Mark Feller. Michael Bardon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Bardon
Издательство: Bookwire
Серия: Mark Feller
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742763556
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gegen das raue Holz, Füße traten gegen die Türen der massiven Holzverschläge. Auch in ihrer Zelle stimmten die Frauen in das Wehklagen mit ein. Weitere Lampen flammten auf und tauchten ihr Gefängnis in ein diffuses Halbdunkel.

      Faizahs Griff verstärkte sich. Ihre Finger krallten sich nun schmerzhaft in Tahires Schulterblatt – sie rüttelten an ihr und rissen sie unsanft aus ihrer Lethargie.

      Schlagartig erwachten ihre Lebensgeister, während ein Funke namens Hoffnung in ihrem Herzen aufflammte.

      Allah hatte ihnen ein Zeichen gesandt. Er wies ihnen einen Weg, wie sie den schrecklichen Männern, diesen ungläubigen Monstern, entkommen konnten.

      Sie sprang auf und streifte Faizahs Hand mit einer unwilligen Geste ab. »Zeig mir die Stelle«, sagte sie. »Allah hat uns ein Zeichen gegeben, du hast recht, eine bessere Gelegenheit als in dieser Nacht werden wir nie wieder bekommen.«

       *

      Ich hatte es mir auf dem Beifahrersitz unseres Dienstwagens bequem gemacht und überflog noch einmal die spärlichen Informationen, die uns über Hasan Alkbari vorlagen.

      Die Eltern des getöteten V-Mannes waren vor dreiundzwanzig Jahren nach Deutschland immigriert. Sie stammten aus Syrien und waren über die Balkanroute in unser Land gekommen. Der kleine Hasan war damals gerade einmal zwei Jahre, seine Schwester und sein Bruder vier und fünf.

      Ich blätterte weiter, suchte nach einem Hinweis, irgendeiner Information, die uns weiterhelfen konnte. Vergeblich! Außer einem Vermerk, dass der Deutsch-Syrer gelegentlich für den Verfassungsschutz gearbeitet hatte, gab die Akte nichts mehr Interessantes her.

      »Ganz schön dürftig«, sagte ich und schaute auf. Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich zu orientieren, wusste dann aber wieder, in welcher Ecke Frankfurts wir uns befanden.

      »Ja, der Verfassungsschutz hat die Akte gedeckelt. Pia hat schon alles versucht, aber die wollen ums Verrecken keine weiteren Infos über Alkbari herausrücken«, erzählte meine Kollegin Fariba, die am Steuer des Mercedes saß. Sie blies sich eine schwarze Locke aus der Stirn und verzog das Gesicht zu einem freudlosen Grinsen. »Über die Familie haben sie angeblich auch nichts. Lachhaft, echt. Pia und ich hegen den Verdacht, dass noch jemand von den Alkbaris für den Verfassungsschutz arbeitet. Wir tippen auf den älteren Bruder.«

      »Hmmm.« Ich wiegte den Kopf und verzog skeptisch das Gesicht.

      »Es könnten aber natürlich auch der Vater oder die Schwester sein. Vielleicht finden wir es ja heraus, wenn wir nachher mit ihnen reden.«

      »Schon möglich. Wie lange brauchen wir noch bis zu den Alkbaris?«

      »Fünf Minuten! Wir sollten denen auf jeden Fall auf den Zahn fühlen und sie mit unserem Verdacht konfrontieren.«

      »Sollten wir …«, nickte ich und starrte dabei aus dem Fenster. Das graue Band der Straße flog an mir vorüber. Meine Kollegin fuhr zügig, hielt sich jedoch an die vorgeschriebene Geschwindigkeit.

      »Die mit ihrer verdammten Geheimniskrämerei«, sagte ich. »Man sollte nicht meinen, dass wir alle für dasselbe Land arbeiten.«

      »Tun wir das?« Fariba lachte heiser. »Manchmal habe ich da ehrlich gesagt so meine Zweifel.« Sie blickte mich kurz an und lächelte entschuldigend. »Du merkst, ich mag den Verfassungsschutz nicht. Die meinen nämlich immer, sie wären was Besseres und stünden über dem Gesetz.«

      Ihr Blick suchte meinen. Ich nickte, verkniff mir jedoch einen Kommentar. Ich wollte keine Stimmung gegen eine andere Behörde machen.

