Hintertüren. Dirk Lützelberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Lützelberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752993912
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freut mich zu hören. Soll ich Ihnen eine Kopie der Akte anfertigen, damit Sie die Informationen mit nach Deutschland nehmen können? Sie könnten dann auch direkt die Schwester ausfindig machen. Vielleicht wohnt sie ja in der Nähe. Zumindest könnten Sie dann dem Medikamentenmissbrauch, so würde ich ihn mal bezeichnen, nachgehen. Ich würde dann die Akte hier in Österreich schließen und meinen Vorgesetzten informieren, wenn es recht ist?«

      »Und ob uns das recht ist. Stefan, was meinst du?«

      »Der Fall würde eh bei uns landen, um die seltsamen Umstände seines Todes zu hinterfragen. Dann können wir ihn auch gleich mitnehmen und du kannst dich auf der Rückfahrt schon einarbeiten.«

      Gwen und Wedelmaier nickten fast synchron.

      »Denken Sie bitte daran die Gerichtsmedizin zu informieren, damit die Haaranalyseergebnisse direkt zu meiner Mutter nach Kiel geschickt werden«, warf Phil neunmalklug ein.

      Gwen und Stefan konnten sich das Lachen nicht verkneifen, denn Phil wollte ja beim ›Aufmischen‹ helfen. Der Bezirksinspektor schaute alle drei irritiert an und stimmte verkniffen mit in das Lachen ein.

      Wieder in der Ferienanlage, machte sich Gwen über die Akte her. Viel war es bisher nicht. Sie beschrieb, wie der Bezirksinspektor durch Gwen von dem Vorfall informiert wurde. Ihre Adressdaten waren im Bericht hinterlegt, ebenso, wie Zeit und Ort des Auffindens von Herrn Schörff. Nach dem Abgleich seiner Fingerabdrücke hatte sich seine Identität schnell herausgestellt. Bis hierher deutete alles auf einen Sportler hin, der vielleicht an einer Überanstrengung oder an anderen unglücklichen Umständen zu Tode gekommen war. Es war klar, dass äußere Gewalteinwirkung als Todesursache ausschied. Der Bericht der Gerichtsmedizin wimmelte wie üblich nur so von Fachbegriffen und weder Gwen noch Stefan waren in der Lage, die Einzelheiten zu übersetzen und zu verstehen. Der Bezirksinspektor hatte zwar seine Erinnerung des Berichtes mit ihnen geteilt, aber Gwen fühlte sich unbehaglich, sich nur auf die Aussage eines Amateurs zu verlassen. Ziemlich schnell war somit klar, dass sie professionelle Hilfe brauchten. Gwen wollte nicht warten, bis sie zurück in Kiel und bei der Arbeit waren und hatte zum Telefon gegriffen, um ihren langjährigen Freund und Kollegen in der Gerichtsmedizin, Dr. Michael Peters, anzurufen. Dr. Peters war wie kein anderer in der Lage, auch komplizierte Sachverhalte mit einfachen Worten zu beschreiben.

      Gwen aktivierte das Freisprechen ihres Mobiltelefons, damit Stefan und Phil mithören konnten. Gwen las den Bericht der Gerichtsmedizin Stück für Stück vor. Bei allen Fremdworten und Fachbegriffen kam sie sich wie ein Anfänger vor, der versuchte seine ersten Worte zu lesen. Michael unterstützte sie, da er aus dem Kontext natürlich auf die richtigen Worte schließen konnte. Nachdem Gwen mit dem kompletten Bericht fertig war, fasste der Gerichtsmediziner die wichtigsten Erkenntnisse umgangssprachlich zusammen.

      »Euer toter Jogger, Herr Schörff, litt an einer Herzmuskelentzündung. Die Medikamente, die er in seinem Körper hatte, waren nicht geeignet, um diese Erkrankung zu bekämpfen. Das heißt, es stellt sich die Frage, warum er die Präparate genommen hatte. Denkbar wäre, dass er eine Erkrankung hatte und diese mit den Medikamenten kurieren wollte. Dazu wäre normalerweise ›ein‹ Präparat ausreichend gewesen. Es hätte in wesentlich niedrigerer Dosierung angeschlagen und …«, er machte eine Kunstpause, um die Spannung zu steigern, »… er hätte Präparate genommen, die auch in Deutschland zugelassen waren.«

      Stefan und Gwen sahen sich an. Ratlos. Was hatte das nun zu bedeuten? Warum nahm jemand teilweise nicht zugelassene Medikamente in hohen Dosen ein? Und woher hatte er diese? War die Überdosierung vielleicht nur ein Versehen oder verfolgte er ein Ziel mit der Einnahme?

      »Michael, Herr Schörff war ja Sportler. Kann es sein, dass diese Medikamente zur Leistungssteigerung genommen worden waren?«, fragte Stefan, um der Auslotung der Optionen eine neue Richtung zu geben.

