K . G e i b . H . F ö r i n g e r im Oberb. Archiv I.,
397
Pipin wohnte eine Zeit lang auf der Burg zu Weihenstephan
bei Freising. Nun gedachte er sich zu vermählen
und schickte seinen Hofmeister, einen bösen Ritter,
die Braut abzuholen. Da wurde der und sein ruchloses
Weib mit einander eins, die fremde Prinzessin
zu tödten und statt derselben ihre eigene Tochter unterzuschieben,
die jener sehr ähnlich sah. Der Hofmeister
führte die fremde Königstochter von ihres Vaters
Hof im prächtigen Zuge fort. Der Abschied war unendlich
traurig, als hätte die Aermste geahnt, welch'
Unglück ihrer warte. Nach dem letzten Nachtlager vor
Weihenstephan nahm der Hofmeister einen starken
Umweg in die tiefe Wildniß zwischen dem Würmund
Ammersee. Dort harrte seiner verborgen Weib
und Tochter. Er nahm bei der Nacht der Prinzessin
königliche Gewänder und ihren Fingerring, legte ihr
dafür seiner Tochter Anzug vor ihr Lager und befahl
Zweien seiner treuesten Knechte, wie er in aller Stille
abgezogen sei, die Königstochter ungestüm aufzuwecken
mit dem Begehren, sie sollte ihnen ohne Widerrede
folgen. Das that sie, obgleich mit großem
Schrecken. Ihr geliebtes Hündlein folgte ihr. Auch
vergaß sie nicht ihr Werkzeug und Gold und Seide,
denn sie konnte gar herrlich wirken.
Als sie nun mitten im finstersten Dickicht waren,
sagten ihr die Knechte, sie hätten geschworen, sie zu
tödten, ließen sich aber doch erbarmen an so viel
Schönheit und Jugend, und brachten als Wahrzeichen,
daß sie gethan, wie ihnen befohlen, dem bösen Hofmeister
ihr blutiges Oberkleid und ihres Hündleins
Zunge. Der war dessen froh und die Hochzeit seiner
Tochter mit Pipin wurde vollzogen. Die arme Königstochter
in der Wildniß trieb aber der Hunger wieder
zu den Leuten. Ein häßlicher Köhler, dessen sie anfangs
gar sehr erschrack, weil sie ihn für den leibhaften
bösen Feind hielt, der ihrer Seele nachstelle, führte
sie zum Müller in der Reismühle bei dem alten
Heidenorte Gauting. Dem Müller war nun des edlen
Königs Tochter eine Magd, nur sagte sie nicht, wer
sie sei und was mit ihr geschehen. Sie machte wunderschönes
Kunstwerk in Gold und Seide, das trug
der Müller auf ihr Bitten gen Augsburg und verkaufte
es dort fränkischen Handelsleuten. So schwanden
Jahre und Tage dahin. Da verirrte sich einst Pipin in
dem weiten Wald mit seinem Knecht, seinem Arzt
und Sterndeuter. Der Abend brach herein. Von den
Hörnern der Gefährten hatten sie schon seit vielen
Stunden keines mehr erschallen gehört. Der Knecht
war auf eine Tanne gestiegen, und sah ganz in der
Nähe Rauch. Sie ritten rasch darauf los und fanden
den Köhler, und verlangten zu essen. Er konnte ihnen
nichts geben, denn er hatte selbst nichts, aber er führte
sie auf die Reismühle gen Gauting, da erquickten
sie sich. Der Sterndeuter trat vor die Hütte und blickte
an den Himmel und kam hocherstaunt wieder herein
und sprach zu Pipin: »Herr! ihr sollt diese Nacht von
Eurer Hausfrau einen Sohn gewinnen vor dem die
Christenkönige und die Heidenkönige sich neigen.«
Da sprach Pipin: »Wie kann das sein? Es ist halb
Mitternacht und noch weit auf Weihenstephan.« Der
Sterndeuter ging noch einmal hinaus und sprach:
»Dennoch ist es so, Ihr werdet bei der sein, die Euere
Hausfrau ist und schon lange war.« Da stürmte Pipin
auf den Müller, er solle sagen, ob nicht jene Frau bei
ihm verborgen. Der König hätte ihn getödtet, als er
gestand, es sei wohl schon sieben Jahre eine engelschöne
Jungfrau bei ihm, die keines Menschen Auge
gesehen. Da mußte die Jungfrau herfürgehen, und
Pipin schmeichelte ihr: »es stehe in den Sternen, sie
sei sein ehelich Weib.« Da war zwischen ihnen viel
Frage und Antwort, obgleich die Jungfrau ihr Geschick
lange nicht offenbaren wollte, wegen des
schweren Eides, bis der König ihr erklärte, er sei
durch Todesfurcht erzwungen und ungültig. Die edle
Bertha zeigte ihm nun seinen eigenen Brautring, den
er ihr durch den verrätherischen Hofmeister gesendet
und Pipin war außer sich vor Freude, gebot den Seinigen
Schweigen, so lieb ihnen ihr Leben sei, nahm
zärtlichen Urlaub und erreichte des Abends noch die
Burg, die jetzund Pael heißt und kam des andern
Tages gen Weihenstephan. Dort erzwang er das Geständniß
der Knechte, die Bertha verschont, ließ seine
Weisesten rufen, den Hofmeister dazu, erzählte seine
Falschheit und Missethat, als wäre sie einem andern
geschehen, fragte darauf mit schrecklichem Blick und
Ton den Hofmeister: »Was gebührt einem für solche
Missethat?« Blaß und zitternd sprach dieser: »Ich will
kein Urtheil fällen über mich selbst.« Da verdammte
ihn der gemeine Rath zum schmählichen Tode. Die
Hofmeisterin, die den verdammlichen Rath gegeben,
ward eingemauert, und ihre Tochter, die unterschobene
Königin, in einem besondern Gemach verwahrt,
doch starb sie bald aus Gram.
Wie Pipin heimkam aus dem langen Feldzug wider
die Sachsen, eilte er auf die Reismühle am Würmsee.
Der Müller trat ihm entgegen und reichte ihm einen
Pfeil zum Wahrzeichen, in der Mühle sei ihm ein
Sohn geboren von der schönen Bertha. D a s w a r
d e r g r o ß e K a r l .
Pipin führte seine Fürsten und Ritter zu seiner
Frau, zeigte ihnen ihr armes Kämmerlein, und ihr
Lager blos von weichem Moos, und zog dann mit ihr
ab unter lautem Schall und Ruf und Waffenklang auf