worden wären, so hätte keiner von ihnen jemals die Vereinbarung verletzt.
Das gesprochene Wort galt viel im Pferdevolk, und wer es verletzte, verlor
seine Ehre. Ehre war jedoch ein Teil des Lebens. Einem Menschen mochte
durch das Schicksal alles genommen werden, doch die Ehre konnte ihm
niemand nehmen, außer, er tat es selbst.
»Kommt, ich zeige Euch die Tiere, die ich Euch geben will.« Rufus winkte
den Sohn des Ältesten heran. »Trage Wolle und Leder zu meinem Haus. Die
Frauen des Horngrunds sollen sich darum kümmern.« Er sah die beiden
Pferdelords an. »Ihr habt Riemen dabei? Nein? Gut, der Junge soll welche
bringen, Ihr müsst die Viecher ja irgendwie nach Hause bekommen.«
Das Hornvieh des Weilers weidete unweit der Häuser. Es war eine große
Herde von etlichen Hundert Tieren, die von zwei Herdenwächtern
beaufsichtigt wurde. Einige Kinder spielten unbefangen zwischen Kühen und
Bullen, wobei die älteren darauf achteten, dass keiner ihrer jüngeren
Spielgenossen in Gefahr geriet. Rufus und die beiden Pferdelords schritten
zwischen den Gruppen der Tiere hindurch, und der Viehzüchter wählte einen
Bullen und zwei Kühe aus, die gerade im zeugungsfähigen Alter waren.
»Ein prachtvolles Exemplar. Nicht mehr lange, und er würde dem
Leitbullen der Herde den Rang streitig machen.«
Es gab keine Markierungen an den Tieren, man konnte sie allenfalls an den
unterschiedlichen Färbungen und Schattierungen des Fells unterscheiden. Sie
waren das Gemeinschaftseigentum des Weilers und gehörten allen
Bewohnern gleichermaßen. Auch Leder und Wolle, die Nedeam und
Dorkemunt eingetauscht hatten, würden in den Besitz des Weilers übergehen.
Dorkemunt betrachtete den jungen Bullen und nickte bedächtig. »Wir
werden die Kühe vorauslaufen lassen. Er ist jung und stark und wird ihnen
bereitwillig folgen.«
Dorkemunt und Rufus tauschten noch eine Weile ihre Erfahrungen mit
Hornvieh aus, doch dann war es an der Zeit, sich auf den Heimweg zu
machen.
Bullen waren ausgesprochen eigensinnige Tiere und schwer beherrschbar,
vor allem, wenn sie ihrem Trieb folgten. Nedeam und Dorkemunt machten
sich aber genau dies zunutze. Sie trieben die beiden gutmütigen Kühe vor sich
her, und der junge Bulle folgte ihnen. Die beiden Pferdelords waren
erleichtert, als sie wieder das Gehöft erreichten und die Hornviecher endlich
in die vorbereitete Koppel treiben konnten.
Dorkemunt ritt auf seinem Wallach am Zaun entlang, beugte sich
gelegentlich zur Seite und prüfte die Bindungen, mit denen die Stangen des
Pferches an den Pfosten befestigt waren. »Vielleicht hätten wir besser Seile
besorgen sollen«, meinte er zögernd. »Die Lederriemen werden rasch
verwittern. Wir müssen ein Auge darauf haben.«
»Meinst du, der Bulle würde sich davonmachen, wenn der Zaun
nachgibt?«
Dorkemunt nickte. »Er liebt die Freiheit, wie alle denkenden Wesen.« Der
kleinwüchsige Pferdelord lachte belustigt auf. »Und wie bei so vielen
denkenden Wesen lässt sein Verstand nach, wenn es um die Brunft geht. Ich
denke, die beiden Kühe werden ihn eher im Pferch halten als das Holz und
Leder des Zauns.«
Nedeam zuckte die Achseln. »Ich verstehe mich eher auf Schafe.«
Sein Freund lächelte und lenkte seinen Wallach auf das Haus zu. »Wir
sollten uns jetzt erst einmal stärken und dann nach den Schafen sehen.« Er
saß ab und lockerte die Gurte, um das Pferd abzusatteln. »Zudem sollten wir
heute ein wenig ausruhen, Nedeam. Übermorgen ist die Zusammenkunft der
Pferdelords.«
»Ah, ja.« Nedeam lächelte erfreut. »Die jährliche Wehrübung.«
»Und der jährliche Ritt.« Dorkemunt reckte sich und trat mit dem Wallach
an die Tränke, und während sein Reittier soff, schöpfte er Wasser, trank selbst
ein wenig und sah Nedeam treuherzig an. »Ich denke, es wird ein gutes
Rennen werden.«
Nedeam nickte. »Ein gutes Rennen, Dorkemunt, mein Freund, und ich
werde dich schlagen.«
Kapitel 3
Es war einer jener kleinen Streiftrupps, die regelmäßig die Grenzen der
Marken abritten. Meist eine kleine Schar von fünf, gelegentlich auch acht
Pferdelords, die nach Eindringlingen oder deren Spuren und anderen
möglichen Gefahren Ausschau hielten. Raubwild konnte über die Grenzen
kommen und die Herden oder einsam liegende Gehöfte bedrohen, aber das
geschah nur selten. Noch seltener war zweibeiniges Raubwild, vor allem hier
oben in der Hochmark der Pferdelords. Eine Raubkralle oder ein Pelzbeißer
konnten vielleicht mit Glück den Weg durch das schier unüberwindliche
Gebirge finden, doch den zweibeinigen Räubern blieben nur die Stellen, an
denen Pässe in die Mark hineinführten: hoch oben der Nordpass, der durch
die Festung Eternas geschützt war, und im Süden der lange Südpass, eine
tiefe Schlucht, deren beide Zugänge durch Posten und Signalfeuer gedeckt
waren.
Kormund war ein erfahrener Pferdelord, der im Laufe der Jahreswenden
zum Scharführer aufgestiegen war und den Streiftrupp aus fünf Reitern führte.
Der lange dreieckige Wimpel an seiner Lanze knatterte im Reitwind, denn die
kleine Schar ließ ihren Pferden freien Lauf. Sie hatten die Streife im Norden
bei Eternas begonnen und waren dem Verlauf des westlichen Gebirgszuges
gefolgt, der sie durch die kleinen und großen Täler der Hochmark zum
Südpass führte. Von dort aus würden sie dem östlichen Zug zurück nach
Eternas folgen. Auf ihrem Weg mussten sie dem Streiftrupp begegnen, der die
entgegengesetzte Route nahm.
Obwohl