Die beiden legten die Smartphones zu Seite, machten es sich auf dem Sofa gemütlich und sahen gemeinsam ihre Lieblingsserie. Als sie zwei Stunden später aufs Display schauten, hatten sie tatsächlich schon einige Nachrichten. Erstaunt blickte Mel Anna an. „Das ist der Hammer. So viele einsame Herzen in der Stadt.“
Sie verbrachten die nächste halbe Stunde damit, sich die Männer anzuschauen.
Mel gähnte. „Ich gehe jetzt nach Hause. Es war wirklich sehr witzig. Aber bis jetzt war noch niemand dabei, den ich gerne treffen würde.“
„Abwarten. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“ Anna nahm Mel in die Arme. „Wir sehen uns morgen, Süße.“
Mel nickte und machte sich auf den Heimweg. Ihr Date-Handy, wie sie es heimlich nannte, schaltete sie aus. Für heute hatte sie genug.
2
„Ich habe am Freitag ein Date“, begrüßte Anna Mel am nächsten Tag, als sie sich am Maschsee trafen.
„Dir auch einen schönen guten Tag“, konterte Mel.
„Er heißt Mario und arbeitet als Verkäufer“, fuhr Anna fort als hätte Mel gar nichts gesagt.
„Das ging aber schnell.“
„Sag ich doch. Unser Leben wird sich schlagartig ändern. Wie sieht es bei dir aus?“
„Nichts dabei“, flunkerte Mel, die ihr Date-Handy noch gar nicht angeschaltet hatte. Sie teilte Annas Enthusiasmus nicht so ganz, da sie immer noch überzeugt war, dass man in einer Großstadt auch anders Männer kennenlernen konnte.
„Wird schon noch“, tröstete Anna sie.
„Hey, ihr zwei Hübschen“, vernahmen sie Marks Stimme, der sich kurz darauf neben die beiden auf die Bank schmiss.
„Was wird schon noch?“, fragte PJ, der sich an Annas andere Seite setzte.
„Anna hat uns bei dieser neuen Dating App angemeldet“, erklärte Mel.
PJ grinste. „Da bin ich gespannt. Ich halte es eher mit Parship.“
„Nicht dein Ernst?“, staunte Mel. „Du hast ein Online-Profil?“
„Selbstverständlich. Wir leben im 21. Jahrhundert.“
Als würde das alles erklären.
„Aber sind wir nicht in der Lage, einander auf normalem Weg kennenzulernen?“, warf Mel fragend ein.
Als Tosten und Janine zu den vieren stießen, waren sie mitten in einer Diskussion über die Vor- und Nachteile einer online Partnersuche.
Als Mel nachts um zwei nach Hause kam, stellte sie ihr Date-Handy an. Anscheinend war sie die einzige Person in ganz Hannover, die noch nicht online nach dem perfekten match gesucht hatte. Sie schenkte sich ein Glas Wein ein, schnappte sich das Handy und kuschelte sich aufs Sofa. Dann scrollte sie durch die neuen Emails.
Ihr Blick blieb an einem Bild hängen. Björn, las sie. 1,80m groß, blond, Brille und ein nettes Lächeln. Sie überlegte nicht lange, sondern schickte ihm einfach ein Hi. Es dauerte nicht lange, bis er antwortete.
Du bist aber spät noch wach.
Du doch auch, schrieb sie zurück.
Ich arbeite noch.
Workaholic? fragte sie.
Computer-Freak. Da verrennt man sich schon mal.
Sie schrieben noch eine Weile hin und her. Mit jeder Nachricht wurde Björn ihr sympathischer. Er hatte Humor, sah nicht schlecht aus und war nicht auf den Mund gefallen. Kurz bevor Mel ins Bett ging, verabredeten sie sich zu einem weiteren Chat am nächsten Tag. Mel lächelte und schaltete das Handy aus. Vielleicht hatte Anna doch recht.
3
„Fertig“, stellte Mel fest, nachdem sie einen prüfenden Blick in ihren Spiegel geworfen hatte. Sie hatte sich für ihre schwarze, hautenge Lederhose entschieden. Dazu trug sie ein blaues Tank-Top, das in etwa dieselbe Farbe wie ihre Augen hatte. Sie war ein wenig nervös, Björn zu treffen. Sie hatten nach der Samstagnacht den halben Sonntag gechattet und irgendwann beschlossen, sich zu treffen.
