Hintertüren. Dirk Lützelberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Lützelberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752993912
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Daumen hoch, um zu signalisieren, dass er einverstanden war.

      »So machen wir das. Wir schauen am besten morgen gleich mal im Reisebüro vorbei, um zu buchen, damit wir es uns nicht mehr anders überlegen und wir sprechen nachher mit Phil, wenn er nach Hause kommt.«

      »Du hast recht!«, bestätigte Gwen Stefans Vorhaben und entspannte sich innerlich. Sie war froh einen Weg gefunden zu haben, um etwas Abstand zu gewinnen und abzuschalten.

      ♦♦♦

      Phil war hin- und hergerissen zwischen der Freude auf den bevorstehenden Urlaub und Frust, dass er seine Planungen mit Benoit nun nicht mehr umsetzen konnte. Am Ende überwog dann aber doch die Aussicht darauf, mit seiner Mutter und Stefan einige, gemeinsame Zeit zu verbringen. Phil war hier genau wie seine Mutter, sehr pragmatisch veranlagt. War es nicht die eine Lösung, dann war es eben eine andere. Es gab immer einen Weg. So hatte es Gwen ihm sein ganzes Leben lang beigebracht und sowohl ihr sonniges Gemüt als auch ihre optimistische Ader an Phil weitergegeben. Phil war am nächsten Tag gleich zu Benoit gefahren, um ihm von den Neuigkeiten zu erzählen. Er wusste zwar noch nicht genau, wohin der Urlaub ging oder was sie unternehmen würden, aber es sollte zum Wandern in die Berge gehen. Soviel stand schon mal fest.

      Es war ein normaler Wochentag. Gwen und Stefan mussten arbeiten und obwohl Schulferien waren, konnte Gwen nicht den ganzen Tag auf Phil aufpassen, sodass Beth zeitweise einsprang, um nach dem Rechten zu sehen und um Phil mit Mittagessen zu versorgen. Beth war schon immer ein Familienmensch und half, wo sie nur konnte. Gwen hatte ihre Mutter gerne an ihrer Seite, da sie nicht nur eine Stütze in der schweren Zeit, seit dem Tode von Paul, sondern in ihrer unaufdringlichen Art jederzeit ein gerngesehener Gast war. Trotz ihrer dreiundsiebzig Jahre war Beth immer noch sehr fit und beweglich, was sicherlich auch an ihrem interessierten und offenen Wesen lag, wodurch sie zu allerlei Unternehmungen der Familie mitgenommen wurde. Beth und ihre Tochter waren sich im Telefonat gestern Abend allerdings sehr schnell einig gewesen, dass es keine gute Idee war, als ›Oma‹ noch auf Berge zu steigen oder im Gebirge zu wandern. Beth äußerte den Wunsch, dass sie sich mit Stefan und Phil eine schöne Zeit machen und danach berichten sollte.

      So waren Gwen und Stefan nach Dienstschluss im Reisebüro ihres Vertrauens, um sich ausgiebig beraten zu lassen und um schließlich zu buchen. Die Entscheidung war schnell gefällt. Durch Gwens Vorstellungen hatten sie sich schnell auf die österreichischen Alpen geeinigt und der Wunsch zum Wandern und Erholen ließen sich dort auch hervorragend umsetzen. Sie buchten ein schönes Holzhäuschen in einer kleinen Ferienanlage, die im Winter zum Skifahren und im Sommer zum Wandern einlud. Um den Ferienort herum waren ausreichend Möglichkeiten, die Berge zu erforschen und der Altausser See eignete sich geradezu zum Fahrradfahren.

      Gwen fühlte sich mit ihrer Entscheidung wohl und die Tage waren gezählt, bis sie losfahren konnten. Knapp zwei Wochen würde es nur noch dauern. Ihr Chef im LKA hatte zwar einen Moment etwas kritisch geschaut, als sie mit dem Wunsch, sehr kurzfristig Urlaub nehmen zu wollen, an ihn herantrat, aber da er in den letzten Wochen mitbekommen hatte, wie sehr sich Gwen immer mehr zurückzog, war ihm klar, dass dies ein notwendiger Schritt sein würde, um wieder die alte Gwen, die fröhliche Gwen, zurückzubekommen. Auch die Beziehung zu Stefan war ihm nicht verborgen geblieben und so wunderte er sich wenig, als kurze Zeit später Stefan mit dem gleichen Wunsch auf ihn zukam und ebenso kurzfristig Urlaub beantragte.

      Wieder zu Hause ließen sich beide in Gwens Wohnzimmer nieder, um auf die Urlaubsplanung anzustoßen. Phil kam wenig später auch wieder nach Hause und gesellte sich zu den beiden, die sofort von den Neuigkeiten berichteten und den Urlaubsort beschrieben. Phil war begeistert und zückte gleich sein Handy, um nach dem Ort zu googeln. Das, was er sah, gefiel ihm sehr gut und er schaute sich auch die Geocaches an, die in dem Ort zu finden sein würden. Hier grinste er bis über beide Ohren.

