Hartkeks & Kaffee. John Davis Billings. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Davis Billings
Издательство: Bookwire
Серия: Zeitzeugen des Sezessionskrieges
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783742777386
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einige ihrer mühsam zusammengesparten Vorräte an die unbedachten Verschwender abgaben. Doch dieser Typus der Plage gab sich nicht mit erbettelten Hartkeksen zufrieden. Diese Burschen waren nicht sonderlich wählerisch und wenn keine Hartkekse zu haben waren, dann genügten auch Kaffee, Zucker oder Pökelfleisch. Gelegentlich wollten sie sich auch "nur für einen oder zwei Tage" einen Dollar borgen, den sie natürlich prompt zurückzahlen würden, da mehrere Briefe aus der Heimat, von denen einige Geld enthielten, bereits überfällig seien. Die Leute im Zivilleben bilden sich ein, die Unzulänglichkeiten der Postbehörde der Vereinigten Staaten zu kennen und sie erzählen indigniert Geschichtchen von verschwundenen, falsch zugestellten oder anderweitig verzögerten Briefen. Diese Leute kennen nicht einmal einen Bruchteil all der Gebrechen, welche die US-Postbehörde plagen und ich kann mir niemanden vorstellen, der besser in der Lage wäre, ein umfassendes Zeugnis hierüber abzulegen als gewisse Soldaten im Heere der Union. In den Jahren 1862 - 65 (und wahrscheinlich sogar heute noch) hätte ich auf Männer verweisen können, die in einem einzigen Jahre mehr Briefe verloren (von denen drei Viertel beträchtliche Geldsummen enthielten) als gemäß den Angaben der Leiter der Postbehörde seit deren Gründung insgesamt verschollen sein sollen. Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um die Verluste eines einzigen Mannes; multipliziert man diese mit der Anzahl all der anderen Soldaten seines Schlages im gesamten Unionsheere, so wird ersichtlich, warum die Regierung ihren alten Soldaten mit äußerster Zuvorkommenheit begegnen sollte.

      In diesem Zusammenhang entsinne ich mich einer weiteren interessanten Eigenheit des Soldatenlebens, die wohl von einiger historischer Bedeutung sein mag: Sooft den Truppen ihr Sold ausbezahlt wurde, wollte die überwältigende Mehrheit der Männer den Großteil ihres Geldes nach Hause zu ihren Familien oder Freunden schicken. Der Versand per Post barg natürlich ein gewisses Risiko. Um dieses zu minimieren, wurde ein sogenannter Anweisungsplan ausgearbeitet. Erhielten die Truppen Besuch vom Zahlmeister, so konnten die Soldaten ein gesondertes Dokument unterzeichnen, in dem sie die Auszahlung eines bestimmten Betrages an eine ausgewählte Person in der Heimat anwiesen. Veranschaulichen wir uns diesen Prozess anhand eines Beispiels: John Smith bekommt den Sold von vier Monaten (13 Dollars pro Monat) ausbezahlt. Er hat angewiesen, 10 Dollars seines monatlichen Solds seiner Gattin in Plymouth, Massachusetts auszuhändigen. Der Zahlmeister händigt nun also John 12 Dollars aus, während seine Gattin in Plymouth einen Scheck über 40 Dollars erhält, ohne dass sich John weiter darum kümmern müsste. Dieses System war eine große Erleichterung für die Soldaten und ihre Familien. Bei der Aufteilung seines Solds kalkulierte der Soldat dahingehend, dass er alle anfallenden Kosten des Lagerlebens, wie Wäschereinigung, Tabak, Zeitungen, gelegentlich von ortsansässigen Damen verkaufte Süßspeisen sowie Käse und Kuchen des Marketenders, bezahlen konnte. Doch allen sorgfältigen Berechnungen zum Trotze endete die Angelegenheit in der Regel damit, dass der Soldat sich genötigt sah, die Lieben in der Heimat nach und nach um die Rücksendung eines beträchtlichen Teiles des Geldes in Dollar- oder Cent-Beträgen zu bitten. Wie bereits erwähnt, war Silbergeld zu dieser Zeit nicht mehr gebräuchlich, da es, genau wie Gold, nur zu halsabschneiderischen Konditionen zu haben war. An seiner Stelle gab die Regierung die sogenannten "Scheine" aus, Papiergeld im Werte von 50, 25, 10, 5 und später auch 15 und 3 Cents. Einige dieser Scheine sind noch heute in Umlauf. Die Soldaten und ihre Angehörigen fanden sie damals ausgesprochen nützlich. Doch nun zurück zu unserem ursprünglichen Thema:

