An mein Ohr drang, erst ganz leise, ein merkwürdiges Lachen. Es wurde immer lauter. Ich öffnete meine Augen und wäre am liebsten weg gesprungen, aber es ging immer noch nicht. Vor mir stand eine Ziege und mir wurde klar, wen ich da geküsste hatte. Das Lachen, welches wie eine Gegacker klang, kam von Herrn Eisig. Neben ihn stand Frau Meyer und grinste über das ganze Gesicht.
Die Ziege musterte mich. Ihr Blick veränderte sich zu einem hungrigen Starren. Ich wollte auf meine Hände schauen, doch ich sah keine mehr und als ich an mir hinunter sah, erschrak ich. Aus mir war ein Grashalm geworden. Jetzt stieg in mir Panik auf und sie vergrößerte sich, nachdem ich bemerkt hatte, wie klein ich geworden war. Ich fühlte wie die Ziege das Gras vor mir abfraß. Sie würde mich gleich erreicht haben und ich konnte nicht weg. Ich wollte schreien, nur als Grashalm kann man nicht schreien. Weg rennen war auch nicht möglich. Ich hörte Herr Eisig immer noch lachen und auch Frau Meyer schien sich nicht mehr beherrschen zu können. Sie lachte auch.
Die Sonne verfinsterte sich, aber es waren keine Wolken, die dafür verantwortlich waren. Es war das Ziegenmaul, welches sich mir unaufhaltsam näherte. Ich hatte nun einen sehr guten Blick. Die Ziege musste unbedingt zu einem Zahnarzt. Was einem so alles einfällt, kurz bevor man gefressen wird. Ich spürte wie mich die Zunge der Ziege packte und mich durch fuhr eine Schmerz. Dann war nichts mehr.
5.
Ich schreckte hoch. Was war denn das für ein merkwürdiger Traum. Der Schmerz, den ich spürte, kam von meinem Arm. Wahrscheinlich hatte ich die ganze Zeit auf ihn gelegen. Wie verrückt der Traum doch war. Eigentlich erinnerte ich mich nicht so oft an meine Träume, dieser war allerdings sehr intensiv gewesen. Die Ereignisse der letzten Tage hatten mich anscheinend mehr mitgenommen als mir bewusst war.
Wie spät war es eigentlich? Ich schaute auf den Wecker. Es war viertel nach vier, also legte ich mich wieder hin. Meine Gedanken kreisten noch eine ganze Weile um den Traum, bevor ich einschlief.
Trotz der Unterbrechung, hatte ich keine Probleme am nächsten Morgen aufzustehen. Seit zwei Tagen regnete es ohne Unterbrechung und der Wetterbericht versprach keine Besserung.
Es war auch der erste Tag an dem Charly und ich nur noch die Treppe zu unserer Arbeit nehmen wollten. Ich war ein wenig überrascht als ich ankam, denn ich rechnete damit, dass Charly das Ganze nicht durch ziehen würde. Doch er wartete brav vor dem Treppenaufgang. Wir entschieden uns, es am Anfang gemütlich angehen zu lassen. Deswegen brauchten wir eine Weile, bis wir ganz oben waren. Charly atmete hörbar schwerer als sonst.
Frau Meyer kam ein weiteres Mal nicht pünktlich. Gerade als sich Charly aufregen wollte, gingen die Fahrstuhltüren auf. Im Fahrstuhl war niemand geringeres als Frau Meyer, diesmal nur mit Jeans, einen schlichten Pullover und einem Blazer bekleidet. Sie sah richtig sexy darin aus. Ohne ein Wort der Entschuldigung, schloss sie die Tür auf.
„Guten Morgen Frau Meyer!“, rief ich ihr hinterher, doch sie reagierte nicht. „Ich dachte sie nehmen immer die Treppe? Herr Blumenberg und ich hatten uns schon so gefreut auf sie. Wir haben ihren Rat beherzigt und haben die Treppe genommen.“ Charly rammte mir seinen Ellenbogen in die Rippe, aber das war mir egal. Frau Meyer blieb stehen. Jetzt würde sicherlich wieder eine ihrer Tiraden kommen. Sie drehte sich zu uns um und ich merkte wie Charly sich anspannte, auch ich bereitete mich auf eine Abfuhr vor. Wider Erwarten geschah allerdings nichts der Gleichen. Frau Meyer schaute uns nur müde an, machte eine abwertende Handbewegung und verschwand ohne ein Wort im Büro.
„Was ist denn mit der los?“, fragte Charly. Ich zuckte nur unwissend die Schultern.
„Ist mir egal. Lass uns weiter machen. Vielleicht werden wir ja heute fertig. Dann hätten wir morgen einen ruhigen Tag.“ Charly schien mein Vorschlag zu gefallen.
