Hintertüren. Dirk Lützelberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Lützelberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752993912
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Uhr. Mittlerweile waren schon fast eineinhalb Stunden vergangen und die Dämmerung würde irgendwann einsetzen, daher entschied sie, hier etwas mehr Geschwindigkeit hinein zu bekommen.

      »Guter Mann, mein Freund wartet dort oben und wenn wir nicht erst in der Dunkelheit dort aufkreuzen wollen, so sollten wir langsam die Beine unter die Arme nehmen.« Hatte sie eben ›mein Freund‹ gesagt? Gwen lächelte.

      »Sie haben es aber eilig. Der läuft uns schon nicht weg. Ich suche nur die Verfahrensanweisung für einen solchen Fall, denn bisher hatten wir so etwas noch nicht in unserem ›Kuhdorf‹, Madame!« Wie schnippisch jemand doch werden kann, reflektierte Gwen, und es war ihr mittlerweile egal, was der Kerl von ihr dachte. Sie holte ihren Ausweis aus der Tasche und knallte ihn auf den Tresen.

      »Mein Name ist Gwen Fisher und ich wohne in Deutschland. Ich bin Kriminalhauptkommissarin am LKA und ich weiß, was zu tun ist.« Phil starrte seine Mutter erschrocken an. So aufbrausend hatte er sie noch nie erlebt. Zumindest nicht außerhalb seines Jugendzimmers, wenn es mal wieder ums Aufräumen ging. »Rufen Sie bitte einen Kollegen zu Hilfe und einen Krankenwagen. Schnappen Sie sich ein Funksprechgerät, die Wagenschlüssel und dann lassen Sie uns aufbrechen!«

      Der Polizist zuckte zusammen, als Gwen mit ihren Anweisungen startete und begutachtete ihren Ausweis. Ohne in Hektik auszubrechen, nahm er den Telefonhörer ab, wählte eine Nummer und informierte seine Kollegen, dass er die Polizeistation schließen würde, um einem gemeldeten Vorfall mit einem Toten nachzugehen. Er wäre unterwegs per Funk zu erreichen. Er gab den ungefähren Ort durch und verabschiedete sich. Danach funkte er offensichtlich das nächste Krankenhaus an und informierte auch die Kollegen über den Einsatzplan und den Fundort. Sie würden sich dort treffen.

      »Fahren wir allein?«, fragte Gwen fassungslos.

      »Wir sind hier nicht so üppig mit Personal ausgestattet, wie Sie es wahrscheinlich in der Stadt sind. Kommen Sie, ich fahre.« Mit diesen Worten schnappte sich der Polizist die Wagenschlüssel vom Tresen und sie verließen die Station. Per Funk informierte er seine Kollegen, dass sie nun unterwegs waren.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie den Fundort des Toten. Stefan hatte es sich bei der Leiche gemütlich gemacht, wenn man dies überhaupt so sagen konnte. Er saß im Graben und beobachtete die Umgebung. Als er den Streifenwagen die Steigung heraufkommen sah, stand er auf und gab ihnen Zeichen zu ihm zu kommen. Der dickbäuchige Polizist stieg aus und kam auf Stefan zu. Gwen und Phil folgten ihm.

      »Ich bin Bezirksinspektor Wedelmaier. Ich bin der dienstführende Wachmann in der Polizeidienststelle, in der Ihre Kollegin diesen ›Vorfall‹ gemeldet hat. Sie hat auf der Fahrt schon von Ihrem Urlaub hier bei uns in Österreich erzählt und dass wir quasi Kollegen sind. Haben Sie hier etwas angefasst oder verändert? Sie werden verstehen, dass ich das der Form halber fragen muss?«

      Stefan nickte und reichte seinem österreichischen Kollegen die Hand. »Ich bin Kriminaloberkommissar Schick vom LKA im Norden Deutschlands. Wir freuen uns, Ihnen helfen zu können und ›nein‹, ich habe nichts verändert«, gab er lächelnd zu Protokoll.

      »Sie werden uns nicht zu helfen brauchen. Wir haben alle Mittel, um diesen Fall selbst aufzuklären«, antwortete Wedelmaier kühl und schritt zu dem Toten. Mit den Händen in den Taschen beäugte er die Leiche, ohne sich ihr auch nur einen Schritt zu weit zu nähern.

      Stefan blickte Gwen fragend an, die nur mit den Schultern zuckte und den Mund zusammenkniff.

      Phil bemerkte als erstes den heranrollenden Krankenwagen und wies ihn an zu halten. Zwei junge, blonde, gut trainierte Männer stiegen aus, nahmen ihre Notfallkoffer mit und gingen zügig zu dem Beamten. Die drei kannten sich offensichtlich sehr gut, bemerkte Gwen, denn ohne sich vorzustellen, schüttelten sie nur kurz die Hände.

      Nach wenigen Minuten hatte die Besatzung des Krankenwagens das Offensichtliche festgestellt. Der Mann war tot.