      »Wenn ich auch nur einen einzigen Geocache finden würde, hätte ich in meiner Statistik einen Länderpunkt für Österreich! Da muss sich Benoit warm anziehen, wenn er mich einholen will. Ich hätte dann auch gleich den südlichsten Cache gefunden, denn Benoit war bisher nur in München und hatte aber dort erfolgreich nach Geocaches gesucht. Das muss ich ihm gleich texten.« Phil plapperte weiter vor sich hin, als er in seinem Zimmer im ersten Stock verschwand. Gwen und Stefan schauten sich nur sprachlos an und lächelten.

      »Da haben wir wohl einen Volltreffer gelandet«, sagte Gwen.

      »Ja, es freut mich, wenn sich Phil dort auch wohlfühlt, aber in erster Linie geht es hier um dich. Damit du mal abschalten kannst und zur Ruhe kommst.«

      »Wie immer hast du recht.«

      »Was hat er nur mit diesen Geocaches?«, wunderte sich Stefan.

      »Das fing vor einigen Jahren an. Es war die beste Möglichkeit Kinder aus dem Haus zu locken, wenn du mich fragst.« Sie zwinkerte ihm zu. »Die Geocaches sind im Internet in einer großen Datenbank verzeichnet. Die genaue Position ist über die GPS-Koordinaten gegeben und viele der Caches erzählen auch eine Geschichte oder bergen Geheimnisse. So wird ein Sonntagsspaziergang zu einer interessanten Unternehmung. Man suche sich einen Weg, an dem der Sohn versucht seine Geocaches zu finden, um sich in der besagten Statistik Punkte zu sichern und schon ist er motiviert mal wieder an die frische Luft zu kommen. Natürlich muss er dabei sein Handy mitnehmen und starrt die ganze Zeit drauf, um den richtigen Weg zum Cache zu finden. Du darfst also nicht erwarten, dass er kommunikativer werden würde, aber immerhin kommt er mal aus seinem Zimmer raus und hängt nicht immer an seinem Computer.«

      »Ich verstehe. Und über die Statistik vergleicht er sich mit Freunden?«

      »Genau. So habe ich das zumindest verstanden. Daher ist er so erpicht darauf, den südlichsten, nördlichsten, westlichsten oder östlichsten Cache zu finden. Weiterhin wird gespeichert, wann er die meisten Caches an einem Tag gefunden hat, in wie vielen verschiedenen Ländern er schon welche fand und welchen Schwierigkeitsgrad die Caches hatten.« Gwen überlegte, dann sprach sie weiter. »Einmal hatte er einen extrem schwierigen Geocache finden wollen. Er hieß ›Du kannst mich sehen!‹. Das hätte schon Warnung genug sein sollen, denn als wir an dem verzeichneten Ort ankamen, standen wir vor einer über mehrere hundert Jahre alten Eiche. In der Höhe von mindestens zehn Metern konnte man eine Schachtel sehen, die in einer Astgabel befestigt war. Da wir nun weder mit einer Leiter noch mit einem Klettergeschirr ausgerüstet waren, wollte Phil einfach so auf den Baum klettern. Du kannst dir sicherlich vorstellen, was das für eine Diskussion gegeben hat.«

      Stefan nickte verständnisvoll. »Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Lass uns mal sehen, was er diesmal für Caches besuchen möchte und wie gefährlich das wird. Mach dir keine Sorgen, ich unterstütze dich bei den Diskussionen.«

      ♦♦♦

      Die letzten zwei Wochen vergingen wie im Fluge und endlich war der große Tag da, um in den bitter benötigten Urlaub aufzubrechen. In der vergangenen Zeit musste Gwen immer wieder an Paul und ihre gemeinsamen Reisen zurückdenken. Sie wurde sehr traurig und versuchte sich mit ihrer Arbeit abzulenken, was aber nur teilweise gelang. Ihre Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis. Schließlich sagte sie sich, dass jeder auf seine eigene Weise trauerte und sie nicht der Typ war, der sich ein Jahr in schwarze Kleidung hüllt und sich das Lachen verkniff.

      Das Packen war Gwen schon immer ein Graus gewesen. Hatte sie an alles gedacht? Was, wenn noch etwas fehlte oder ihre Kleidung nicht zum Wetter passte? Dadurch würde sie sich aber den Urlaub nicht vermiesen lassen. Nicht, bevor er überhaupt angefangen hatte. Also legte sie Ihre Sachen heraus, die kombiniert am meisten Sinn ergaben und mit denen sie für alle Wetter gewappnet sein würde. Als sie die Stapel an Kleidung auf ihrem Bett und dem Fußboden überblickte, kamen ihr schon Zweifel, ob sie das alles überhaupt in den Koffer bekäme. Sie holte tief Luft und ging zu ihrem Sohn ins Zimmer.

      Phil war mit dem Packen bereits fertig. Er war gerade einmal fünfzehn Jahre alt, aber in manchen Dingen schon sehr weit entwickelt, dachte Gwen stolz. Sie hatte ihm einen eigenen Koffer zum Packen herausgestellt und jetzt hatten alle Dinge bereits darin ihren Platz gefunden. Sie konnte es kaum glauben.

      »Bist du etwa schon mit Packen fertig, Phil?«, fragte Gwen ungläubig.

      »Aber klar doch, Mama. Alles drin. Schuhe,