Sie preßt ihn an ihren Busen,
Und an ihr pochendes Herz,
Sie kühlt mit brennenden Küssen
Ihm seinen Todesschmerz.
Doch jach empor von dem Boden,
Reißt sie der erste Gesell,
Umschlingt das bebende Mädchen
Mit seinen Armen schnell.
Er eilt mit ihr zu der Thüre,
Und faßt das dröhnende Schloß,
Als einer seiner Gefährten,
Von hinten ihn erschoß.
Da fassen die zwei Gesellen
An beiden Armen die Maid;
Doch über ihrem Besitze
Entbrannte neu der Streit.
Es kämpfen die zwei Gesellen
Um sie auf Leben und Tod;
Von ihrem strömenden Blute
Ist ringsum alles roth.
Sie stoßen die blut'gen Dolche
Zugleich in's Herz sich hinein;
Doch während die Zwei sich morden
Entkömmt die Maid zum Main.
Hier springt sie in die Fluthen,
In's tiefe, ruhige Grab,
Mit ihrem Leid um den Theuren,
Mit ihrem Schmerz hinab.
Da bebte es in der Runde,
Weit öffnete sich der Main,
Zog die verrufene Mühle
In seinen Schooß hinein.
Da stehet sie nun noch unten,
Und treibet ihr Rad noch heut,
Gar viele hörten sie rauschen
Zur mitternächt'gen Zeit.
Es schlagen die Wellen höher,
Wo einst die Mühle versank,
Gar mancher ist hier ertrunken,
Der sonst kein Wasser trank.
Drum beten auch alle Schiffer,
Beim unterirdischen Haus
Ein andächt'ges Vaterunser
Zum heil'gen Nicolaus.
260. Die eingemauerte Nonne.
Von F . J . F r e i h o l z .
Bei dem Kloster Himmelspforten
Sieht ein Kreuz der Wandersmann
Dort ist eingemauert worden
Eine Nonne, die gethan,
Was ihr Schwur und Pflicht verbot,
Darum litt sie diesen Tod.
Und im Volke geht die Sage,
Naht dem Kreuz ein Wandersmann
Mit der neugiervollen Frage:
»Nonne, was hast du gethan,
Daß du schuldig des Gerichts?«
Horch! da spricht die Nonne – nichts!
Kapitel 14
261. Bilhildis zu Veitshöchheim.
G r o p p coll. nov. script. Wirceb. II., 765 sq.
Desselben Wirtzb. Chronik I., 39 ff. u. A. B e c h s t e i n
a.a.O. S. 28.
Bilhildis war eines angesehenen Frankengrafen Iberich
Tochter; ihre Eltern waren beide dem königlichen
Hause Dagoberts verwandt; sie wurde geboren in dem
Orte, den man heutzutage Veits-Höchheim nennt, und
es trug sich zu, daß sie, obschon ihre Eltern Christen
waren, das Sacrament der Taufe nicht empfing, weil
die landverderblichen Hunnen durch ihre Einfälle den
Christenglauben fast ganz vertilgt und alle Priester
getödtet, oder zur Flucht gezwungen hatten. Im dritten
Jahre ihres Alters kam sie zu einer Verwandten nach
Würzburg auf deren Begehren, damit diese an der
Holdseligkeit Bilhildis die Freude empfinden möge,
die ihr durch den Mangel eigener Töchter versagt war.
Diese Verwandte, Kunigunde mit Namen, war eine
fromme, christliche Matrone, die das zarte Kind in
den Geheimnissen des Christenglaubens unterrichtete,
und auch durch Priester unterrichten ließ, so daß Bilhildis
unter die Zahl der Katechumenen aufgenommen
wurde, welche demnächst zur Taufe gelangen sollten.
Da geschah abermals ein Hunneneinfall, die Taufe der
Bilhildis unterblieb, und kam in Vergessenheit, sie
selbst aber wußte nicht, daß sie nicht getauft war.
Bilhildis erblühte, später wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt,
zu einer sehr liebreizenden Jungfrau, die
sich jedoch vornehmlich in den Schmuck der Tugend
kleidete, und von allen Heidengräueln sich fern hielt,
ja schon frühzeitig dahin wirkte, daß gewisse anstößige
und der Tugend gefährliche Tänze und Gebräuche
abgestellt wurden. Der Ruf ihrer Schönheit, Sitte und
Anmuth flog weit in alle Gauen, und drang auch zu
den Ohren Hetans, des Thüringerherzogs Radulf
Sohn, welcher Wittwer war, und dem von seiner ersten
Gemahlin zwei Söhne lebten. Dieser warf ein
Auge auf die seltene Jungfrauenperle, und warb um
sie. Vergebens wurde Bilhildis Jugend, und der Unterschied
des Glaubens eingewendet; der zudringliche
Freier ließ sich nicht abweisen, und Bilhildis ward
ihm vermählt. Willig dem Gebot ihrer Eltern sich fügend,
fand sie reichen Anlaß zu Schmerz und Kümmerniß,
da sie wahrnahm, daß ihr Gemahl kein Verlangen
nach Bekehrung trug, und an seinem Hofhalt
so Manches vorging, was ihren Ansichten und Grundsätzen
widerstrebte. Sie lebte daher sehr eingezogen,
ascetisch, schmucklos, und unterzog sich harten Bußübungen
und Kasteiungen. Als die Zeit kam, daß die
Herzogin Bilhildis sich Mutter fühlte, brach ein neuer
Krieg aus, und Hetan war besorgt, wohin er seine Gemahlin
sicher bringen solle, falls der Ausgang des
Krieges für ihn nicht siegreich wäre, und der Feind in
das Land bräche. Ungern gab er ihren Bitten und
ihrem Verlangen nach, sie zu ihrer Mutter ziehen zu
lassen, doch ließ er dieses endlich geschehen. Vielleicht
ahnete er, daß Bilhildis im Sinne habe, ihn ganz
zu verlassen, die alle ihre Kostbarkeiten und Kleinodien