„Ich hol sie immer pünktlich von der Schule ab Elisabeth und sie hatte es sich gewünscht mit den Inlinern zu fahren. Also was soll der Anruf denn jetzt?“, pampte ich zurück.
„Ich will nur sichergehen. Männer werden mit der Zeit immer unzuverlässiger und dem will ich vorbeugen!“
„Okay Elisabeth. Ich werde mir die größte Mühe geben, nicht unzuverlässig zu werden“, antwortete ich im sarkastischen Ton und fragte mich, was in sie gefahren war.
„Und bring sie am Sonntag ja pünktlich zurück“, sagte Elisabeth schroff und legte auf.
Den restlichen Weg zur Arbeit überlegte ich, was das sollte.
Charly erwartete mich im Treppenhaus. Während wir die Stufen erklommen, erzählte ich von dem Anruf.
„Irgendwas hat sich in ihrem Leben verändert“, meinte er.
„Das war auch mein erster Gedanke. Aber sie klang wirklich verärgert.“
„Vielleicht hat sie ja einen neuen Kerl?“, schnaufte er.
„Das wäre möglich. Zoé hat bis jetzt nur nichts erzählt.“ Mir machte das Treppensteigen zum Glück weniger aus als Charly. „Nur müsste sie dann nicht glücklich klingen?“, fragte ich ratlos.
„Frauen sind ein Buch mit sieben Siegeln, Dennis. Wer weiß schon was in denen vor geht.“ Charlys schnaufen wurde immer lauter.
„Da hast du sicher Recht“, gab ich zu und sprach ihn nicht weiter an. Ich wollte nicht die Schuld daran tragen, wenn er zusammen brach, weil er keine Luft mehr bekam.
Wir hatten die sechste Etage erreicht, als wir hinter uns klackernde Schritte hörten die schnell näher kamen. Ich überlegte, ob ich Charly antreiben sollte, sich zu beeilen, doch er atmete so schwer, dass ich den Gedanken sofort verwarf.
„Na Herr Blumenberg. Versuchen Sie abzunehmen oder ist der Fahrstuhl kaputt?“, fragte Frau Meyer gehässig, während sie an uns vorbeilief.
„Ein wenig mehr Respekt würde ihnen auch nicht schaden!“, rief ich ihr hinterher. Sie drehte sich um und wartete bis wir sie fast erreicht hatten. Dabei stemmte sie ihre Hände in ihre Hüfte.
„Respekt muss man sich verdienen, Herr Hussmann.“
„Ich dachte, den hätten wir uns schon verdient, Frau Meyer.“
„Sie sollten weniger denken und viel mehr nachdenken!“, entgegnete sie zickig, drehte sich um und joggte weiter die Treppen hinauf.
„Ganz schön mutig von dir, deine Chefin so anzugehen“, fiepte Charly.
„Das ist nicht mutig, das ist nur dumm Herr Blumenberg!“, schrie Frau Meyer von oben herab.
Ich zuckte nur mit den Schultern und wir gingen die restlichen Stufen ohne weitere Worte nach oben.
Es herrschte die gleiche Stimmung, in der Firma wie immer, seit wir von MultiWebNet geschluckt worden. Frau Meyer saß in ihrem Büro und telefonierte oder schaute auf ihren Computerbildschirm. Damit wir sie nicht noch mehr verärgerten, machte wir unsere Arbeit ohne ein Wort zu wechseln. Während Charly die Kundenbetreuung übernahm, richtete ich die neuen Computer ein. Keine Ahnung wann diese geliefert wurden. Es war mir auch egal. Durch meine Vorbereitung kam ich sehr schnell voran und war kurz nach dem Mittag fertig.
Weil mir langweilig war, entschloss ich mich, bei Frau Meyer vorbeizuschauen. Mich wurmte ihre Gehässigkeit. Ein Versuch sie zurechtzustuzen, konnte nicht schaden. Aus Freundlichkeit klopfte ich dieses Mal an die Türe. Sie schaute kurz auf und winkte mich herein. Ich schloss die Tür und setzte mich.
„Was kann ich für sie tun?“, wollte Frau Meyer wissen, ohne mich dabei anzusehen.
„Haben ihre Eltern ihnen nicht beigebracht freundlich zu sein?“, fiel ich direkt mit der Tür durchs Haus. Sie hörte mit ihrem Getippse auf und blickte mich an. Ihre Augen waren geschwollen. Hatte die Meyer etwa geweint?
