Hintertüren. Dirk Lützelberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Lützelberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752993912
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steckte sein Handy in die Tasche und während Gwen und Stefan noch bezahlten, wurde er schon durch den Anführer ihrer kleinen Gruppe begrüßt. Für die drei war das Ziplining Neuland, welches sie nun erleben wollten. Ihr Leiter hieß Ben und war maximal fünfundzwanzig, wie Gwen ihn aus dem Bauch heraus taxierte. Er hatte schulterlange blonde Haare, die er zu einem Zopf hochgebunden hatte. Er wäre bestimmt auch gut als Surflehrer durchgegangen, überlegte Gwen, während sie sich dabei ertappte, seinen muskulösen Körper anzustarren. Ben machte seine Sache gut und erklärte das Sicherheitsgeschirr mit den ganzen Gurten sehr professionell. Danach half er jedem hinein und auch beim Befestigen der Gurte. Zu guter Letzt bekam jeder einen Helm, denn sicher ist sicher, wie er meinte.

      Die erste Abfahrt war nur knapp 50 Meter lang und man konnte das Ende zwischen den Bäumen bereits sehen, aber zuerst traute sich keiner den Anfang zu machen. Das sei aber so üblich, meinte Ben und bestimmte Stefan sich als Erster der Abfahrt zu stellen. Stefan sah etwas verkrampft aus, als er durch Ben hinausgeschubst wurde und sich nur an einem Karabinerhaken, an einem Seil hängend, auf die Fahrt zum Endpunkt machte. Dort wartete schon eine Helferin, um ihn in Empfang zu nehmen. Als Stefan den Daumen in die Höhe reckte, um zu signalisieren, dass alles okay war, meldete sich Phil als Zweiter. Auch er absolvierte die erste Strecke meisterhaft und war stolz auf seinen Mut. Gwen war sich auf einmal nicht mehr so sicher, ob das alles eine gute Idee war, aber ließ sich nichts anmerken, als sie sich auf die erste Abfahrt stupsen ließ. Krampfhaft hielt sie sich am Seil fest und versuchte so wenig wie möglich nach unten zu schauen. Hatte sie Höhenangst? Nein, das war keine Höhenangst, ging ihr durch den Kopf, aber warum konnte sie die Fahrt nicht genießen? Die Helferin Jenny nahm sie in Empfang und sie konzentrierte sich darauf, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.

      »Das war klasse, Mama! Wie viele Abfahrten kommen denn noch?«

      »Wir haben die Tour mit sechs Abfahrten gebucht, also kommen noch fünf«, hörte sich Gwen sagen.

      »Na dann weiter zur Nächsten. Ich möchte gerne als Erster fahren!«

      Stefan nahm Phil an die Hand und zusammen mit Jenny, die ungefähr im gleichen Alter wie Ben gewesen sein musste, gingen sie voran zum nächsten Startpunkt. Hinter Gwen rumpelte etwas. Ben war angekommen und entriegelte den Karabiner.

      »Kommen Sie, Lady, wir wollen die anderen nicht warten lassen!«

      Sollte sie das nun als Kompliment verstehen oder spielte er auf ihr Alter an? Du bist heute aber auch schnippisch, man kann dir nichts recht machen, ohrfeigte sich Gwen gedanklich. Na ja, vielleicht kommt ja der Spaß noch mit den weiteren Abfahrten, redete sie sich ein und setzte sich in Bewegung.

      Der Spaß kam nicht. Auch die weiteren Abfahrten absolvierte Gwen, da sie nicht aufgeben wollte, eher missmutig. Was war nur los mit ihr, fragte sie sich mehrfach. Sonst warst du immer für einen Spaß dieser Art zu haben und hattest dich auf neue Abenteuer eingelassen, aber in den letzten Wochen war alles anders. Der Grund erschien ihr sonnenklar zu sein. Sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte, aber sie war nun endgültig in der tiefen Trauer um Paul angekommen.

      Nach einem leckeren Abendessen saßen sie noch am Tresen des Restaurants zusammen und beratschlagten, wie es nun weitergehen sollte.

      »Das habe ich mir auch anders vorgestellt und es tut mir so leid, aber ich will euch auch euren Urlaub nicht vermiesen.«

      »Mama, ich vermisse Papa auch ganz doll, aber wir müssen nun zusammenhalten. Du hast doch noch mich und Stefan und wir brauchen uns alle gegenseitig.«

      Gwen lächelte über Phils Worte. Ganz wie ein Erwachsener, stellte sie zum wiederholten Male fest und nahm ihn in den Arm.

