„Alschoo pasch auf Tinalein.“ Okay ein wenig zu locker. Charly bemerkte es sofort wie er lallte. Er machte sich aber gar nicht erst die Mühe, normal zu sprechen.
„Meine Frau ischt eine seeehr erfolgreiche Vertriebsmanagdingsbums. Sie verkauft für alle möglichen Auftraggeber Waren an Geschäftskunden und schie hat eine super tolle Strategie.“ Charly machte eine Pause, in der er sein Glas leerte. „Sie verführt die Kunden.“
Tinas Augen weiteten sich. Man konnte sehen, wie es in ihr ratterte. Sie starrte uns regelrecht an und brauchte mehrere Anläufe um etwas zu erwidern.
„Sie hat mit anderen Männern Sex?“, entfuhr es ihr dann.
„Ja hat sie und bestimmt hat sie auch noch Spaß dabei“, platzte es aus Paul heraus, der sichtlich wütend über das Verhalten seiner Mutter war.
„Und und und warum lassen sie sich nicht scheiden?“, stotterte Tina weiter.
Charly überlegte ein wenig. Bestimmt suchte er nur nach den richtigen Gedanken. So ein alkoholisierter Kopf ist auch schwerfällig. „Sieh dir das mal alles an.“ Er machte eine ausschweifende Geste mit den Armen. „Das alles hätte ich nicht mehr und ich habe ein ruhiges Leben so.“
„Aber sie könnte sich doch von dir trennen“, warf Paul gehässig ein.
„Wird sie nicht tun. Sie würde zu viel verlieren.“ Wieder eine kurze Pause. Charly musste seine ganze Konzentration aufbieten, damit er weiter sprechen konnte. „Vielleicht liebt sie mich aber noch. Hast du mal darüber nach gedacht, Paul?“
Paul sprang wütend von seinem Platz. „Belüge dich nicht selber Paps! Mama nutzt dich nur aus!“ Die Lautstärke seiner Worte musste Paul selbst erschrocken haben, denn er fuhr etwas leiser fort. „Ich geh ins Bett. Ich muss ja morgen zur Schule. Kommst du mit Tina?“
„Gerne doch mein Schnuckie“, kicherte Tina und Beide gingen Hand in Hand ins Haus.
Eine Zeitlang schwiegen Charly und ich. Durch die Stille, die entstanden war registrierte ich die Grillen, die mit ihrem Zirpen der Stille einen lauten Charakter verliehen.
Irgendwann war mir die Stille dann doch zu laut. „Was machst du, wenn du mal eine Andere kennen lernst?“
Charly schaute mich an. „Welche Frau sollte mich denn haben wollen?“, sagte er resigniert.
„Gibt bestimmt genug. Du hast es nur noch nicht versucht.“
„Ich hab aber keine Lust darauf.“ Er schaute demonstrativ auf die Uhr. „Wir sollten auch ins Bett. Wir wollen doch der Ziege keinen Grund geben, wie eine zu meckern.“
Mit einem kapitulierenden Nicken stimmte ich Charly zu und wir packten alles zusammen. Von der oberen Etage kamen merkwürdige Geräusche und ich hoffte, dass Paul und Tina gleich fertig sein würden, denn das Gästezimmer lag neben Pauls Zimmer. Tatsächlich hatte ich Glück.
Nachdem ich mit dem Zähneputzen fertig war, schliefen die Zwei scheinbar tief und fest. Es war eine himmlische Ruhe und das Gästebett der Blumenbergs war sehr bequem. Bevor ich einschlief, schoss mir eine Erkenntnis durch den Kopf. So konnte es mit Charly nicht weiter gehen. Er hatte was besseres verdient. Da ich schneller einschlief, als gedacht, konnte ich mir fürs Erste keinen Plan überlegen, um das zu ändern. Aber manchmal hilft einem das Schicksal auch weiter.
4.
Als ich aufwachte, wäre ich gerne sofort wieder eingeschlafen. Es war einer der Morgen, an denen man nicht aufstehen wollte. Das lag garantiert am Wein. Den anderen erging es scheinbar nicht besser. Paul bemühte sich erst gar nicht aufzustehen, um in die Schule zu gehen und Charly, der schlimmer aussah als ich mich fühlte, machte auch keine Anstalten, dies zu ändern. Nicht einmal Tina sah ich. Sie blieb gleich mit liegen. Welch ein Leben! Da beneidete ich die Jugend. Ohne zwingende Verpflichtung, konnte diese auch mal den Tag verschlafen.
