In diesem Zusammenhang soll noch ein Umstand erwähnt werden, der so manchem Leser merkwürdig erscheinen mag: die Verwendung von Unmengen grünen Kiefernholzes als Feuerholz in den Winterlagern. Dieses Holz war häufig unsere einzige Wärmequelle. Die Bewohner der Nordstaaten würden eher versuchen, ein Feuer mit einem Eimer Wasser zu entfachen als grünes Kiefernholz zu verwenden. Dieses scheinbare Paradoxon ist jedoch rasch erklärt: Die Kiefern in den südlichen Breitengraden beinhalten weitaus mehr Harz als ihre Verwandten in den nördlichen Breiten. Zudem ist das Kernholz aller Kiefernarten stets verhältnismäßig trocken und im Süden scheint diese Trockenheit sogar noch ausgeprägter zu sein. Das Kernholz wurde als Zunder benutzt und das harzige Splintholz darübergelegt. Bis das Kernholz verbrannt war, hatte sich auch das Splintholz entzündet und gab dann ein brauchbares Feuer ab. Diese Kiefern hatten den Harthölzern den Vorteil voraus, dass sie leichter zurechtzuhauen waren; diesen Vorteil wussten die Soldaten durchaus zu schätzen.
Der Lagerbarbier
In einem festen Lager hatte nahezu jede Einheit ihren eigenen Barbier. Es ist wahr, dass viele Männer während ihrer Zeit im Felde nicht zum Rasiermesser griffen und sich dermaßen bereitwillig lange, wirre Haartrachten und Bärte wachsen ließen, als könnten diese sie in der Schlacht vor dem Feind verbergen. Die Mehrheit der Soldaten besaß ihr eigenes Set der benötigten Toilettenartikel und rasierte sich selbst, wobei die Männer regelmäßig ihr unschuldiges Blut im Dienste ihres Landes vergossen. Der beträchtliche Rest der Soldaten, mochten diese nun ungeübt im Umgange mit dem Messer oder einfach der Tätigkeit einer Selbstrasur abgeneigt sein, suchte den Lagerbarbier auf. Dieser Bursche ging seiner Tätigkeit bei kaltem oder stürmischem Wetter im Inneren seines Zeltes nach, doch für gewöhnlich bezog er seinen Posten hinter dem Zelt, wo er eine Sitzgelegenheit für den (fraglichen) Komfort seiner Opfer platzierte. Dieser Rasierstuhl war von ihm selbst zusammengezimmert. Sein Rahmen bestand aus vier in die Erde gerammten Pfählen, zwei längeren für die hinteren Stuhlbeine und zwei kürzeren für die Vorderbeine. Auf dieser Basis konstruierte der Barbier einen durchaus tauglichen Stuhl. Es waren allerdings längst nicht alle derart Tätigen ausgebildete Meister ihrer Kunst und der Nacken so manches Soldaten wies rötliche Schwellungen auf, wo ihm der Barbier mehr schlecht als recht und ungeschickt die Haare abgekratzt hatte. Die Rasiermesser befanden sich zudem häufig in einem äußerst erbärmlichen Zustande, vergleichbar der "Klinge des Gottvertrauens" mit welcher der Ire in dem alten Lied seine "Himmelherrgott-Rasur" erhält.
Eine weitere Tätigkeit, welcher in jedem Lager stets einige Männer nachgingen, darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden: das Studium der Gefechtstaktik. Manche gingen ihm unter der Anleitung eines befreundeten Offiziers nach und manche trieb die Ambition auf eine Beförderung an. Andere wollten eine angesetzte Prüfung bestehen, für deren Primus ein Heimaturlaub ausgelobt war. All diese Männer mit ihren grundverschiedenen Motivationen steckten also ihre Nasen in die Bücher. Der Mehrzahl der einfachen Soldaten war jedoch die praktische Seite des Kriegshandwerkes bereits mehr als genug und sie wollten sich nicht auch noch mit der theoretischen Seite herumplagen. Die Männer gaben sich jeder verfügbaren körperlichen und geistigen Zerstreuung hin und taten ihr Bestes, um die Stunden möglichst rasch verstreichen zu lassen. Selbst jene Soldaten, die erst einen winzigen Bruchteil ihrer drei Jahre abgedient hatten, riefen nach jedem vergangenen Tag mit gespieltem Frohsinn aus: "Nur noch zwei Jahre und ein bisschen!"