      »Ich muss mich einfach zusammenreißen, dann wird das schon wieder.«

      Stefan versuchte auch etwas zur Stimmungsaufhellung beizutragen. »Oder wir brechen den Urlaub ab und du stürzt dich wieder in die Arbeit. Vielleicht hilft dir das, um wieder auf andere Gedanken zukommen. Allerdings sind wir ja gerade aus diesem Trott ausgebrochen, um mal auf andere Gedanken zu kommen.«

      Gwen schüttelte energisch den Kopf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein, oder? Ich will den Urlaub nicht abbrechen, das wäre schade um die schöne Zeit und das Geld. Ich werde hier schon einen Weg finden, um damit klar zu kommen. Zur Not rede ich mal, sobald wir wieder zu Hause sind, mit unserem Hausarzt. Der hat sicherlich auch noch eine gute Idee. Okay, dann sollten wir uns um etwas Schönes kümmern und unsere nächsten Tage planen, damit ich etwas um die Ohren habe und mich ablenke.«

      Stefan schreckte zurück, als er merkte, dass er hier wohl in ein Wespennest gestochen hatte. Er und Phil konnten Gwens Worten nur zustimmen, da sie beide noch einiges in diesem Urlaub erleben wollten und beließen es dabei.

      Kapitel 5

      Die Planungen der nächsten Tage waren am vergangenen Abend schnell zusammengestellt.

      Gwen freute sich auf einen Wellnesstag im nahegelegenen Vital Resort. Die Rezeption ihrer Unterkunft war bei der Reservierung behilflich und sie stellten für Gwen einen Rundum-Sorglos-Tag zusammen. Es war geplant, die Saunalandschaft mit ihren fünf Saunen und die Thermenlandschaft ausgiebig zu erkunden. Dazu kam noch ein Wellnesspaket, bestehend aus Körperpeeling und einer Massage. Die Männer schlossen sich dem Thermenbesuch an, überließen aber die Wellnessanwendung ausschließlich Gwen. Das sei nichts für Männer, sagten sie und ernteten von Gwen nur ein Kopfschütteln.

      Die Bootstour auf dem Altaussee organisierte Stefan für den nächsten Tag. Mit einem Picknickkorb, den er über ihre Rezeption organisieren ließ, machten sie sich auf den Weg, den Altaussee per Solarboot zu erkunden. Das Wetter spielte mit und die siebenundzwanzig Grad ließen sich mit einem kleinen Lüftchen auf dem See gut ertragen. Am gegenüberliegenden Seeufer beendeten sie ihre Fahrt und picknickten ausgiebig beim Jagdhaus auf den Seewiesen. An den Rückweg wollte keiner so recht denken, als sie alle mit dicken Bäuchen auf der Decke lagen und in den Himmel und auf das Wasser hinausschauten. Stefan beobachtete Gwen sehr genau und er war der Meinung, dass sie sich etwas entspannt hatte. Entweder war es der Saunatag oder auch der heutige Ausflug, der sie an etwas anderes denken ließ. Ihm war aber durchaus klar, dass es einige Zeit dauern würde, bis sie ihren Tiefpunkt überwunden hätte.

      Stefan stellte zur Wahl, ob sie mit dem Boot oder zu Fuß zu ihrem Auto zurückwollten, um wieder in die Unterkunft zu gelangen. Phil hatte in der Zwischenzeit schon einen weiteren Geocache herausgefunden, der am Seeufer verborgen sein musste. Daher nahm er den Erwachsenen die Wahl ab und sie fügten sich der Entscheidung zu Fuß zu gehen. Auf etwa halben Weg zu ihrem Parkplatz fand Phil auch, wonach er gesucht hatte.

      Durch seine Erfolge dermaßen angespornt, hatte er sich in den Kopf gesetzt, den nächsten Tag zu einer Geocachewanderung zu machen.

      »Hier sind wir neulich abgebogen, um zum Ziplining zu kommen. Diesmal müssen wir weiter in Richtung der Lichtung!«, rief Phil aufgeregt, sprang von der Bank auf und lief voran.

      »Wir sind schon einige Stunden unterwegs und sollten vielleicht langsam an den Rückweg denken«, warf Gwen ein und massierte sich die Oberschenkel und Waden.

      »Nun lass uns noch zur Lichtung gehen, damit Phil seinen Travelbug bergen kann, der dort versteckt sein soll. Er hatte das für neulich ja schon geplant, als wir dann zum Ziplining abgebogen waren. Danach werde ich vorschlagen den Rückweg anzutreten.«

      Gwen nickte zustimmend und stöhnte, als sie sich von der Bank erhob und in Bewegung setzte. Bei jedem ihrer Schritte spürte sie den Muskelkater in den Waden. Durch die ganze Schreibtischarbeit war sie die körperliche Anstrengung gar nicht mehr gewohnt.

      Phil war aufgeregt schon etwas vorausgelaufen, blieb dann aber stehen, um auf die beiden zu warten.

      »Nun macht schon, ich will doch noch den Travelbug finden!«, rief Phil ihnen zu.

      »Was ist das denn eigentlich?«, gestand Gwen ein, keine Ahnung zu haben, wovon er und Stefan eigentlich sprachen.

      »Mama, das ist doch ganz einfach. Ich erkläre es dir noch einmal. In manchen Geocaches liegen nicht nur Dinge zum Tauschen und ein Logbuch, in welches man sich eintragen kann, sondern