Hintertüren. Dirk Lützelberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Lützelberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752993912
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Konzern wollte damals kein Risiko eingehen und vertrieb das Präparat nicht mehr.

      Ähnliches gilt für Lumiracoxib. Dieses wurde nach dem Bekanntwerden von schweren Nebenwirkungen im Jahre 2007 ebenso vom Markt genommen.

      Weiterhin wurde das Präparat Moxifloxacin 2008, wegen eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses, durch die Europäische Arzneimittelagentur nur noch für Ausnahmefälle zugelassen, wenn andere Antibiotika nicht verwendet werden dürfen oder können.

      Diclofenac gibt es bis heute. Es ist verschreibungspflichtig und hilft bei leichten bis mittelstarken Schmerzen.«

      »Ja, aber woher hat dann der Herr …«, Wedelmaier blätterte in seinen Zetteln auf dem Schreibtisch, »… Schörff diese ganzen Medikamente bekommen?«

      »Das ist eine gute Frage und sicherlich etwas für die Polizei«, erwiderte Luisa neckisch.

      »Mag sein, aber woran ist der Herr Schörff denn nun gestorben?«

      »Er hatte eine ausgewachsene Myokarditis, eine Herzmuskelentzündung. Durch seinen Sport kam es zu Herzrhythmusstörungen und schließlich zu einem Herzinfarkt. Der Tod muss vor circa sechsunddreißig Stunden eingetreten sein.«

      »Hatte er wegen dieser Myo-dings vielleicht das Antibiotikum genommen?«

      »Eher unwahrscheinlich, denn eine Herzinsuffizienz wird durch Viren ausgelöst, gegen die ein Antibiotikum machtlos ist.«

      »Und die Schmerzmittel?«

      »Auch unwahrscheinlich, denn eine solche Erkrankung bleibt nicht selten unbeachtet, da sie keine Schmerzen verursacht. Wenn Symptome auftreten, dann ähneln sie eher einem grippalen Infekt. Aber es ist schon seltsam, dass er so viele verschiedene Präparate in so hohen Dosen in seinem Körper hatte. Und einige Medikamente waren schon nicht mehr auf dem Markt.«

      »In der Tat sehr seltsam«, gab Wedelmaier zu. »Senden Sie mir bitte den vollständigen Bericht.«

      »Gerne. Zu welcher E-Mail-Adresse?«

      In solchen Momenten hatte er immer seinen Vorgesetzten verflucht. Sie sparten an allen Ecken und Enden und eben auch am Internet … und das im Informationszeitalter! Wedelmaier war innerlich stark erregt, was er jedoch gegenüber der jungen Gerichtsmedizinerin nicht äußerte.

      Mit ruhigen und vorsichtig gewählten Worten antwortete er ihr: »Frau Steiner, leider kann ich Ihnen keine E-Mail-Adresse geben, aber eine Faxnummer hätte ich für Sie.«

      Nach einer kurzen Pause erwiderte sie: »Aber gerne, kein Problem. Ich werde hier sicherlich noch ein solches Gerät auftreiben können.«

      Nachdem sie die Nummer ausgetauscht hatten, bedankte sich der Bezirksinspektor und legte auf. Schon wenige Minuten später erreichte ihn der Bericht per Fax. Noch einmal überflog er die Seiten und notierte sich einige wichtige Punkte. Dann machte er sich missmutig daran, seinen Bericht zu ergänzen. Es hätte ein so übersichtlicher und einfacher Vorfall mit einer kleinen Aktennotiz werden können, aber da wurde ihm ein großer Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte noch viel zu tun, also machte er sich an die Arbeit.

      Pünktlich um 10:00 Uhr tauchte der Chefinspektor auf der Wache auf.

      »Guten Morgen Wedelmaier, was haben Sie zusammengebracht?«

      »Guten Morgen Herr Chefinspektor. Ich kann Ihnen meinen fertigen Bericht geben.«

      »Lassen Sie hören!«

      »Ich habe alles in diesem Papier hier für Sie zusammengeschrieben.«

      Er überreichte die drei Seiten seines Berichtes sowie den Bericht der Gerichtsmedizin an seinen Vorgesetzten, der diesen schnell überflog.