      Sollten die Angaben dieser Plagen bezüglich der Geldmengen, welche sich auf dem Wege zu ihnen befanden, den Tatsachen entsprochen haben, so hätten sie nicht nur ihren gesamten Sold zurückgefordert, sondern darüber hinaus überreichlichen Gebrauch von ihren Privatvermögen oder der Freigiebigkeit ihrer Freunde gemacht. Tatsächlich verhielt es sich aber so, dass die Plage niemals beabsichtigte, das geborgte Geld zurückzuzahlen. Die Öffentlichkeit scheint dem Irrglauben anzuhängen, dass die Soldaten, welche Schulter an Schulter für die Union kämpften, die gleichen Entbehrungen erduldeten, die gleichen Behausungen teilten und aus den gleichen Töpfen aßen zwangsläufig auch auf ewig treu verbundene Kameraden sein müssen. Die Veteranenvereinigung der "Grand Army of the Republic" scheint diese irrige Überzeugung noch zu stützen, doch in Wahrheit zeigt sich die menschliche Natur im Heere ebenso wie in allen anderen Bereichen des Lebens. Männer in Uniform waren weiterhin Drückeberger, Diebe, Quälgeister, Feiglinge oder nutzlose Taugenichtse, wenn sie dies bereits zuvor im Zivilleben gewesen waren. Das Zebra kann seine Streifen nicht ablegen und der Sohn Afrikas nicht die Farbe seiner Haut. Es kann daher nicht verwundern, wenn ich konstatieren muss, dass der größere Teil des von Soldaten geborgten Geldes niemals zurückgezahlt wurde. Es zeugt von dem immensen Mangel an Ehrlichkeit und Ehrgefühl dieser Männer, dass sie noch heute ihre alten Kameraden, denen sie in jenen schweren Zeiten einen, zwei, fünf, zehn oder gar mehr Dollars abgeschwatzt hatten, treffen, ohne vor Scham zu erröten oder sich anmerken zu lassen, dass sie sich ihrer ausstehenden Schuld bewusst sind. Einige von ihnen sind sogar dermaßen charakterlos und unverschämt, dass sie ihre alten Opfer um neuerliche Gaben anbetteln.

      Eine der bevorzugten Verzögerungstaktiken der Plage bestand darin, sich zwei- oder dreimal vom Corporal wecken zu lassen, bevor sie sich endlich aus ihrem Bett bequemte, um sich im Schneckentempo dem Ausgange entgegenzuschleppen. Befand sie sich schließlich auf ihrem Wachtposten, so war die Plage bestrebt, den größtmöglichen Teil der Arbeit dem Corporal der Wache aufzubürden. Sie hatte also kaum ihren Posten bezogen, als sie auch schon nach dem Corporal schicken ließ, da sie dringlichst die Kompanie-Latrine aufsuchen müsse. Mittels dieser Taktik ließ sich mindestens eine halbe Stunde schinden. Bei ihrer Rückkehr (im Schneckentempo) trug die Plage die Gesichtszüge eines Mannes, dessen Gesundheitszustand keinen weiteren Armeedienst duldete. Sie begann, dem Corporal im kläglichsten Tonfalle ihr Leid zu klagen, während sie sich ihre Ausrüstung umgürtete, doch dieser war nach der langen Wartezeit nicht gewillt, dem Gejammer Gehör zu schenken und lenkte seine Schritte eilig dem Zelt der Wache entgegen.

      Dort war ihm allerdings nicht viel Ruhezeit vergönnt, bevor ihn eine erneute Anfrage desselben Postens erreichte, auf die er mit verständlichem Verdruss und einigen gemurmelten Bemerkungen über den Charakter des Störenfriedes reagierte. Diesem war zwischenzeitlich eingefallen, dass sich eine Medizin in seinem Zelt befand, die seinem Gesundheitszustand zweifellos zugute kommen würde. Dem Corporal war natürlich sehr daran gelegen, die Heilung des Burschen zu unterstützen und so übernahm er erneut den Posten des Drückebergers. Dieser tauchte erst wieder auf, als die letzte Stunde seiner Wache bereits zur Hälfte verstrichen war und er hatte die Entschuldigung parat, dass er sein Wundermittelchen nicht habe finden können und genötigt gewesen sei, es sich andernorts zu besorgen. Mittels derartiger Gaukeleien schaffte es die Plage unter Ausnutzung der Gutmütigkeit seiner Kameraden und des Corporals, sich vor mindestens zwei Dritteln seines Wachtdienstes zu drücken.

Grafik 174

      Der rheumatische Drückeberger

      Nach der Schlacht von Fredericksburg bediente sich ein Soldat eines der tapferen Regimenter in Burnsides Corps, dessen Moral die Schlacht offenbar gebrochen hatte, des "Rheumatricks", um seine Entlassung zu erwirken. Er erschien täglich mit erbarmungswürdig gekrümmter Haltung bei den Krankmeldungen und der Arzt verschrieb ihm entsprechende Medikamente, doch sie alle halfen nichts. Eines seiner Beine war angewinkelt und er schien es nicht bewegen zu können, zudem war er sorgsam darauf bedacht, in gewissen Abständen und zu passenden Gelegenheiten das erbärmliche Wimmern eines unsagbar Leidenden auszustoßen. Er erhielt dieses Schauspiel sechs Wochen lang aufrecht und schließlich empfahl der Arzt seine Entlassung. Diese wurde von den Hauptquartieren auf Regiments-, Brigade- und Divisionsebene befürwortet und lag gerade im Corpshauptquartier zur Unterschrift vor, als das Corps nach Kentucky beordert wurde. In Covington, Kentucky gelangte die Einheit, welcher der "Invalide" angehörte, auf irgendeine Weise in den Besitz eines Fasses Whisky. Da unser Leidender sich nicht zu den Abstinenzlern zählte, ließ dieser hochprozentige Fund seine Umsichtigkeit schwinden und nachdem er seinen Platz an dem Strohhalm eingenommen hatte, den man durch ein Loch in das Fass gesteckt hatte, war er bald wieder so gut zu Fuß wie eh und je. In diesem Zustande fand ihn schließlich der Colonel vor. Selbstverständlich wurde seine Entlassung nun vom Corpshauptquartier abgelehnt und zudem wurde dem Simulanten in den folgenden Monaten das Soldatenleben gehörig sauer gemacht.

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