      »Nein, Stefan. Die Substanzen sind komplett ungeeignet, um eine Leistungssteigerung oder gegebenenfalls auch einen Muskelaufbau zu bewirken. Als Sportler hätte er das gewusst. Ich möchte sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass die Medikamente vielleicht sogar schuld an seiner Herzmuskelentzündung waren.«

      »Wie das?«, fragte Phil ungläubig.

      »Wenn ihr zum Beispiel an einem Infekt erkrankt seid und ein Antibiotikum nehmen müsst, so solltet ihr immer davon Abstand nehmen Sport zu treiben. Weder Kraft- noch Ausdauersport! Alles zusammen ist für den Körper zu anstrengend. Gegen eine Entzündung anzugehen und noch Leistung beim Sport zu zeigen. Eine Auswirkung könnte in der Tat eine Herzmuskelentzündung sein. Wenn ihr dann weiter Sport treibt, anstatt euch zu schonen, kann das Herz letzten Endes schlappmachen und ihr erleidet einen Herzinfarkt.«

      Stefan nickte zustimmend und bestätigte Dr. Peters: »Davon habe ich auch schon gelesen.«

      Gwen dachte laut weiter. »Das ist alles sehr mysteriös. Wenn er wirklich an einem Infekt litt und die Medikamente von einem Arzt erhalten hatte, hätte dieser ihn nicht auch über die Risiken aufgeklärt? Aber warum die Schmerzmittel? Und warum in den hohen Dosen?«

      »Gebt mir bitte eine Minute, ich möchte etwas nachschauen«, bat Michael die Kollegen um Geduld.

      »Das ergibt doch alles keinen Sinn«, fing Phil an.

      »Nein, da hast du recht. Wir können uns da bisher auch keinen Reim drauf machen. Oder hast du noch eine geniale Idee, Gwen?«

      Gwen schüttelte nachdenklich den Kopf, als Dr. Peters wieder das Wort ergriff.

      »Ich habe mal nach Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Medikamente geschaut. Ihr werdet es nicht glauben.«

      »Nun spann uns nicht auf die Folter«, forderte Gwen ihren Freund auf, auf den Punkt zu kommen.

      »Eines der Medikamente wurde deshalb vom Markt genommen, weil es nach einer Langzeitanwendung zu Herzrhythmusstörungen kam. Hier ist nicht auszuschließen, dass das Herz auch einen Infarkt erleidet. Weiterhin erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes bei gleichzeitiger Einnahme des Antibiotikums und eines der Schmerzmittel. Bei den hohen Dosen, in denen er die Medikamente zu sich genommen hatte, geht meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt gegen einhundert Prozent. Es ist natürlich nicht mit Sicherheit zu sagen, dass es dazu kommt oder auch wann, aber das Risiko ist beträchtlich. Die Schmerzmittel haben bestimmt auch die Symptome der Herzinsuffizienz, wenn er überhaupt welche hatte, abgemildert.«

      »Vielleicht nahm der die Drogen nicht absichtlich?«, warf Phil ein und die Erwachsenen schwiegen.

      Irritiert sahen sie sich an und versuchten den neuen Aspekt zu verarbeiten und mit dem bisher Gehörten in Einklang zu bringen.

      Stefan fasste den Gedanken als erster auf und versuchte ihn in den Kontext einzuordnen. »Wenn er nicht wusste, was er zu sich nahm, würde das erklären, warum er so eine hohe Konzentration in seinem Körper hatte. Ebenso wäre das eine plausible Erklärung, warum er diese spezifische Mischung genommen hatte. Allerdings erklärt das nicht die Absicht, warum ihm jemand diese Mixtur verabreichen wollte und woher die nicht mehr zugelassenen Medikamente stammten.«

      Dr. Peters stimmte Stefan zu: »Das ist vollkommen richtig. Mich beschleicht das Gefühl, dass ihr da etwas Größerem auf der Spur seid und Gwen es bestimmt kaum erwarten kann, wieder in Kiel zu sein?«

      Stefan sah Gwen an, die bis über beide Ohren strahlte.

      »Da scheinst du richtig zu liegen, Michael«, gab Stefan mit einem Lächeln zu.

      »Dann sehen wir uns in ein paar Tagen. Genießt die verbleibende Zeit. Ich freue mich auf euch.« Michael hatte aufgelegt.

      Stefan sah Gwen an und stellte fest, dass ihre Traurigkeit wie verflogen war. »So war das zwar nicht geplant, aber mir scheint, dass du dich auf die Aufgabe freust.« Er nahm ihre Hand und griff auch die von Phil. »Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit euch.« Alle drei lachten.

      Der Urlaub war sowieso morgen zu Ende und Gwen konnte es kaum erwarten, wieder zu Hause zu sein, um erste Nachforschungen anzustellen. Sie plante in Gedanken schon die ersten Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub, als ihr Telefon klingelte. Die Telefonnummer