Zeit zum Handeln! Ich musste die beiden Kerle am Fenster beschäftigen, damit Fariba ihnen in den Rücken fallen konnte.
Tok … tok … tok … Die erste Salve aus der Maschinenpistole jagte auf mich zu. Ich warf mich zur Seite, nahm den Schwung mit und rollte über die linke Schulter ab. Erneut erschien der Lauf der Maschinenpistole am Fenster – ich hob meine Glock, die eigentlich Peter Schullers Ersatzwaffe war, und feuerte blindlings auf den Schützen, der aus der Deckung heraus das Feuer erwiderte.
Tok … tok … tok … Eine weitere Salve jagte über mich hinweg.
Mein Blick checkte das zweite Fenster, während ich erneut die Stellung wechselte. Ich sah das blasse Gesicht eines Mannes, seine Pistole zeigte in meine Richtung.
Ich riss die Glock herum, machte einen Ausfallschritt und sank in die Knie. Seine Waffenhand folgte meiner Bewegung, während ich bereits abdrückte. Zwei Mal. Beide Kugeln trafen ihr Ziel – sie verwandelten das bärtige Gesicht am Fenster in eine breiige Masse. Der Kerl war bereits tot, bevor ihn die Wucht der beiden Projektile von den Füßen holte.
Haken dran und weiter. Glücksgefühle konnte ich mir im Moment nicht leisten.
Der Typ mit der Maschinenpistole feuerte jetzt wie ein Irrer. Ich ging auf Tauchstation und presste mich so flach wie ich konnte ins nasse Gras. Geschosse surrten über mich hinweg. Sie zerfetzten Sträucher, Hecken und ein paar Rosen, die zwischen Unkraut, Bauschutt und Müll, ihren Platz behauptet hatten.
Ich behielt den Kopf weiter unten, an Gegenwehr war im Moment nicht zu denken. Der geballten Feuerkraft meines Gegners war ich hoffnungslos unterlegen. Doch meine Chance würde kommen. Irgendwann musste der Kerl schließlich ein neues Magazin einlegen.
Tok … tok … tok … Eine weitere Garbe durchpflügte den Boden. Shit, langsam wurde es brenzlig, der Kerl schoss sich von Mal zu Mal besser auf mich ein.
Was machte Fariba? Wie lange würde sie noch brauchen, um sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen?
Die Antwort kam aus dem Haus. Und zwar in Form von Pistolenschüssen, die in schneller Folge fielen. Das MP-Feuer verstummte, setzte jedoch nach einer kurzen Atempause erneut ein.
Ich hob den Kopf und sah wieder einen Schatten am Fenster. Mann oder Frau? Ich konnte es im Halbdunkel der Wohnung nicht sagen. Erneut drang das heisere Bellen von Faribas Pistole an meine Ohren. Der Schemen am Fenster wurde größer. Er schien angeschlagen, erweckte den Eindruck, als würde er taumeln oder schwanken.
»Maaarrrk …« Faribas Aufschrei fegte die letzten Zweifel zur Seite. Ich riss meine Glock hoch und drückte ab …
*
Heilige Scheiße, was läuft denn hier ab?
Fariba lehnte sich schwer atmend mit dem Rücken gegen die Wand. Ihr Blick huschte die Stufen hinunter und verweilte für einen Moment auf einem Mann, der mit verrenkten Gliedmaßen am Fuß der Treppe lag. Er stöhnte leise und blutete aus einer hässlichen Kopfwunde, die er sich bei seinem Treppensturz zugezogen hatte.
Hasta la Vista, Arschloch … Du hast dich mit der Falschen angelegt.
Sie presste das linke Ohr gegen die geschlossene Wohnungstür.
Tok … tok … tok … Drei Sekunden Pause, dann setzte wieder das charakteristische Hämmern einer Maschinenpistole ein.
Einatmen … ausatmen, Waffe checken. Einatmen … ausatmen und los! Faribas rechter Fuß schnellte hoch, ihr Stiefel – sie trug immer festes Schuhwerk, was ihr schon genügend blöde Sprüche der Kollegen beschert hatte – traf die Tür knapp eine Handbreit unter dem Schloss. Sie spürte einen kurzen Widerstand, dann splitterte das Holz unter ihrem wuchtigen Tritt.
