»Zurück!« so schallt es nochmals,
Der Spukgeist weichet nicht.
Es schallt zum dritten Male:
»Zurück!« – es wirket nicht;
Da legt er an und schießet
Dem Pudel in's Gesicht.
Und gut hat er getroffen,
Der Spukgeist liegt im Blut,
Und röchelt vor dem Tode
In letzter Lebensglut.
Und als am andern Morgen
Den Pudel man beschaut,
Ist's eines Studio Leiche
In eines Pudels Haut.
Der wollt' die Wache schrecken,
Und büßt' den Frevel schwer.
Es schrecket wohl kein Studio
Vermummt die Wache mehr.
Und kommt die eilfte Stunde,
So spukt sein Geist am Thor;
Als schwarzer Pudel rennt er
Mit weißem Schweif und Ohr.
Und seit die Wache nimmer
Am Thore dorten steht,
So hält der Teufel selber
Dort Wache – ha nun seht!
Was trägt er auf der Schulter?
Das ist doch kein Gewehr?
Er schultert die Kanone,
Ihm ist sie nicht zu schwer.
Noch jetzt spukts dort am Thore
In stiller Mitternacht,
Wenn Alles rings im Schlummer
Und noch der Träumer wacht.
Ich sah den Spuck auch schleichen
Jüngst dort entlang der Wand.
Das Thor es wird noch heute
Das Teufelsthor genannt.
253. Die Residenz zu Würzburg.
Von J. R u t t o r .
Die Bauten sind zu Ende,
Es prangt der Fürstenbau,
Und über ihm sich wölbet
Voll Stolz des Himmels Blau.
Die Residenz, die schöne,
Sie prangt in Kaiserpracht;
Das Werk bald in Vollendung
Dem edlen Meister lacht.
Da tritt er vor den Bischof,
Und fordert seinen Lohn;
Doch dieser zwacket dieses
Und jenes ab davon.
Der Meister drob erzürnet,
Geräth in bittre Wuth,
Und redet zu sich selber
In heißer Zornesglut:
»Der Bau soll stets erinnern,
Daß er nicht ganz bezahlt;
Der Bau wird nicht vollendet,
Wie fürstlich er auch strahlt!«
Und tritt zu den Gesellen,
Und spricht das herr'sche Wort:
»Ein Fenster gegen Norden
Bleibt unvollendet dort!«
Und die Gesellen thaten,
Wie jener streng befahl;
Am Fenster das Gesimse
Wird nicht behau'n einmal.
Und noch zu dieser Stunde
Ist's unvollendet dort;
Der Geist des zorn'gen Meisters,
Er wandelt Nachts am Ort.
Versucht's ein and'rer Meister,
Das Fenster auszubau'n,
Kann er's am Morgen wieder
Im alten Stande schau'n.
Drum bleibt es unvollendet,
So lang der Bau besteht,
Der Wandrer kann es schauen,
Der dort vorüber geht.
254. Das Kreuz im Neumünster.
Mündlich.
In der Kirche zum Neumünster in Würzburg ist ein
altes Kreuzbild, davon geht die Sage: Als die Schweden
in Würzburg hausten, stieg ein Soldat zu Nachtszeit
in die Gruft der Neumünsterkirche hinab, in der
Absicht, sich des goldenen Kreuzbildes zu bemächtigen,
das seine Habgierde gereizt hatte. Doch siehe!
als er die räuberische Hand darnach ausstreckt, umschließt
ihn das Bild des Gekreuzigten mit beiden
Armen und läßt ihn nicht mehr von der Stelle weichen,
so viel er auch flucht und lästert und sich mit
Gewalt davon losmachen will. So blieb er gefesselt
hängen bis zur frühen Morgenstunde. Da nahte sich
ein Priester, hörte das Wehklagen des Frevlers und
bewirkte durch sein Gebet die Befreiung desselben.
Das Kreuzbild aber wird bis auf diese Stunde in dem
Neumünster aufbewahrt.
255. Der Schornsteinfeger am Fischmarkt.
Mündlich.
Auf einem Schornstein des Fischmarktes zu Würzburg
war früher ein Schornsteinfeger abgemalt zu
sehen. Davon erzählt die Sage: Nach der Schlacht bei
Nördlingen rief der schwedische Heerführer, welcher
damals in Würzburg lag, seine Leute auf dem Fischmarkt
zusammen und verkündigte ihnen in schwedischer
Sprache, damit es die Würzburger nicht merkten,
was bei Nördlingen vorgefallen, und wie man
sich schleunigst aus Würzburg zurückziehen müsse;
vorher sollte jedoch die Stadt noch einmal männiglich
geplündert werden. Diese Anrede hörte Niemand mit
an als ein Schornsteinfeger, der aus dem Versteck
eines benachbarten Schornsteines lauschte. Derselbe
hatte sich früher als Handwerksbursche ein wenig in
Schweden umgesehen und so viel von der Sprache gemerkt,
daß er die Würzburger alsogleich von der drohenden
Gefahr benachrichtigen konnte. Wie das der
Magistrat hörte, traf er schnell geeignete Maßregeln,
und so mußten die Schweden diesmal mit leeren Säkken
aus Würzburg ziehen. Zum Angedenken dieser
Begebenheit wurde ein Schornsteinfeger auf den
Schornstein eines Hauses am Fischmarkt gemalt.
256. Der Blutstein auf Marienberg.
Mündlich.
In dem Kirchlein der Veste Marienberg bei Würzburg
wird ein Stein am Fuße des Altars gezeigt, der von
Blut befleckt ist. Davon geht im Volke die Sage: