RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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geworden, was den Scheich tief zu treffen schien. Er hatte auf Verständnis gehofft.

      Da hielt es Hanif nicht mehr aus: „Was bildest du dir eigentlich ein, mit ihm in einem solchen Tonfall zu reden? Wer glaubst du, dass du bist? Der heimgekehrte Prinz, der das Volk erlöst hat? Nein mein Freund! Du bist ein dreckiger Verräter und als solchen werden wir dich auch behandeln. Barbar! Und du hast es gewagt über Yusuf zu richten? Warum schneidest du dir eigentlich nicht selbst die Kehle durch? Das würde uns Arbeit sparen!“ Er hatte sich so in Rage geredet, dass er erst jetzt merkte, dass sich die Hand des Scheichs in seinen Arm gekrallt hatte.

      „Sei still, rede nicht so“, brachte der Alte mit Mühe hervor. Hanif erschrak, als er ihn ansah. Sein ohnehin blasses Gesicht war aschfahl geworden, sein Atem ging stoßweise.

      Davon bemerkte Rayan nichts. Auch er hatte während der harten Worte die Gesichtsfarbe gewechselt, zunächst waren seine Wangen tiefrot geworden, danach vor Wut kalkweiß, seine Lippen blutleer. Einen Moment sah er aus, als wollte er sich auf Hanif stürzen, dann jedoch sagte er steif: „Ich möchte euren vertraulichen Plausch nicht länger stören.“ Damit drehte er sich um und stürmte hinaus.

      Der Scheich schien jetzt heftige Schmerzen zu haben und Hanif rief nach dem Doktor, der auch gleich herbeigeeilt kam und dem Verletzten eine Spritze gab. „Sie müssen jetzt gehen, Sie regen ihn zu sehr auf.“

      Doch Sedat hielt Hanif noch einen Moment auf: „Ich habe Rayan gebeten, dich in Ruhe zu lassen. Das hat er mir versprochen. Ich möchte, dass du mir das Gleiche versprichst.“

      „Ok“, knirschte Hanif. Was hätte er unter diesen Umständen auch anderes tun sollen?

      „Das ist gut. Und noch etwas: du kennst die Gesetze der Wüste, nach denen wir leben … du hast versucht hinterrücks ein Leben zu nehmen und hast einen deiner Kameraden – mich! - dadurch schwer verletzt. Es liegt also an mir, zu entscheiden, was deine Strafe dafür sein wird.“ Dann schloss er die Augen und schlief augenblicklich unter der Wirkung des Medikaments ein.

      Hanif erschrak. So hatte er die Situation noch gar nicht betrachtet. Der Scheich hatte recht. Hanif kannte und respektierte die Gesetze. Was auch immer Sedat für ihn ersinnen würde, er würde dieser Forderung Folge leisten müssen.

      2014 - Tal von Zarifa - Hausführung

      Rayan begann die Führung von der Terrasse aus in den vorderen Garten, den Weg entlang zu dem flachen Gebäude, das zur Linken lag. Es handelte sich um einen großen Pferdestall, der 40 helle, großzügig angelegte Boxen beinhaltete. Die meisten waren jedoch leer, weil sich die Pferde frei im Tal bewegten.

      Trotzdem war Carina über die Stallung begeistert. Sie war auch zuhause in München oft geritten und konnte daher abschätzen, dass dieses Gebäude quasi ein Luxushotel für Pferde war.

      Im Anschluss gingen sie den Kiesweg zurück zur Terrasse und wieder ins Haus hinein.

      Wie Rayan gehofft hatte, war Ahmad inzwischen irgendwo im Haus verschwunden. Er führte Carina zunächst durch den Eingangsbereich in den Bereich des Hauses, der rechts hinter dem Wohnzimmer lag. Tahsin folgte ihnen.

      Hinter einer schweren Holztür, die sich nur unwillig und knarrend öffnete, befand sich eine große Bibliothek. Der Raum hatte lediglich ein einziges, kleines Fenster, denn die Wände wurden alle von raumhohen Bücherregalen bedeckt. Sie ging einige Schritte hinein und ließ den Raum auf sich wirken. Wow! Dachte sie, hier eine Couch aufstellen und dann stundenlang nichts anderes tun als die verschiedenen Bücher anschauen und lesen. Das einzige Möbelstück im Raum war ein schwerer Schreibtisch, der in der Mitte des Raumes stand. Da die Tischplatte komplett leer war, wirkte der Raum unbenutzt. "Wie schade!", ging es Carina durch den Kopf.

      Nachdem Rayan ihr nicht in den Raum gefolgt war, verließ sie den Raum nach kurzem Umsehen wieder, merkte sich aber vor, dass sie hier noch öfter herkommen musste, um die Auswahl an Büchern genauer in Augenschein zu nehmen.

