„Klar“, antwortete Luisa, „seine Geschäftspartner sind überwiegend Männer – ist so üblich in den Gewerken mit denen er zu tun hat.
„Nein, nicht so …“
„Was meinst du mit nicht so?“, fragte sie verdutzt.
„Grrr … hätte ich doch bloß nichts gesagt“, fluchte Carin, „vielleicht ist auch alles ganz anders. Also vergiss einfach was ich gesagt habe.“
„Du meinst Carl ist anders!“, lachte Luisa, „nein, nein, da musst du etwas falsch interpretiert haben! Glaub mir, Carl ist durch und durch ein Hetero – schließlich muss ich es ja wissen, denn ich bin seit fünfundzwanzig Jahren mit ihm verheiratet und wir haben noch immer …“
„… Sex!“, ergänzte Carin, „bist du dir sicher?“
Luisa musste lange überlegen, wann sie das letzte Mal Sex hatten, und in der Tat, das waren schon einige Monate her.
Plötzlich ging die Tür auf und Carl stand im Wohnzimmer. „Hallo ihr Zwei“, im nächsten Moment stand er hinter den beiden, er gab Carin die Hand und sagte: „na, lange nicht gesehen!“
Wie aus einer fremden Welt entstiegen stierten die beiden Frauen ihn an. Und nach dem vorangegangenen Gespräch sahen sie ihn nun mit ganz anderen Augen.
„Ist was?“, fragte er, „warum stiert ihr mich so an? Ahhh, verstehe: Frauengespräche. Bin wohl im falschen Augenblick gekommen. Lasst euch nicht stören. Bin schon wieder weg! Gute Nacht!“ Im nächsten Moment war er auch schon auf dem Weg nach oben.
„Gute Idee“, bemerkte Carin, „ich glaube ich sollte meine müden Glieder ebenfalls ins Bettchen bringen“, auf der Türschwelle blieb sie nochmals stehen, sie schenkte Luisa einen langen Blick und sagte: „Vergiss einfach was ich gesagt habe, sicherlich war‘s ein Irrtum. Gute Nacht. Und bis Montag.“
Mit dem Schließen der Tür fing es in Luisas Kopf zu rattern an. Na und, sie hat Carl mit einem Mann gesehen! Was soll daran verwerflich sein? Das hat doch gar nichts zu bedeuten. Schließlich hat sie ihn heute Morgen auch mit einem Mann gesehen! Auch das war harmlos – oder etwa nicht? „Verfluchter Mist, wenn er nicht bald mit mir redet werde ich noch verrückt!“, knurrte sie und flüchtete ins Bad.
Ein wenig später lag sie neben Carl im Bett, sein Atem war ruhig und gleichmäßig. Es war eine helle Vollmondnacht und ihr Blick folgte den Konturen seines Gesichts. Während sie ihn betrachtete, fragte sie sich, wem dieser Mann – der gerade neben ihr in seinen Träumen versank – noch einen Platz einräumte? War es eine andere Frau? Oder gar ein anderer Mann? Dass die Wege der Liebe vielfältig und mitunter verschlungen waren, war ihr schon immer bewusst, doch zu ergründen, über welch unwegsames Gelände die geheimen Wege der Seele ihres Mannes führten, stand nie in Frage. Zärtlich streifte sie über seinen Kopf ohne ihn dabei berühren zu wollen. Ob sie wohl noch ein Plätzchen in seinen Träumen hatte? Plötzlich überkam sie das Bedürfnis sich an ihn zu kuscheln – so wie früher. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, rutschte sie unter seine Decke, er drehte sich zu ihr um und legte sein linkes Bein und seinen linken Arm über sie – genauso wie er es früher immer tat, und so verbrachten sie die restliche Nacht.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, lag sie noch immer in der gleichen Position in seinem Bett, aber wo war Carl? Sofort war die Angst ihn zu verlieren wieder vordergründig, sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und lauschte in die Stille. Aus der Küche drangen kleine spitze Geräusche, sicherlich war er dabei das Frühstück vorzubereiten – die Gelegenheit mit ihm zu reden, schoss es ihr durch den Kopf. Im Nu war sie aus dem Bett. Völlig steif vom unbequemen Liegen stand sie ein wenig später im Bad. Die ganze Nacht hatte sie sich kaum gewagt zu rühren, sie wollte dieses warme Geborgenheitsgefühl mit Carl so lange wie nur irgend möglich festhalten. „Mein Güte“, durchfuhr es sie beim Anblick ihres Spiegelbildes, du solltest mehr schlafen und weniger trinken. Mit zitternden Fingern tastete sie über ihre Augenringe, sie spitzte ihre Lippen und kontrollierte dabei die kleinen Fältchen um ihren Mund.
