Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 4: Lucretia L'Incarto. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783862826186
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sich. „Ich nehme an, dieses Ansuchen kam von demselben Elfen, dessen Namen du nicht erwähnen willst.“

      Als Siralen nicht antwortete, stand sie auf. „Ich möchte eines klarstellen. Dein Volk mag der Ansicht sein, es hätte im Vergleich zu meiner Rasse besondere Privilegien. Das ist ein Irrtum. Die Elfen sind Teil der Allianz. Meinetwegen sollen sie ihr eigenes Schiff bekommen. Aber damit hat es sich dann auch schon. Am Besten du klärst das mit dem Admiral.“

      Sie zog ihren Mantel von der Stuhllehne, warf ihn sich über und nickte Siralen zu. Mit einem knappen „Hoi!“ nahmen die beiden Goygoa sie in ihre Mitte und geleiteten sie aus der Messe.

      Siralen lehnte sich zurück und schloss die Augen. Nüchtern betrachtet hatte Chara ihr gerade etwas durchgehen lassen, das sie als Flottenoberkommandantin auch hätte ahnden können. Siralen hatte über ihren Kopf hinweg entschieden, dass die Elfen ein eigenes Schiff in der Kommandoflotte bekamen und diese Entscheidung ihrem Volk gegenüber bereits kundgetan. Dabei lag die Angelegenheit nicht in ihrer Verantwortung – sie bedurfte der Zustimmung des Flottenoberkommandos.

      Wie dem auch sei … Die Elfen würden in Zukunft allesamt auf der Meeresschildkröte einquartiert sein, ganz so, wie der Lichtjäger es gewollt hatte. Als Siralen ihn vor zwei Tagen besucht hatte, hatte sie feststellen müssen, dass der Mann sie verunsicherte. Natürlich, die Lichtjäger waren Grenzgänger, Nonkonformisten, die sich einer Sonderstellung in den Reihen der Elfen erfreuten, und dementsprechend befremdlich wirkten sie auf alle anderen ihres Volks. Lindawens Augen hatten etwas Durchleuchtendes, etwas, das so gar nicht zu dem zeitlosen Blick des Weisheitsliebenden, sondern zu dem berechnenden Blick des Erkennenden passte – zu jemandem, der sich auf das konkrete Hier und Jetzt konzentrierte und dabei Dinge sah, die für das Auge anderer unsichtbar waren.

      Er hatte sie ungerührt angesehen und ihr mitgeteilt, dass er ihr jemanden als Stellvertreter schicken würde. Danach hatte er ihr die volle Unterstützung seiner Lichtjäger zugesagt und seine Forderung nach einem gemeinsamen Schiff für alle Elfen gestellt. Und schließlich hatte er das Gespräch mit einem knappen Abschied für beendet erklärt. So, als würde er bestimmen, was wann zu geschehen hatte.

      Siralen störte sich nicht daran. Er war der Anführer aller in der Flotte befindlichen Lichtjäger und hatte damit eine Vormachtstellung. Sie störte sich vielmehr daran, dass sie sich in seiner Gegenwart ihrer selbst nicht sicher war. Darüber reden konnte sie allerdings nicht mit ihm. In einem Gespräch hätte sie Fragen stellen müssen. Aber man fragte einen Lichtjäger nicht. Seine Berufung verlangte es, inkognito zu bleiben. Hätten die Lichtjäger, wie andere Elfen auch, Beinamen, die bezeichnend für das waren, was sie in ihrem bisherigen Dasein getan hatten, hätte sie ihre Schlüsse ziehen können. Aber Lichtjäger operierten nur unter ihrem eigentlichen Namen. Und niemand wusste, ob sie, abgesehen von diesem, auch noch andere hatten.

      Entschlossen drückte Siralen ihren Rücken durch und stand auf. Wie sehr werde ich deinen Rat in den nächsten Jahren vermissen, Lenyanemara.

      Es war Nachmittag. Die Sonne hatte ihren glühenden Leib über den Zenit geschoben und strahlte angenehm auf die Matrosen herab. Tauron Hagegard stand im Krähennest – Arme auf das dicke Seil des Geländers gestützt, die glitzernden Wasser des Ozeans betrachtend, Schiffe zählend … Naja, er zählte sie nicht wirklich, er war nur fasziniert von dem sich ins Uferlose erstreckenden Teppich der Allianzflotte. Weiße Segel so weit das Auge reichte. Und dabei konnte er vom Heck der Meerjungfrau aus nur die Schiffe der dritten Flotte erkennen. Von der gesamten Armada sah er nur dunkle Flecken in der Ferne.

      Die Allianzflotte segelte in Doppelkeilformation, ebenso wie alle ihre zehn Teilflotten. Chara hatte außerdem eine Formation gewählt, die eine möglichst große Fläche abdeckte, sodass sie bei ihrer Suche auf dem endlosen Ozean bessere Aussichten hatten, auf Land zu stoßen.

      Er musste sich eingestehen, dass die Flottenstruktur ganz gut geworden war. Es sah so aus, als würde zumindest Charas Verstand funktionieren, wenn sie schon keine Erfahrung mit der See hatte.