Freie Sicht in den Raum, der Einrichtung nach musste es sich um das Wohnzimmer der Familie Alkbari handeln. Das war gut! Sie hatte insgeheim mit einem dunklen, viel zu engen Flur gerechnet, an dessen Ende ihr eine weitere Tür das Vordringen erschweren würde.
Einatmen … ausatmen … und ab dafür!
Fariba stürmte los, als gäbe es kein Morgen. Ihr Ziel war die riesige Wohnlandschaft, hinter dem Dreisitzer wollte sie in Deckung gehen. Links von ihr befand sich ein ovaler Tisch, an dessen hinterem Ende, das sah sie erst jetzt, zwei gefesselte Frauen saßen. Sie sahen übel aus. Ihre Gesichter waren geschwollen und wiesen unzählige Einblutungen auf. Rechter Hand befanden sich zwei Fenster. Vor dem linken, also dem hinteren, sah sie einen Mann auf dem Boden liegen. Sein behaartes Gesicht … eine einzige blutige Masse, um ihn herum war der Boden mit schleimigen Resten seiner Hirnmasse verklebt.
Guter Schuss, Mark!
Sie hastete weiter, versuchte beim Sprint durch den Raum einen schnellen Blick aus dem Fenster, zu werfen. No Chance!
Tok … tok … tok … Im Nebenzimmer hämmerte die Maschinenpistole erneut los. Fariba sah es als gutes Zeichen – solange der MP-Schütze wie ein Verrückter in der Gegend herumballerte, war Mark, der hoffentlich eine halbwegs brauchbare Deckung gefunden hatte, auch noch am Leben.
Schneller, schneller, du darfst keine Zeit verlieren!
Fariba preschte an der ledernen Wohnlandschaft vorbei; ihr Ziel war das angrenzende Zimmer, an dessen Fenster sie den Schützen mit der Maschinenpistole vermutete. Ihr Blick eilte voraus, sie hatte zwei Türen zur Auswahl. Sie entschied sich für die rechte.
Augen zu und durch …
Sie spannte ihre Muskeln, zog den Kopf ein und reckte das linke Schulterblatt ein wenig vor. Der Aufprall war mörderisch, die Tür wurde förmlich aus den Angeln gerissen. Sie stürzte ins Zimmer, rappelte sich auf und versuchte, sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Zwei Männer fuhren zu ihr herum – Erschrecken in ihren Gesichtern. Der Kleinere, ein Jüngling mit weichen Zügen, fuchtelte etwas unbeholfen mit seinem Revolver herum. Der andere, ein großer Kerl mit Kinnbart, lehnte am Fenster und hielt eine russische PPSch-41 in den Händen.
»Polizei!«, schrie sie. »Legen Sie Ihre Waffen nieder und ergeben Sie sich.«
Keine Reaktion, die beiden Kerle glotzten noch immer reichlich verdattert zu ihr herüber.
»Polizei! Lassen Sie Ihre Waffen fallen …«
Jetzt kam Bewegung in die Männer. Der Jüngling grinste dreckig und richtete seinen Revolver auf sie. Fariba zögerte keine Sekunde. Sie riss die Waffe hoch, visierte den Kerl mit dem Revolver an und drückte ab. Drei Mal. Safety first … Eigensicherung stand an erster Stelle.
Aus dem Augenwinkel registrierte sie, mehr unbewusst als bewusst, dass der Typ am Fenster seine Maschinenpistole nun auf sie gerichtet hielt. Sekunden im Nichts. Nur sie, die PPSch-41, ihre Pistole und der Mann, dessen Gesicht nun keinen erschrockenen Ausdruck mehr zeigte. Seine Mimik hatte sich gewandelt, sie spiegelte pure Mordlust wieder.
Fariba keuchte erschrocken auf, während sie überhastet auf den Mann feuerte und gleichzeitig versuchte, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen.
Tok … tok … tok … Die ersten Geschosse vom Kaliber 9 Millimeter fegten wie bösartige Hornissen über sie hinweg. Holzsplitter flogen umher, Putz, Tapeten und Gestein, wurden von den Wänden gerissen.
»Maaarrrk …« Ihr Hilfeschrei hallte durch den Raum, als sie erkannte, dass sie chancenlos war. Noch einmal würde der Kerl sie bestimmt nicht verfehlen. Sie lag auf dem Präsentierteller, keine drei Meter von ihm entfernt, der nächste Kugelhagel, würde, nein musste, ihrem Leben ein Ende setzen.
Aus und vorbei. Du blöde Kuh hast dein Blatt überreizt.
Zwei