Am Anfang hatte die Burg von Eternas reichlich Raum geboten, aber nun
war sie zu klein geworden. Schon als die Wache auf hundert Schwertmänner
angewachsen war, hatte es eine unangenehme Enge in Stall und Unterkünften
gegeben. Schon damals hatten Garodem und der Erste Schwertmann
Tasmund erwogen, die Burg zu vergrößern. Man hatte die Absicht immer
wieder aufgeschoben und der Entwicklung der Stadt den Vorrang gegeben,
aber vor drei Jahreswenden hatte man endlich mit den Erweiterungen
begonnen, die nun nahezu abgeschlossen waren.
Zunächst hatte Garodem erwogen, die gesamte Burg auszubauen und auch
die neuen Gebäude in den Schutz der Wehrmauer einzubeziehen, aber er hatte
den Gedanken rasch aufgegeben.
»Die Schwertmänner werden dem Feind wie gute Pferdelords auf dem
Rücken ihrer Pferde begegnen«, hatte er lakonisch festgestellt. »Es hat keinen
Sinn, ihre Bettstatt zu verteidigen, die man rasch neu errichten kann. Zudem
braucht eine kurze Mauer weniger Verteidiger, und die Gewölbe unter der
Burg sind noch groß genug, um den Alten und Schwachen, den Frauen und
Kindern, eine Zuflucht zu bieten.«
Jetzt war das freie Feld, auf dem sich die Pferdelords sammelten, im
Westen und Norden von Gebäuden umgeben. Im Norden standen die
eingeschossigen Unterkünfte der Schwertmänner. Sie waren lang gestreckt
und flach, aus massiven Steinquadern erbaut und mit Steinplatten gedeckt.
Ihre Türen und Fenster waren klein, sodass die Gebäude eher wie kompakte
Festungen wirkten, was sie im Grunde auch waren. Die Öffnungen im
Gebäude ließen sich durch metallene Platten auf schmale Schlitze verengen.
Kein Brandpfeil vermochte diesen Bauten zuzusetzen. Im Inneren bestanden
die Unterkünfte aus den Kammern für die Scharführer, einer Sattel- und
Rüstkammer sowie einem großen Raum, in dem die einfachen
Schwertmänner ihre Bettstatt und Kleiderkiste hatten.
Im Westen befanden sich die Ställe und die Koppel. Vierhundert
Schwertmänner brauchten neben ihren Reitpferden auch Ersatzpferde, zudem
mussten Vorräte und Abfälle transportiert werden. So kam es, dass nun fast
tausend Tiere im Umfeld der Burg grasten. Es gab noch keine Engpässe bei
der Versorgung von Mensch und Tier, aber Garodem wusste, dass die
Hochmark bald an den Rand ihrer Möglichkeiten stoßen würde.
Der Süden des Platzes wurde nicht von Gebäuden begrenzt. Von hier hatte
man freien Blick auf die nahe gelegene Stadt Eternas, die sich ebenfalls
entwickelt hatte. Doch auch ihrem Wachstum waren Grenzen gesetzt.
Die Burg erhob sich nördlich der Stadt, nur wenige Hundertlängen von
ihren Rändern entfernt, und Garodem ließ nicht zu, dass auch nur ein einziges
Gebäude näher an die Festung gebaut und so deren Schussfeld geschmälert
würde. Im Osten verhinderte der kleine Fluss Eten den Ausbau, und im
Westen und Süden würde jedes neue Haus auf Kosten der Anbauflächen
gehen, die zur Ernährung der Bevölkerung erforderlich waren.
Ja, Garodem und Larwyn empfanden sowohl Stolz als auch Sorge, wenn
sie die Entwicklung ihrer Hochmark verfolgten, und Gleiches galt für die
Entwicklung ihres Sohnes Garwin.
Als Kind hatte er den Bewohnern der Burg so manchen Streich gespielt,
und diese hatten es hingenommen. Teils amüsiert, teils aus Respekt den Eltern
gegenüber, hatte man das Verhalten des Knaben toleriert. Vielleicht war dies
ein Fehler gewesen, denn die Streiche wurden mit der Zeit immer weniger
harmlos. Garodem war erstmals wütend geworden, als Garwin den
Schwertmännern stechende Klettpflanzen unter die Sättel geschoben hatte.
Seitdem achtete der Pferdefürst stärker auf das Verhalten seines Sohnes und
legte Wert darauf, dass der Junge streng in den Traditionen des Pferdevolkes
unterwiesen wurde. So wie Garodem und seine Männer den
Heranwachsenden in Gebräuchen und Kriegshandwerk unterwiesen,
unterrichteten Larwyn und ihre Freundin, die Heilerin Meowyn, ihn in der
Kunst des Schreibens und Lesens, und inzwischen vermochte Garwin sogar
die elfischen Zeichen zu setzen und zu deuten. Der Sohn des Pferdefürsten
hatte es gelernt, seine Mitmenschen mit Respekt zu behandeln, aber Garodem
störte es, dass dies stets mit einem amüsiert wirkenden Funkeln in den Augen
geschah. Ebendies sorgte den Herrn der Hochmark.
Die Reiter unten auf dem freien Feld übten sich gerade in den engen
Reitformationen, mit denen sie die dicht geschlossenen Reihen einer orkschen
Legion aufzubrechen vermochten. Vor den einzelnen Beritten waren die
Scharführer mit ihren Wimpeln zu erkennen, deren Lanzen deutlich länger
waren als die Stoßlanzen der Kämpfer. Daher ragten die grünen dreieckigen
Tücher hoch über die Köpfe der Reiter empor. Auch wenn ein Scharführer
mit ihnen durchaus zustoßen und einen Feind töten konnte, hatten die Wimpel
hauptsächlich die Funktion, die Position des Kommandeurs in der Schlacht
anzuzeigen und seine Befehle zu verdeutlichen. Die Haltung der Lanze und
des Wimpels zeigte dabei an, wie und in welche Richtung sich ein Beritt
bewegen sollte. Im Gewühl einer Schlacht war der Wimpelträger nicht immer
zu erkennen, daher gab es in jedem Beritt zusätzlich zwei Männer, welche die
metallenen Hörner der Hochmark blasen konnten, deren Klang die Befehle
über den Schlachtlärm trug.
Einer der Beritte auf dem Feld hatte unter Hörnerklang eine enge
Angriffsformation eingenommen und preschte im vollen Galopp über das
Gelände, als plötzlich Unruhe entstand. Garodem hatte dies sofort erkannt
und beugte sich interessiert über die Brüstung des Signalturms.
»Kormunds Beritt«, brummte er halblaut. »Das Pfeilsymbol auf seinem
Wimpel ist unverkennbar.«
»Was geht dort vor sich?«, fragte Larwyn neugierig