„Natürlich haben sie das. Aber was soll die Frage?“ Es war ihr nicht bewusst, auf was ich hinaus wollte.
„Ihre ständige Stichelei gegen Herr Blumenberg ist unterste Schublade!“, platzte es aus mir heraus.
„Wie ich die Mitarbeiter behandle, ist ganz alleine meine Sache“, giftete sie zurück.
„Wenn sie Respekt von ihren Mitarbeitern wollen, dann sollten sie diese auch mit solchen behandeln.“
„Wer sagt denn, dass ich Respekt brauche? Ich bin nie lange an einem Standort, als das mir die Meinung irgendwelcher Mitarbeiter wichtig ist.“
Ich hatte genug gehört. „Sagen sie Mal ganz ehrlich. Was ist in sie gefahren? Wollen sie etwa nicht freundlich behandelt werden?“
„Haben sie nicht genug eigene Probleme?“, konterte Frau Meyer zurück. So etwas Ignorantes. Gerade als ich aufstehen wollte, damit ich ihr nicht an die Kehle springe, befahl Frau Meyer mir mit ihrer Hand, sitzen zu bleiben. „Wie ich feststellen konnte, sind sie mit ihrer Arbeit durch.“ Ich nickte stumm.
„Sehr schön“, fuhr sie fort. „Man kann sich wirklich auf sie verlassen und es wäre doch sehr schade, wenn wir sie entlassen müssten.“ Sie beugte sich vor. „Sollten sie noch einmal meinen Führungsstil bemängeln, werde ich sie kündigen.“ Frau Meyer hatte mir doch allen Ernstes wieder gedroht. Ich war kurz davor, etwas zu erwidern, da klopfte es an der Tür und ohne auf ein Herein zu warten ging die Tür auf und im Büro stand Herr Eisig. Der hatte natürlich noch gefehlt. „Gibt es ein Problem hier?“, schnatterte er sofort los. Ich sah schon mein Todesurteil unterschrieben.
„Alles in bester Ordnung Manfred. Herr Hussmann und ich haben nur den Plan für die nächste Woche besprochen. Wir sind gerade fertig geworden.“ Ich war vollkommen perplex. Sie hatte ihren Chef angelogen. Immer weniger verstand ich, was in dieser Frau vorging. Erst droht sie mir, nur um mich dann im nächsten Moment zu schützen. Gestern lobte sie Charly und mich, aber heute auf der Treppe musste sie ihn wieder beleidigen. Verstehe das wer will.
„Ich liebe ihren Einsatz für die Firma, Katrin.“ Herr Eisig drehte sich zu mir um. Er hatte wieder einen zu engen Anzug an. „Da sie mit ihrer Besprechung fertig sind, können sie das Büro nun verlassen, Herr Hussmann. Auch ich habe wichtiges mit Frau Meyer zu besprechen.“ Das ließ ich mir bestimmt nicht zweimal sagen. Der Wichtel war mir dann doch zu viel.
An meinem Platz angekommen, entschloss ich mich, etwas zu tun, um bei einer Kündigung abgesichert zu sein. Die Programme der MultiWebNet Company konnte man so leicht manipulieren. Charly war natürlich derjenige, der meinen Eingriff sofort merkte.
„Was machst du da?“, wollte er von mir wissen.
„Ich sichere mich nur ab. Frau Meyer hat mir mit Kündigung gedroht und ich nehme das sehr ernst.“
„Absichern?“, fragte er erstaunt. Charly hatte mich durchschaut, ging aber nicht weiter darauf ein.
„Dann sollten das Biest und der Wichtel nicht den Fehler machen dich zu kündigen.“ Grinsend machte Charly sich wieder an seine Arbeit.
Ich grübelte derweil über das Verhalten von Frau Meyer nach. Nebenbei suchte ich nach Optimierungsmöglichkeiten und beobachtete das Geschehen im Büro. Herr Eisig watschelte dabei immer auf und ab, Frau Meyer saß in ihren Sessel und schien zuzuhören. Sie gähnte ab und zu, aber nur wenn es Herr Eisig es nicht sah. Wahrscheinlich war das Gespräch so spannend, wie Herr Eisig groß war.
Punkt fünfzehn Uhr machten Charly und ich Feierabend. Zoé hatte nach der Schule bis sechzehn Uhr Betreuung und ich wollte unbedingt rechtzeitig dort sein. Im Gesicht von meinem Freund konnte ich erkennen, wie froh er war, die Woche hinter sich gebracht zu haben.