Die Ungeliebten. Anita Florian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anita Florian
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738078459
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sie manchmal eine Flasche Bier aus einer der Kisten zu stibitzen, die im Keller sorgfältig aufgeschlichtet waren. Das war natürlich das Eigentum ihres Ehemannes, der so gut wie nie den Keller betrat, stets seine Frau losschickte, um die Flaschen für ihn zu holen. Langsam begann auch sie zu trinken. Anfangs nahm sie nur eine Flasche, kostete einen Schluck und bald wurden aus den winzigen Schlucken wahre Bäche, die sie sich gierig in ihren Bauch goss. Schon nach kurzer Zeit fand sie Gefallen an dem Geschmack und den Glückszustand, den sie schon bald nicht mehr missen wollte. Rasch wurde es zur Gewohnheit und so stieg der Alkoholkonsum ständig an. Udo hatte also eine Verbündete im Haus, seine eigene Ehefrau. Trotzdem vermied sie es, vor den Kindern oder vor Udo Alkohol zu trinken. Sie schämte sich. Udo machte sich keinen Hehl daraus, gleich nach dem Aufstehen, noch vor dem Frühstück, köpfte er die erste Flasche, setzte sie an seinem Mund und im Nu war der Inhalt in seine Blutbahn geflossen. Dieses Bild bot sich täglich, aber Albine blieb stumm.

      „ Hast du die Frau drüben schon gesehen?“ begann sie zu sprechen während ihr Mann am Tisch lümmelte.

      „Wo soll ich die denn gesehen haben, sind doch erst seit gestern hier.“ Albine stellte zwei große Becher Kaffee auf den Tisch.

      „Milch!“ fuhr Udo sie an und schüttelte verständnislos den Kopf.

      „Bin schon dabei“, dieser Ton war bei Udo schon längst zur Gewohnheit geworden, also wozu sich gleich in der Früh aufregen, also tat Albine das was ihr geheißen. Sie setzte sich zu ihm an den Tisch, rührte ihren Kaffee um, obwohl sie keinen Zucker nahm. Udo schlürfte laut an seinem heißen Getränk und zündete sich gierig eine Zigarette an.

      „Die Frau hat Angst, große Angst“, sagte Albine zu ihrem Mann gewandt, der sich mit der linken Hand über seine Bartstoppeln fuhr.

      „Vor was denn, das bildest du dir ein“, er zeigte keinerlei Interesse.

      „Nein, sie war ziemlich erschrocken als sie mir gestern öffnete, als würde sie gerade einen Geist ins Antlitz blicken.“ Albine goss sich noch Kaffee nach.

      „Kein Wunder, bei deinem Anblick“, spöttelte Udo, auch daran war Albine schon längst gewöhnt. Sie überhörte seine Anspielungen, wich geschickt aus, wenn Udo wieder einen seiner angriffslustigen Tage hatte.

      „Das Kind ist recht niedlich, ein scheues Wesen, hat sich sofort hinter dem Mantel der Mutter versteckt, blinzelte unentwegt hervor, ich musste fast lachen, war irgendwie lustig anzusehen.“ Sie steckte sich ebenfalls eine Zigarette an.

      „Hast du ihr den Brief gegeben?“ wollte Udo sofort wissen.

      „Natürlich, ich habe ihn nicht aufgemacht, keine Sorge.“ Sie grinste.

      „Ich kenne doch deine Neugierde“, warf Udo ein, „sag mir jetzt die Wahrheit!“ Er klang etwas aufgebracht, neugierige Frauen konnte er nicht ausstehen, und auch bei Albine gab es keine Ausnahme.

      „Ich habe den Umschlag nur an das Fensterlicht gehalten, ich habe ihn hin und her gedreht, ein paar Zeilen mit der Schreibmaschine getippt ist drin, nichts mit der Hand geschrieben, hab’s aber auch nicht entziffern können, die Buchstaben schimmerten zu unklar durch. Ich hab’s ja Ignazia versprechen müssen ihn rüberzubringen, du weißt schon, sie kam vor ein paar Tagen angerannt und bekniete mich förmlich, dass ich ihr den Gefallen tue.“ Sie zog kräftig an ihrer Zigarette und blies den Rauch in Udos Richtung. Udo aber hörte schon längst nicht mehr zu. Ihn interessierte das alles nicht. Er kannte seine Frau nur zu gut. Er räusperte sich und wollte mit dem Kram seiner Gattin nichts zu tun haben.