Charly und mir war dieser Luxus nicht vergönnt, also machten wir uns notgedrungen für die Arbeit fertig.
Im Auto bereute ich es dann komplett, bei Charly übernachtet zu haben, denn er reizte seine Fahrkünste bis auf äußerste aus. Er wechselte öfter, als mir lieb war, die Spur, schnitt nicht nur einmal andere Verkehrsteilnehmer und ich fragte mich unwillkürlich, ob er wusste wo sich die Bremse befand. Aus Angst um mein Leben versuchte ich erst gar nicht ein Gespräch anzufangen, sondern schickte stattdessen einige Stoßgebete in den Himmel. Es schien zu helfen, denn wir kamen ohne einen Kratzer an. Ich holte erst einmal tief Luft, als ich die Wagentür hinter mir geschlossen hatte. „Sag mal, fährst du immer so liberal?“ Charly grinste breit über meine Frage. „Ach komm“, verteidigte er sich. „Die fahren hier doch alle so. Ist dir nicht aufgefallen, wie oft ich geschnitten worden bin?“
„Ist dir nicht aufgefallen, wie oft du an gehupt wurdest?“
„Die meinten mich?“ Charly spielte das Unschuldslamm in Perfektion. Ich warf ihm einen mahnenden Blick zu, doch er ignorierte ihn. „Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass du mit gefahren bist und du hast dich noch nie beschwert.“
„Klar habe ich es nicht. Da konntest du auch, wie die meisten Anderen, vernünftig fahren.“
Kurz darauf hatten wir unseren Arbeitsplatz erreicht, doch die Eingangstür war verschlossen. „Was soll das denn jetzt?“, fragte Charly verärgert. „Die wollen wohl unbedingt, dass wir nicht fertig werden!“
„Die paar Überstunden mehr oder weniger werden wir auch überleben“, kommentierte ich knapp, weil ich mich darüber nicht ärgern wollte.
„Überstunden, die sie freiwillig machen!“ Frau Meyer kam gerade vom Treppenaufgang und versuchte allem Anschein mir den Wind aus den Segeln zu nehmen, was eindeutig nach hinten los ging. „Dann sollten sie nächstes mal früher da sein“, erwiderte ich scharf. „Und der Fahrstuhl ist schneller als die Treppe.“
„Die Treppe hält aber fit, Herr Hussmann.“ Frau Meyers Augen huschten kurz zu Charly. „Vielleicht sollte Herr Blumenberg diese auch benutzen. Sie können ihn ja gerne begleiten. Zu zweit macht Fitness mehr Spaß, habe ich mir sagen lassen.“
Diese Frau war echt das Letzte. Charlys Blick war total versteinert, doch das schien Frau Meyer nicht weiter zu stören. Statt dessen schaute sie ihn nun von oben bis unten an.
Mit zuckersüßer Stimme meinte sie dann: „Ja Herr Blumenberg, ein bisschen Sport würde ihnen wirklich nicht schaden.“
Das reichte mir jetzt! „Schließen sie die Tür auf Frau Meyer, denn entgegen ihrer Annahme, müssen sie die Überstunden bezahlen und das wollen sie dem guten Herr Eisig nicht antun, oder?“
Frau Meyer kam sehr nah auf mich zu, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und zischte mich wie eine Schlange an. „Übertreiben sie es nicht! Ich bin ihre Chefin und ich kann sie ganz leicht raus schmeißen!“ Ich blickte, ohne ein Blinzeln, in ihre Augen doch ich sah nicht die kalte Grausamkeit, die sie uns vormachte. Viel mehr war es ein warmherziger, weicher und wunderschöner Blick, der mich um ein Haar vergessen ließ, dass ich wirklich wütend auf Frau Meyer war.
„Das können sie nicht!“, zischte ich nach einer gefühlten Ewigkeit zurück. „Und sollten sie es doch wagen, kenne ich einen sehr guten Anwalt!“ Wir starrten uns weiter an, bis Charly sich einmischte.
„Könnten sie bitte jetzt die Tür aufmachen, Frau Meyer?“, fragte er matt. Fast tat es mir leid, nicht mehr in ihre Augen zu sehen. Frau Meyer drehte sich von mir weg und schloss die Tür auf. Ohne uns noch eines Blickes zu würdigen, ging sie in ihr Büro. Auch heute passte ihr Hosenanzug perfekt, stellte ich beiläufig fest.
„Kannst du mir bitte verraten was das gerade war?“, fragte mich Charly, als wir unsere Jacken aufhingen.
„Was meinst du?“
Charly schaute mich an wie ein Auto. „Ihr habt euch die