Frohgemut machten wir uns an die Arbeit. Ab und an wurden wir von Frau Meyer beobachtet. Gleichwohl hielt sie es weiter nicht für nötig, uns irgendwelche Anweisungen zu geben. Das förderte Charlys Mut. „Sag mal. Holst du deine Tochter morgen wieder ab?“, begann er ein Gespräch. Ich blickte von meinen Bildschirm zum Büro. Frau Meyer telefonierte und ich konnte gefahrlos antworten. „Klar. Direkt nach der Arbeit fahre ich zur Schule und nehme sie mit.“
„Hast du schon etwas geplant für das Wochenende?“
Ich klickte mich gerade durch ein paar Anwendungen, bevor ich weiter sprach. „Noch nicht wirklich. Wir machen das immer gemeinsam. Jeder sagt, was er sich überlegt hat für das Wochenende. Dann pickt erst sie ein Vorschlag raus, danach ich.“
„Aha“, machte Charly nur, während er auf seiner Tastatur tippte.
„Wieso fragst du mich?“, wollte ich, neugierig geworden, wissen. Normal fragte Charly mich nämlich nicht, ob ich Zoé abhole oder was ich mit ihr unternehme.
„Paul fragt, ob wir etwas zusammen unternehmen wollen. Er hat explizit dich und deine Tochter mit eingeschlossen.“
„Ist deine Frau nicht zu Hause?“, fragte ich.
„Nein. Sie hat gestern angerufen. Es dauert diesmal länger. Der Kunde sei sehr hartnäckig, meinte sie.“
Von wegen hartnäckig. Charlys Miene verriet alles. Er liebte seine Frau tatsächlich noch. „Hat sie das schon mal gemacht?“ Charly schüttelte stumm den Kopf.
„Und was hat Paul geplant? Immerhin muss es Zoé ja auch gefallen“, hakte ich nach.
„Ich soll dir sagen, wenn das Wetter gut ist, wollte er in den Zoo und wenn es schlecht ist, ins Kino.“
„Okay ich werde ihr den Vorschlag machen, aber ich kann für nichts garantieren.“
„Vielen Dank Dennis.“ Charly lächelte ein bisschen. Ich hob abwehrend die Hände. „Freu dich bitte nicht zu früh“, versuchte ich ihn in seiner Euphorie zu bremsen. Scheinbar wurde es schlimmer zu Hause. Sonst würde er sich darüber nicht so freuen. „Alleine das du fragst, ist mir schon viel wert“, sagte er. Immer noch lächelnd arbeitete Charly weiter und auch ich kümmerte mich wieder intensiver um die Anwendungen. Ich kam nur nicht weit, denn das Telefon an meinen Platz klingelte. Ich wunderte mich, wer das sein könnte, weil keine Nummer im Display stand. Eigentlich wussten auch nur wir die Nummern der internen Telefone.
„Secure Web, sie sprechen mit Dennis Hussmann“, sprach ich in den Hörer. Zu spät merkte ich, was ich da gesagt hatte. Wir gehörten ja jetzt zu MultiWebNet Company.
„Hier ist Benno“, klang es traurig aus dem Telefon.
„Benno!“, rief ich erstaunt aus. „Was ist los? Du hast doch Urlaub.“
„Klar habe ich den. Ich habe heute einen Brief von MultiWebNet erhalten“, sagte er.
„Haben sie dich gekündigt?“, fragte ich erschrocken.
„Nein so schlimm ist es nicht. Sie wollen mich nur nach Sauerlach versetzen. Da haben sie ein Ausbildungsinternat.“
Ich wusste nicht, ob ich sauer sein sollte oder lachen musste. Zum einen war die Idee gar nicht so übel mit dem Internat. Dort würde Benno Dinge lernen können, die wir ihn nicht so beibringen konnte, da uns die Zeit dafür fehlte. Nur ich glaubte nicht an einen guten Willen bei Herr Eisig. Und wo zum Teufel lag Sauerlach?
„Benno ich halte die Idee für gar nicht so übel“, versuchte ich ihn aufzumuntern. „Du lernst neue Leute kennen, bekommst eine wesentlich besser Ausbildung und du bist unabhängiger.“
„Ihr seid aber die Besten Dennis. Ich habe bei euch so viel gelernt.“ Ich fühlte mich geschmeichelt und ich spürte, dass er auf eine gewisse Art recht hatte in Anbetracht dessen, was ich bis jetzt von meinem neuen Arbeitgeber gesehen hatte.
„Und meine Freundin ist auch hier. Ich will sie nicht verlassen.“ Von daher wehte der Wind also.
„Du lernst bestimmte eine Neue kennen.“ Ich hörte Benno sarkastisch