      »Zwei Kollegen von mir haben damals in der NSU-Geschichte ermittelt«, plauderte meine Kollegin weiter. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für eine Tracht Prügel die vom Verfassungsschutz einstecken mussten. Das war echt unterste Schublade. Die beiden können froh sein, dass sie noch beim LKA sind.«

      Ich nickte erneut. Auch mir waren solche Geschichten schon zu Ohren gekommen. »Ja, um den Verfassungsschutz ranken sich viele Gerüchte«, sagte ich. »Das soll uns aber nicht weiter stören. Wir haben mit denen nichts zu tun.«

      »Um den Bundesnachrichtendienst sind es nicht weniger«, warf meine Kollegin spitz ein. Sie wandte ihr Gesicht nun wieder der Straße zu. Ihr Lächeln schien eingefroren, maskenhaft und verkrampft. Sie war eine Frau voller Gegensätze. Ihr Körper, glauben Sie mir … sie hatte Kurven, die jeden Mann zwangsläufig zum Spanner machten. Hammer!

      Ein echter Hammer war auch ihr Gesicht, denn es war von irritierender Hässlichkeit. Es wirkte asymmetrisch, beinahe verunstaltet, irgendwie schien nichts da zu sein, wo es eigentlich hingehörte. Doch das eigentlich Verstörende waren ihre blassgrünen Augen. Sie standen viel zu weit auseinander, was ihr – ich kann es nicht anders umschreiben – ein exotisches, fast schon katzenhaftes Aussehen verlieh.

      Mich störte das nicht. Ich hatte mir abgewöhnt, Menschen nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Im Krieg lernte man so etwas – es ist überlebenswichtig.

      Ich schloss die Augen und dachte an Afghanistan. Ich rief mir das Bild des kleinen Mädchens ins Gedächtnis, das sich inmitten einer Gruppe amerikanischer GIs in die Luft gesprengt hatte. Sie hatte gelächelt und mir kurz zugezwinkert. Sekunden später betätigte sie dann den Zünder. Ihr hübsches Lächeln erlosch, als die Bombe unter ihrem schmutzigen Mantel sie und die Soldaten in den Tod riss.

      Eine schreckliche und dennoch lehrreiche Erfahrung: Beurteile einen Menschen also nie nach seinem Äußeren.

      »Nein, ernsthaft jetzt. Ich will mit denen nix zu tun haben, Mark. Wenn die in die Ermittlungen einsteigen, bin ich raus«, sagte Fariba in scharfen Ton.

      Ich nickte. Fariba Sedate war eine Frau, die genau wusste, was sie nicht wollte. Jedes weitere Wort von mir hätte die Diskussion nur weiter angefacht. Ich sah sie an. Von der Seite betrachtet sah sie gar nicht so übel aus.

      Laut ihrer Personalakte war sie vierunddreißig, ledig, Hauptkommissarin beim Landeskriminalamt und gebürtige Iranerin – sie bezeichnete sich selbst jedoch als Perserin.

      Auch das war mir egal. Mich interessierte nur ihr Ruf, eine erstklassige Ermittlerin zu sein.

      »Wir sind da.« Fariba fuhr den Mercedes rechts ran. Ich sah, wie sie ihren Arm ausstreckte und auf ein Haus deutete, das keine zwanzig Meter entfernt auf der anderen Straßenseite stand.

      »Der Backsteinbau, dort?«

      »Ja.«

      »Okay … Sieht ganz schön heruntergekommen aus. Bin gespannt, ob da überhaupt noch jemand wohnt.«

      »Laut Einwohnermeldeamt schon.« Fariba sprach akzentfreies Deutsch. »Elf Personen, um genau zu sein. Alle syrischer Abstammung. Zwei davon sind Kinder.«

      »Sind die alle miteinander verwandt?«

      »Nein! Jedenfalls nicht dem Namen nach.«

      Ich nickte, sagte jedoch nichts. Ich hatte eine flüchtige Bewegung hinter einem der Fenster ausgemacht. Jemand war kurz, ganz kurz gegen die Gardine gestoßen, während er aus dem Fenster gelunzt hatte.

      »Wir werden beobachtet«, sagte ich. »Das dritte Fenster von links. Erster Stock.«

      Fariba nickte kurz, stieß den Wagenschlag auf und schwang sich aus dem Mercedes – ihre Art sich zu bewegen hatte etwas Anmutiges, Elegantes; es wirkte kraftvoll und sexy. Mein Blick folgte ihr. Ich war mir sicher, dass ihre hautenge Jeans das Aussteigen nicht schadlos überstehen würde. Doch der Stoff hielt – ich atmete auf.

      Für zwei, drei Sekunden klebte mein Blick noch an ihren Rundungen, dann riss ich mich von ihrem Anblick los und konzentrierte mich wieder auf das alte Backsteingebäude.

      Der kastenförmige Bau wirkte beinahe ebenso verlottert wie das verwilderte Grundstück, das von einem verrosteten Maschendrahtzaun umschlossen wurde, allerdings nur lückenhaft.

      Es nieselte leicht, ich zog die Schultern hoch. Mein Blick checkte die Umgebung, flog über Hausfassaden, wanderte die Straße entlang, heftete sich an