Ihr Outfit wurde durch ihre Stiefeletten mit den 10 cm Absätzen abgerundet. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, um ihrer Erscheinung einen eher sportlichen Touch zu geben. Die Wimpern waren schwarz getuscht, und sie hatte ein wenig zartrosa schimmernden Glos auf die Lippen getupft. Zu gestylt wollte sie nicht wirken.
„Vielleicht beim zweiten Date“, zwinkerte sie ihrem Spiegelbild zu, bevor sie die Wohnung verließ.
Immer noch nervös trat sie kurze Zeit später aus der U-Bahn, die sie von der Lister Meile bis zur Markthalle gebracht hatte. Trotz des kühlen Windes war die Altstadt von Hannover auch an einem Samstagmittag voll. Mel liebte das. Nie im Leben würde sie sich in einem Dorf wohlfühlen, wo sich Hase und Fuchs Gute Nacht sagten. Sie brauchte pulsierendes Leben um sich herum, sonst würde sie eingehen. Außerdem arbeitete sie bei einer großen überregionalen Zeitung. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es auf dem Land so viel zu berichten gab, wie in der Stadt. Sie selber arbeitete zwar in der Anzeigen-Abteilung, bekam aber genug von der Aufregung ihrer Kollegen mit, wenn ein Artikel nicht rechtzeitig fertig wurde, jemand laut nach einem Fotografen für eine gerade reingekommene Story schrie und der daraus entstehenden Hektik. Auch wenn sie selber keine Ambitionen in Richtung rasender Reporter hegte, schätzte sie dennoch das Flair.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie etwas zu früh dran war. Also schlenderte sie langsam Richtung Markthalle und fasste nochmal gedanklich zusammen, was sie über ihr Date wusste. Björn war drei Jahre älter als sie und in der IT tätig. Er hatte ein tolles Lächeln, war witzig und charmant. Mit seinen kurzen, blonden Haaren und der Nickelbrille sah er ein wenig frech aus. Sie hatten sich von Anfang an hervorragend verstanden. Warum sollte das anders sein, nur weil sie sich jetzt persönlich trafen? Es gab keinen Grund nervös zu sein. Mel straffte die Schultern und betrat Gosch, ein mediterranes Restaurant, das direkt an die Markthalle grenzte. Suchend blickte sie sich um und entdeckte Björn sofort. Er saß in einer Ecke und winkte ihr lächelnd zu. Sein bewundernder Blick, den er ihr zuwarf, als sie auf ihn zuging, entging ihr nicht. Das nahm ihr ein wenig ihrer Nervosität.
Er stand auf, als sie an den Tisch trat. Leicht berührte er ihren Arm, als er sie begrüßte, was ihr nicht unangenehm war. „Es freut mich, dass es geklappt hat.“
„Mich auch“, gab sie ehrlich zurück. Mel ließ sich ihm gegenüber nieder. Ihr Blick schweifte durch das Restaurant. Obwohl sie schon ewig in Hannover lebte, war sie noch nie hier gewesen.
„Gefällt es dir?“, fragte Björn, der sie beobachtete.
Das Restaurant hatte ganz auf den mediterranen Touch gesetzt. An den Wänden fanden sich Zeichnungen vom Meer und es hingen Fischernetze mit Muscheln geschmückt dort. Auf den Holztischen standen liebevoll drapiert Blumen, neben denen sich blaue Kerzen in Haltern, die die Form von Ankern hatten, befanden. Etwa in der Mitte des Raums lagen sich zwei Tresen gegenüber. An dem einen wurden die Getränke zubereitet, beim zweiten das Essen. In dem ganzen Raum hing ein angenehmer Geruch nach Essen, nicht aufdringlich, sondern genauso, wie es in einem Restaurant am Meer riechen würde, frisch und salzig.
„Es hat Stil“, gab Mel zu.
Björn nickte zustimmend. „Wir kommen in unserer Pause gerne hierher. Da trifft man interessante Leute, mit denen man sich niveauvoll unterhalten kann. Nicht solche Nobodys wie in anderen Restaurants. Das liegt an den