      »Ich freue mich zu sehen, dass Sie schon so weit vorangekommen sind. Schließlich scheint dies nun ein Vorfall zu sein, dem wir intensiv nachgehen sollten. Wo war er in Österreich zu Besuch? Wen hat er getroffen? Hat er irgendwelche Verwandte hier? Was war sein Anliegen für seinen Aufenthalt? Viele Fragen, denen Sie in den nächsten Tagen nachgehen sollten. Wenn Sie dann vollumfänglich die ersten Untersuchungen abgeschlossen haben, können wir die Informationen an die zuständigen Behörden in Deutschland weitergeben. Und kümmern Sie sich endlich um das Auskunftsersuchen bei den deutschen Behörden, um die Schwester zu informieren.«

      »Da haben Sie vollkommen recht, Herr Chefinspektor. Ich werde mich gleich daran machen, die fehlenden Antworten zusammenzutragen.«

      So schnell der Chefinspektor erschienen war, so schnell war er auch wieder verschwunden. Während er auf dem Absatz kehrt machte, gab er noch ein flüchtiges »Danke, servus« von sich, und verschwand.

      Wedelmaier ließ sich wieder in seinen Stuhl sinken und seufzte: »Das werden lange Tage.«

      ♦♦♦

      »Da bin ich mal gespannt, ob wir nicht doch helfen können.«

      Gwen gab einfach nicht auf, überlegte Stefan, aber genau das liebte er an seiner Kollegin. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, so ging sie der Theorie, der Idee oder der Vorstellung so lange nach, bis sich entweder herausgestellt hatte, dass sie auf dem Holzweg war oder sie ihr Ziel erreicht hatte. Eine solche Beharrlichkeit hatte Stefan noch nie vorher bei irgendjemandem in seinem Umfeld feststellen können. Er hatte sich am Abend vorher seinem Schicksal ergeben, denn er hatte schnell gemerkt, dass er Gwen ihr Vorhaben nicht ausreden konnte. So hoffte er innerlich auf eine Absage, als sie die Wache betraten.

      »Servus Herr Bezirksinspektor«, begrüßte ihn Gwen.

      Wedelmaier schaute von seiner Schreibmaschine verblüfft auf, als er die bekannte Stimme wieder hörte. Er war einige Sekunden perplex und erstarrte, als er die beiden Kollegen mit ihrem Sohn die Tür hereinkommen sah. Dann aber rührte er sich und begrüßte sie.

      »Die Kollegen aus Deutschland. Was kann ich denn für Sie noch tun? Ich dachte, Sie genießen ihre Ferien?«

      Bevor Stefan noch etwas von sich geben konnte, fiel Gwen schon mit der Tür ins Haus.

      »Wir hatten uns gestern Abend noch überlegt, ob wir bei den Ermittlungen nicht etwas helfen könnten. Es sah so aus, als wenn Sie den Laden hier allein schmeißen müssten und wir wollten Ihnen etwas unter die Arme greifen.«

      Wedelmaier war außer sich vor Wut, denn niemand würde ihn als Dorfpolizisten hinstellen, dem man ›unter die Arme greifen‹ musste. Dann aber besann er sich eines Besseren. Er konnte der Situation sogar etwas Positives abgewinnen, wenn er es nur richtig anstellte. Die Kollegen kamen aus Deutschland, was wäre, wenn er ihnen den Fall einfach mitgeben würde? Dann hätte er nur noch sehr wenig damit zu tun und könnte den Fall schnell schließen. Dies würde dem Chefinspektor garantiert imponieren.

      »In der Tat könnte ich ein wenig Hilfe gut gebrauchen, aber Sie machen doch Urlaub hier und ich möchte Sie nicht belasten.« Er wollte sich nicht lange mit Vorreden aufhalten und versuchte sein Ziel in kleinen Schritten zu erreichen.

      »Das macht aber gar nichts, Herr Bezirksinspektor. Wir helfen gerne. Nicht wahr Stefan?«

      Stefan nickte höflich, wohl wissend, dass sich hier nicht die erwartete Wendung abzeichnen würde.

      »Also, wenn Sie wirklich helfen wollen?« Noch ein weiterer, kleiner Schritt.

      »Ja, gerne. Was können wir tun? Was haben Sie bereits?«

      Stefan resignierte. Der Damm war gebrochen und Gwen hatte ihren Kopf durchgesetzt. Sie würden sich hier einbringen können, um nicht zu sagen ›müssen‹. Nun gab es kein Zurück mehr.

      Alois Wedelmaier brachte die Kollegen aus Deutschland auf den letzten Stand. Er fasste den Bericht der Gerichtsmedizin in wenigen Worten zusammen. Er erwähnte die Schwester, die in Deutschland lebte und auch das Auskunftsersuchen, welches er vor wenigen Minuten bei den deutschen Behörden gestellt hatte. Als letztes las er den Namen und die Adresse vor: »Andreas Schörff, Schulstraße 27 in Gettorf.« Er wartete die Reaktion ab.

      »Gettorf? Das ist bei uns um die Ecke!« Gwen war ganz aufgeregt. »Der Fall würde wahrscheinlich