„Wir werden alle nicht jünger“, sagte Carl der nun auf der Türschwelle stand und sie beobachtete, „kommst du? Das Frühstück ist fertig!“
„… und deshalb hast du dir auch eine Jüngere gesucht – oder wie?“, fuhr sie ihn erschrocken an.
Und wie immer, gab er sich gelassen und überhörte ihren Angriff.
Als sie später die Küche betrat und sie den schön gedeckten Frühstückstisch sah, hätte sie weinen mögen, denn sie wusste, dass das der Auftakt zu etwas war, was sie nicht mehr beeinflussen konnte.
Wortlos fingen sie an zu frühstücken. Luisa sah zu wie er sein Frühstücksei aß, fast ohne zu kauen hatte er es verschlungen, ebenso sein Toastbrot.
Irgendwann sah sie ihn direkt an, „ist das jetzt unsere Henkersmahlzeit?“, fragte sie.
Er wusste nicht was er tun oder sagen sollte, er senkte verlegen seine Augenlider und saß für eine ganze Weile bewegungslos und stumm da.
„Nun brich mir endlich das Herz“, fuhr sie ihn an, „die Stille, die Ungewissheit ist doch für uns beide unerträglich.“
Mit Tränenglanz in den Augen sah er sie nun an, „ich liebe dich“, sagte er mit bebender Stimme, „aber ich kann nicht mehr mit dir zusammen leben.“
Dies war nun also das Unglück ihres Lebens – ihre Liebe – die sie für den Stützpfeiler ihres Lebens gehalten hatte, war nichts als ein Trugschluss, eine Spiegelung im Wasser.
„Wie kannst du mich lieben, aber nicht mehr mit mir leben wollen?“, fragte sie entsetzt, „das verstehe ich nicht. Ich verstehe dich nicht.“
Carl saß noch immer regungslos da und starrte sie an. In seinen Augen stand pure Verzweiflung.
„Kenne ich sie?“, fragte Luisa, „ist sie jünger? Ach, was frage ich, natürlich ist sie jünger!“
Kopfschüttelnd sah er sie an, dann schlug er die Hände vors Gesicht und sagte: „Wenn es doch nur so einfach wäre.“
Plötzlich fiel es Luisa wie Schuppen von den Augen. Sie erinnerte sich an Carins Worte: ich habe ihn mit einem Mann gesehen. Der Gedanke daran war so ungeheuerlich, dass es sie sogleich in die Senkrechte trieb, „es ist keine Frau!“, fuhr sie ihn an. „Stimmt’s oder habe ich Recht!“
Ihre eigenen Worte bohrten sich tief in ihr Herz.
„Bitte sag, dass das nicht wahr ist!“
Langsam zog er die Hände von seinem Gesicht, „es tut mir unendlich leid, glaub mir …“ dann konnte er nur noch schweigend mit den Achseln zucken.
„Nein, nein!“, entsetzte sie sich, „du bist doch nicht so einer, „nein“, wiederholte sie kopfschüttelnd, „das hätte ich doch fühlen müssen! Nein, auf gar keinen Fall“, lachte sie bitter auf, „ich kann mich doch nicht so in dir getäuscht haben!“
Für einen Moment stierten sie einander wie Kaninchen und Schlange an.
Dann stürmte sie auf ihn zu, packte ihn bei den Schultern und rüttelte ihn, „Carl, komm zu dir! Bitte sag, dass das nicht wahr ist! Hörst du! Wir haben uns doch eine Zukunft aufgebaut, das kannst du doch nicht so einfach zerstören! Dazu hast du kein Recht! Mein Gott, C a a a r l !“, schrie sie.
Er saß nur da und starrte sie mit leeren Augen an.
Ein kurzer gellender Schrei löste sich aus ihrer Kehle, zeitgleich fegte sie mit ausgestrecktem Arm über den Tisch – es schepperte, klirrte und krachte. Niemals in ihrem Leben fühlte sie sich so verletzt, so angreifbar wie in diesem Moment. Sie sackte zusammen und kniete nun auf dem Boden, und während ihr Blick sich zwischen den Scherben verlor, stand Carl auf und ging, sie spürte noch seine Hand die zärtlich über ihren Rücken glitt, dabei war ihr,