Kapitel 06: Jonas und Plagen
"So hört mein Lied, ihr lieben Leute,
Das ich in meiner Not ersann;
Euer Mitleid erbitt' ich heute,
Ich bin ein vom Glücke verlassener Mann.
Es war unter Sternen des Unglücks,
Dass das Licht dieser Welt ich erblickt'
Und mein Leben, im Lichte des Rückblicks,
War stets voll des Leids und verzwickt.
Und so spottet nicht ob meiner Nöte,
Sondern denkt voll des Mitleids daran:
Ich bin ein verlorener, schrecklicher, furchtbarer, trostlos unglücklicher Mann."
– aus einem alten Liede
In einem der vorigen Kapitel erwähnte ich, dass ein Sibley-Zelt Platz genug für zwölf Bewohner bot. Jene Behauptung muss ich an dieser Stelle ein wenig relativieren. Wenn jeder dieser zwölf Männer schlafend auf dem Boden lag, kamen sie einander nicht in die Quere. Wenn jedoch einer dieser Männer nächtlichen Postendienst zu versehen hatte, zudem vielleicht noch für die dritte Wachablösung eingeteilt war, welche in meiner Kompanie von Mitternacht bis 02.00 Uhr auf Posten stand, und um diese Uhrzeit sein Zelt betrat, wurde es schon ungemütlich. Befand sich sein Schlafplatz dann auch noch gegenüber des Einganges und der Heimkehrer trat bei der Suche nach seiner Decke auf den bestrumpften Fuß eines mit lauter Stimme und hitzigem Temperament gesegneten Schläfers, so schleuderte dieser dem Neuankömmling eine kurze aber aussagekräftige Probe seines gesalzenen Vokabulars entgegen. Kam unser eingeschüchterter Mann unter dem Eindruck dieser Tirade nun auf die Idee, mittels eines Sprunges die übrigen Schläfer zu überwinden und mit einem glücklichen Satz auf seiner Bettstatt zu landen, so schlug er hierbei wahrscheinlich in seinen Bettnachbarn ein, worauf dieser aufstöhnte und Laute ausstieß, als läge er im Todeskampf. Derart wuchsen die Nöte des armen Postens stetig weiter an und sobald sein letztes Opfer ausreichend bei Sinnen war, um zu erkennen, dass es nicht von einer Kanonenkugel zerschmettert worden war und nicht auf einer Trage ins Lazarett geschafft werden musste, entströmten auch seinem Munde die bittersten Flüche und so erfüllten die Schreie der beiden Opfer die Nachtluft mit den wüstesten Schmähungen wider den verdammten Burschen der dritten Wachablösung. Hiervon wurde nun der Rest der Zeltbewohner geweckt und in ihrem Zorn ob der rüden Störung stimmten auch sie in das Wutgeheul ein. Der anhaltende Lärm veranlasste schließlich die Männer in den angrenzenden Zelten, sich ebenfalls Gehör zu verschaffen: "Maul halten!", "Holt den Sergeant der Wache!", "Legt euch endlich hin!", "Schießt den Kerl nieder!", "Steckt ihn hinter Gitter!" ... Diese und ähnliche Rufe wurden von den umliegenden Zelten herüber gebrüllt.
Endlich legt sich dieser Sturm im Wasserglas und als der Sergeant der Wache auftaucht, um den Tumult zu untersuchen und die verantwortlichen Unruhestifter gemäß den bestehenden Lagerregularien und den Anweisungen des diensthabenden Offiziers wegen Störung der Nachtruhe in Arrest zu nehmen, trifft er auf vollkommene Stille. Keinem der Männer ist mehr daran gelegen, seine Kameraden ans Messer zu liefern, denn die kurzzeitig erhitzten Gemüter haben sich bereits abgekühlt. Der Sergeant kann nicht einmal mehr mit Sicherheit ermitteln, in welchem Zelt der Tumult seinen Anfang nahm.
Selbstverständlich unterlief auch dem umsichtigsten und sorgfältigsten