelrad, welches das Wasser des Flusses mahlte
und dabei das Schiff vorwärtsschob.
Der Dampfantrieb durch Brennstein war neu, und nicht jeder Seemann in
Alnoa war davon angetan, denn die Maschine im Bauch des Schiffes stampfte
und dröhnte, strahlte Hitze in den Rumpf und musste stets mit Wasser und
Brennstein versorgt werden.
Auch Halblar, der Erste Offizier der »Shanvaar«, hatte sich mit dem
lärmenden Antrieb noch nicht anfreunden können. Nur seine Freundschaft zu
dem adligen Kapitän hatte ihn bewogen, mit an Bord zu gehen. Als er nun
neben seinen Freund trat und die Hände automatisch auf die Reling der
Brücke legte, stieß er einen halblauten Fluch aus und zog die Finger hastig
zurück. »Verfluchte Hitze. Hier oben ist es auch nicht viel besser als unten im
Rumpf. Dabei dachte ich, die Maschine sei nicht zu überbieten. Ich frage
mich, wie unsere Brennsteinmänner es da unten aushalten.«
»Sie sind es gewöhnt.« Gort ta Mergon nahm den Helm mit den beiden
Federn eines Großkapitäns vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der
Stirn. »Und die es nicht gewöhnt sind, werden es bald sein.«
»Wie kann man sich an solchen Lärm und solche Hitze gewöhnen?«
Halblar schüttelte verächtlich den Kopf. »Ich sage dir, Gort, mein Freund, ich
vermisse