      Stefan wandte sich flüsternd an Gwen: »Wenn der Mann tot ist und die Todesursache nicht offensichtlich ist, sollte man da nicht vorsichtig agieren und vom Schlimmsten ausgehen?«

      Gwen antwortete nickend: »Ja, so würden wir das in Kiel handhaben, aber offensichtlich haben diese Almpolizisten eine andere Herangehensweise.«

      »Die Kollegen nehmen den Toten mit und bringen ihn in die Gerichtsmedizin nach Salzburg, um die Todesursache festzustellen. Wir brauchen bitte noch Ihre Kontaktinformationen und eine Aussage, wie Sie den Toten gefunden haben. Dann ist die Sache für Sie erledigt und Sie können ihren Urlaub fortsetzen.«

      Phil, Stefan und Gwen machten dem Bezirksinspektor gegenüber alle ihre Aussagen und er notierte sich flüchtig ein paar wenige Stichworte. Es war ihm anzumerken, dass er endlich Feierabend machen wollte, der Tote ihm den Feierabend schon ausreichend verdorben hatte und er sich nicht weiter mit den Besserwissern aus Deutschland abgeben wollte. Die Leiche war mittlerweile abtransportiert worden und als die drei mit ihren Aussagen fertig waren, fragte Wedelmaier so freundlich er konnte, ob er die drei noch mit hinunter ins Tal nehmen oder woanders hinbringen könnte. Da es bereits dämmerte und sich der Rückweg sonst bis in die Dunkelheit hinziehen würde, nahmen sie dankbar an. Wedelmaier setzte die Familie an ihrer Hütte in der Siedlung am Fuße des ›Loser‹ ab, bedankte sich förmlich, aber nicht herzlich für die Zusammenarbeit und verschwand in der Dunkelheit.

      »Was war das denn für eine Vorstellung?«, fragte Gwen ungläubig.

      »Andere Länder, andere Sitten«, gab Stefan schmunzelnd zurück.

      Phil sah beide amüsiert an, denn auch er hatte verstanden, dass es in Deutschland auf Grund der vielen Vorschriften sicherlich eine andere Prozedur gegeben hätte, um mit der Situation umzugehen. Dies aber, würde nun ein Problem der österreichischen Behörden sein.

      ♦♦♦

      Der Bezirksinspektor saß in seiner kleinen Amtsstube und spielte ein Spiel auf seinem Mobiltelefon, als es klingelte. Er unterbrach das Spiel, erkannte die Nummer und nahm den Anruf entgegen.

      »Wedelmaier. Was habt ihr herausgefunden?«

      »Herr Bezirksinspektor. Hier ist Luisa Steiner von der Gerichtsmedizin in Salzburg. Ich habe das Ergebnis der Untersuchungen für Sie.«

      Luisa Steiner war Anfang dreißig, zierlich und hatte blonde, kurze Haare. Es war ihre erste Anstellung nach ihrem abgeschlossenen Studium und als Neuankömmling in der Gerichtsmedizin wurde ihr die Ehre zuteil, Untersuchungsergebnisse telefonisch durchzugeben. Ihre Vorgesetzten verfassten die Berichte oder unterschrieben solche, delegierten die Telefonate aber an ihre jüngeren Teammitglieder. In diesem Fall traf es Luisa, die nervös mit der Zunge an ihrer kleinen Zahnlücke spielte, während sie die Reaktion abwartete.

      »Berichten Sie!«

      Der Bezirksinspektor war offensichtlich schon ungeduldig und wollte nicht länger auf die Folter gespannt werden oder er war einfach nur ein unhöflicher und unangenehmer Zeitgenosse. Soviel Menschenkenntnis besaß Luisa, um auch am Telefon die Stimmung zweifelsfrei einzuschätzen. Also kam sie gleich zum Punkt.

      »Zuerst kann ich berichten, dass wir die Identität des Toten bestimmen konnten. Wir glichen seine Fingerabdrücke mit den internationalen Datenbanken ab und hatten einen Treffer, da er einen neuen Reisepass besaß. Hierfür werden ja seit einigen Jahren biometrische Merkmale als zusätzliche Identifikationsmöglichkeiten gespeichert. Sowohl sein Gesicht als auch seine Fingerabdrücke konnten wir so sehr schnell in Einklang bringen und bekamen seinen Namen. Es handelt sich um Andreas Schörff. Er verbrachte seinen Urlaub hier bei uns in Österreich. Er war ein selbstständiger Sicherheitsberater aus Deutschland. Schörff hatte eine Schwester. Vielleicht könnten sie in der Zwischenzeit ihre Kontaktinformationen ausfindig machen?«

      »Später! Sehr gut bisher …«, unterbrach sie Wedelmaier herrisch, der diesen Fall so schnell wie möglich abschließen wollte, »… irgendwelche Verletzungen oder war es ein natürlicher Tod?«

      »Dazu wollte ich gerade kommen, Herr Bezirksinspektor. Außer einigen Schürf- und Schnittwunden in seinem Gesicht, an den Handinnenflächen und an seinen Knien, konnten wir keine Anzeichen von äußerer Gewaltanwendung feststellen.