      Eine Landratte als Flottenoberkommandantin. Er schüttelte den Kopf.

      L’Incarto … ob die was taugte, war zumindest nicht sein Problem. Die gehörte in einen anderen Zuständigkeitsbereich.

      Und Siralen? Die Elfe war auf jeden Fall sein Problem. Nicht, weil sie als Kommandantin im Zweifelsfall über ihn bestimmen konnte, vielmehr, weil sein triebgesteuertes Ich ganz eigene Pläne mit ihr hatte. Siralen hatte es ihm angetan. Er kannte sich selbst ziemlich gut. Wenn eine Frau mal in seinen Träumen auftauchte, dann war sie fällig. Dann musste er sie haben – wenigstens für ein kleines Abenteuer.

      Die kleine Pause hier oben im Hauptmast war herrlich. Hin und wieder brauchte man Ruhe, auch wenn man sonst eher der gesellige Typ war. Im Augenblick war alles auf Kurs – in Flotte Acht war Hadschif gerade dabei, seine Schiffe aufzufächern, während Schroeder volle Fahrt machte und den Schwarzseglern bald am Arsch kleben würde. Und weil die Schwarzen Schiffe in einer großen Distanz zur Allianzflotte segelten, würden sie Hadschifs Manöver erst sehen, wenn es schon zu spät war. Alles ganz geschmeidig.

      Tauron warf einen letzten Blick auf blaues Wasser, weißes Segeltuch und durch die Wellen brechende Schiffe. Dann wandte er sich der Takelage zu und kletterte nach unten. Am Hauptdeck angekommen, erspähte er Chara bei ihren Trainingseinheiten. Sie hing in schwarzen Beinkleidern und Unterhemd in den Wanten und machte Klimmzüge. Das machte sie ständig … als wüsste sie nicht, wohin mit ihrer Kraft.

      Siralen betrat das Hauptdeck durch die Luke zu den Mannschaftsunterkünften, und Tauron verlor das Interesse an der Assassinin. Lässig ließ er sich mit der Schulter gegen den Großmast fallen und beobachtete die Elfenkriegerin. Ein ordentlich gefaltetes Handtuch in der Hand steuerte sie zielstrebig auf das größte der Wasserfässer am Hauptdeck zu. Wollte sie sich etwa waschen? Hier, vor versammelter Mannschaft?

      Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass mit dem Expeditionskommando weibliches Frischfleisch an Bord gekommen war. Das konnte unter Umständen kleinere Probleme heraufbeschwören. Sicher, es gab auch Frauen in seiner Mannschaft, aber Piraten hatten ihre eigenen Regeln und Rituale. Die meisten Matrosinnen waren hart gesottene Bräute. Waren sie auf ein Techtelmechtel aus, präsentierten sie sich bei der Waschung an Deck auch dementsprechend, was die Kapitäne, im Gegensatz zur Mannschaft, manchmal zur Weißglut trieb. Sexuelle Anspannung und Arbeit vertrugen sich einfach schlecht.

      Wer den Kopf beim Weibe hat, hält das falsche Tau in der Hand. So lautete eine alte Seemannsweisheit und die traf buchstäblich ins Schwarze.

      Verstohlen beobachtete Tauron Siralen dabei, wie sie ihr mitgebrachtes Tuch und ein Stück Seife neben das Fass legte und damit begann, sich völlig unbeschwert aus ihrer Tunika zu schälen. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, ihr hilfreich zur Hand zu gehen und seine schon jetzt starrende Mannschaft zur Raison zu bringen.

      Lexora lass die Wellen schwellen, murmelte er, als sie auch die letzte Hülle fallen gelassen hatte. Jep! Das war vielleicht eine Frau. Elfen hin oder her – eines musste man denen aus Albion lassen: Sie hatten Haut wie Seide, Beine so lang und schlank wie die schönsten … er hätte fast Masten gesagt, besann sich dann aber eines Besseren. Es gab kein passendes Wort dafür. Auf jeden Fall war Siralen mehr als eine Sünde wert.

      Als sie sich eine Pütz griff, Wasser aus dem Fass schöpfte und sich das kühle Nass über ihren Kopf und ihren Prachtkörper schüttete, hatte Tauron sich so weit im Griff, dass er eingreifen konnte. Entschlossen stieß er sich vom Mast ab und stand kurze Zeit später vor der nackten Pracht der Elfe.

      Ein Räuspern, dann hatte er die Kurve gekratzt. „Ich find’s ja ganz nett, nich’? Aber das geht so nicht. Meine Männer können sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren. Die … naja … Ihr wisst schon. Die müssen Euch ansehen. Die können gar nicht anders.“

      Siralen ließ den Eimer sinken und blickte sich um. „Tatsächlich“, stellte sie verblüfft fest. „Was ist an einem nackten Körper denn so aufregend?“

      „Äh … jo …“ Tauron starrte auf ihre kleinen, festen Brüste und arbeitete hart daran, sich von diesen wieder loszureißen. „Ich weiß ja nicht, wie das bei euch Elfen so ist, aber