      „Bring mir das Rasierzeug und vergiss den Spiegel nicht!“ befahl er ihr. Albine stand auf und holte aus dem Schlafzimmer Rasierpinsel, Seife, Rasiermesser und aus der Küche eine Schale mit Wasser. Gerade als Udo wieder aufbrausen wollte, brachte Albine den kleinen Spiegel und knallte ihn auf den Tisch. Udo pflegte sich immer am Küchentisch zu rasieren, dabei konnte er bequem auf seinem Sessel sitzen bleiben. Obwohl dies Albine gar nicht gerne sah, und es ihr lieber wäre, dass er aufstünde und seine morgendliche Rasur an der Spüle verrichten solle, zog sie es vor, ihn lieber nicht darauf aufmerksam zu machen. Er hatte noch bis zu Mittag Zeit bis er zur Arbeit musste. Albine fürchtete, dass er dann schlecht gelaunt und streitlüstern abends wieder auftauchen würde. Im nüchternen Zustand war er noch unausstehlicher, seinen angestauten Ärger ließ er an der armen Ehefrau ab und Albine blieb nichts anderes übrig als wieder die Toilettentür hinter sich abzuschließen und darauf warten, bis sich ihr Mann wieder beruhigte. In der folgenden Woche begann Udos Schicht um 14 Uhr und endete um 22 Uhr abends. Diese Nachmittage wo sie meistens alleine zu Hause war, liebte sie geradezu, ein paar Flaschen Bier hatte sie sich schon bei Seite geschafft. In meiner Kellerecke werde ich mir ein paar Schlucke genehmigen, dachte sie, wohl wissend, dass mehrere Flaschen daran glauben mussten.

      „Wer bist du denn?“ Bernadette drehte sich erschrocken um. Vor ihr stand ein molliges, kleines Mädchen, dass gerade aus einem der beiden Hauseingängen gelaufen kam. Bernadette blickte in ein Paar blitzblaue Augen, die Kleine schien in ihrem Alter zu sein und war etwas kleiner als sie. In der Hand hielt sie einen riesigen roten, klebrigen Zuckerlutscher an dem sie dauernd leckte. Die handgestrickte graue Weste war ihr viel zu eng, die graue Strickhose war zu kurz und spannte eng über ihre kräftigen Waden. Am Kopf trug sie eine Mütze aus demselben Material, sicher von ihrer Mutter angefertigt. Die blonden Haare guckten wie kurze Strohstoppeln hervor.

      „Ich heiße Bernadette“, sagte sie leise, „und wie heißt du?“

      „Tanja heiß ich, magst du mal ablecken?“ und hielt ihr den tiefroten Lutscher unter die Nase. Bernadette schüttelte den Kopf. Vormittags zu naschen wurde ihr noch niemals erlaubt, obwohl sie die Verlockung reizte, doch sie wollte lieber nichts riskieren. Den süßen Geschmack würde sie nur zu gerne genießen, aber sie wusste, Süßes verleitet doch zu noch viel mehr von diesen Zeug. Irgendwo hatte sie gehört, dass Süßes am Morgen den Magen verderben könnte, Bauchschmerzen verursachen und sogar ins Krankenhaus könnte sie kommen. Das wollte sie nicht herausfordern und verzichtete auf die verlockende Köstlichkeit. Die rote Zuckerscheibe am dünnen Stiel, den Tanja fest umklammert hielt, leuchtete tiefrot in der Sonne. Auch Tanjas Zunge hatte die rote Farbe schon angenommen.

      Tanja musterte nun das neue Mädchen mit neugierigen Blicken. Bernadette starrte sie ernst an und wartete bis sie wieder zu sprechen begann. Sie selbst hatte nicht den Mut, den Anfang zu machen.

      „Ist dir nicht kalt, meine Mutter würde mich nicht so….“, sie zeigte mit ihren kleinen, dicken Zeigefinger auf sie, „ ins Freie lassen.“ Tanja fiel Bernadettes leichte Kleidung auf und machte ein lautes „brr“. Erst jetzt bemerkte Bernadette, dass sie ihren Mantel nicht angezogen hatte, er lag noch auf dem Bett. Ihre Mutter dürfte sie nicht so leicht bekleidet sehen, das wäre ein Anlass, sie fürchterlich auszuschimpfen und schlimmstenfalls käme auch die Strafe eines Hausarrests auf sie zu.

      Sie fror nicht mehr, die Sonne schien mittlerweile und gab ein wenig Wärme ab. Die Temperatur stieg ein wenig an.

      „ Hab ich vergessen, meine Mutter ist nicht da“, antwortete Bernadette schüchtern und starrte auf Tanjas Lutscher.

      „Ach so, meine schon, die ist drinnen, wir wohnen gleich da…..“ Tanja zeigte mit ihren dicken Finger an ein Fenster im Parterre, dass gleich darauf aufgerissen wurde und eine resolute Frauenstimme rief: „ Tanja, komm sofort herein, Essen ist fertig!“

      „Servus, “ rief sie, „ du hast ja gehört, es gibt Essen.“ Und weg war sie und lief wie ein Blitz in den Hauseingang zurück.

      Jetzt hörte Bernadette auch die Kirchenglocken vom Dorfplatz herüber läuten, das bedeutete, dass es Mittag ist, Punkt 12 Uhr. Schnell rannte sie wieder zurück. Das kleine Gartentor wurde aufgerissen und Udo Edler trat mit wackeligen Schritten aus dem Vorgarten, beugte sich zur Seite und spuckte einen riesigen Batzen gelber Spucke auf den Boden. Bernadette erschrak und blickte diesen böse dreinblickenden Mann mitten in das rote, aufgedunsene Gesicht. Er nahm keine Notiz von ihr und entfernte sich rasch in Richtung Landstraße. Er hustete laut, während er seine Zigarette hastig zum Mund führte und immerzu gierig daran zog. Langsam schritt Bernadette wieder in das Haus zurück und bemerkte die offene Kellertür, die neben der Treppe