      Durchs Wohnzimmer zurück gingen sie anschließend die Steintreppe hinauf nach oben. Am Ende der Treppe bog Rayan zuerst nach rechts ab und führte sie an das Fenster, das sie vorher schon bemerkt hatte. Wie sie vermutet hatte, konnte sie auf den hinteren Garten hinuntersehen.

      Sie erkannte einen großen Pool direkt am Haus, ein Stück weiter einen kleinen Teich, über den eine Holzbrücke führte und einen Pavillon direkt am Wasser.

      Dazwischen liefen schmale Kieswege verschlungen durch den Garten, der sich bis zum Ende des Tales zog und durch die steile Felswand mit dem Wasserfall begrenzt wurde. Insgesamt war der Garten nicht übermäßig groß, doch die liebevoll angelegten Beete mit Blumen und Büschen und einer Vielzahl an bunten Farben waren beeindruckend.

      Ein Gärtner arbeitete in einem der Beete.

      Rayan wies auf die Tür zu ihrer Linken: „Hier ist mein Büro.“ Und sofort war Carina neugierig, doch dieses Gefühl wurde nicht gestillt, weil er die Türe nicht öffnete. Enttäuscht drehte sie sich vom Fenster weg und ging die wenigen Schritte zurück auf den Quergang. Genauso wie vorher verfuhr Rayan mit der nächsten Türe, die zum Eckzimmer führte, wo er bemerkte „hinter dieser Tür ist mein Schlafzimmer“, sie jedoch ebenfalls nicht öffnete. Etwas gehässig dachte Carina: „Tolle Hausführung, wenn er nur jede zweite Türe aufmacht.“ Aber sie wusste, dass sie unfair war. Zuhause hätte sie auch nicht unbedingt gewollt, dass Gäste in ihr Schlafzimmer latschten.

      Er zeigte ihr ein Badezimmer, das zu seinem Zimmer zu gehören schien und das farblich ganz anders als ihr eigenes war: eher in grauen und schwarzen Tönen gehalten war. Carina präferierte die Farben in ihrem Zimmer, weil die dunklen Töne einen kalten Eindruck vermittelten, doch konnte sich Carina der Eleganz des Zimmers trotzdem nicht entziehen und sie wurde umso neugieriger, wie es wohl in Rayans Schlafzimmer aussehen mochte.

      Neben dem Badezimmer kam wieder eine Tür, die Rayan nicht für sie öffnete, mit dem Hinweis, dies sei das Zimmer seines Bruders Daoud, der sich aktuell zu Besuch bei ihrer Großmutter befand, jedoch heute Abend oder morgen zurückerwartet wurde.

      Na, wenigstens ein Geheimnis würde gelüftet werden – sie würde Rayans Bruder kennenlernen.

      Zwei weitere Türen, die für sie geöffnet wurden, enthielten noch ein Gästezimmer und ein weiteres, dazugehöriges Badezimmer. „Wie viele Badezimmer hat dieses Haus eigentlich?!“ fuhr es ihr durch den Kopf.

      Als nächstes kam ihr Zimmer und links davon befand sich das Zimmer, in dem Tahsin schlief, wenn er in Zarifa war.

      Carina fragte, ob denn Julie auch hier im Haus schlafen würde, doch der war ein eigenes Heim lieber. Daher bewohnte sie ein kleines Haus im Dorf.

      Als Letztes auf dieser Etage öffnete Rayan die Doppeltüre am anderen Ende des Flurs. „So hier befindet sich nun der Harem mit meinen vier Ehefrauen“, sagte Rayan beim Öffnen und einen Moment lang erschrak Carina. Doch das Zimmer war leer und als sie Rayans breites Grinsen sah, erkannte sie, dass er sie wieder einmal nur geärgert hatte.

      Wütend schnaubte sie.

      „Was denn?“, fragte er sie nun lächelnd – „Sie waren doch diejenige, die aller Welt von meinen vier Frauen erzählt hat, die ich hier versteckt habe.“

      Tahsin lachte laut: „Na Vater, dann hättest du ja richtig Stress…“ und Rayan boxte ihm scherzhaft in die Seite: „Als ob du mit deinen vierzehn Jahren eine Ahnung davon hast“, doch Tahsin wollte das letzte Wort haben: „Wenn du wüsstest! Ich weiß viel mehr von Frauen, als ihr alle ahnt.“ Aber keiner glaubte ihm das.

      Carina beachtete ihre weiteren, lockeren Sprüche nicht, sondern bewunderte das Zimmer. Es war mit Abstand das größte Zimmer auf der Etage, U-förmig angelegt und ausschließlich Arabisch eingerichtet. Im Zentrum des Zimmers befand sich ein in blau und silbern gehaltener Zimmerbrunnen, der leise vor sich hin plätscherte.

      Mit großzügigen Fenstern in drei Richtungen war es schön hell.

      Gegenüber dem Eingang prangte zwischen den Fenstern in der Mitte der Wand ein fast lebensgroßes Bild