RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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seinem Gewehr, als dass er lag. Er hatte das Schießen eingestellt.

      Ein Fehlschuss? Das konnte Rayan bei seinen Qualitäten nicht glauben, und plötzlich dämmerte ihm, was passiert war. Nicht sein Vater, sondern er war das Ziel gewesen.

      Voller Hass blickte er nach oben, doch Hanif schien seine Umwelt nicht mehr wahrzunehmen.

      Ein leises Stöhnen Sedats brachte ihn in die Gegenwart zurück. Zuerst musste er sich um die Verletzung kümmern. „Dich hole ich mir später!“, dachte er mit einem letzten drohenden Blick nach oben, „egal, unter welchem Stein du dich auch verstecken magst!“ Doch Hanif realisierte das nicht einmal, zu sehr war er geschockt, dass er den falschen Mann getroffen hatte. Er hatte sein großes Vorbild erschossen!

      Rayan hob seinen Vater vorsichtig hoch und rannte mit ihm in Richtung Krankenstation.

      Schon von Weitem brüllte er nach dem Arzt, der innerhalb kürzester Zeit die Situation erfasst hatte und den Scheich sofort auf einen seiner OP Tische hob.

      Das laute Jubeln, welches das Ende der Kämpfe bedeutete, nahm Rayan nur undeutlich wahr.

      Die Männer Saids hatten das Lager Yuemnues etwa eine Stunde vorher erreicht und es komplett niedergebrannt. Said persönlich war es, der mit dem bösartigen Mann kurzen Prozess machte, indem er ihm höchstpersönlich eine Kugel in den Kopf jagte.

      Die Unterführer kämpften noch eine Weile weiter, gaben sich dann jedoch der Übermacht geschlagen. Sie hatten gesiegt!

      Das alles registrierte Rayan nur unterbewusst, denn er hatte schon genug Schusswunden gesehen, um zu wissen, dass es um Sedat nicht gutstand.

      Und ein Gedanke hämmerte sich förmlich in sein Gehirn: Dein Vater hat sein Leben für deines gegeben – damit seid ihr quitt! Er hat seine Schulden bei dir bezahlt … so wollte es das Gesetz der Wüste!

      Bevor der Arzt mit der Notoperation anfangen konnte, wurde Sedat noch einmal wach. Er war unruhig, versuchte immer wieder sich auf dem Operationstisch aufzurichten. Rayan eilte zu ihm, um ihn zu beruhigen. „Mein Sohn, versprich mir … versprich es mir“ „Ganz ruhig … Vater …“, es bereitete ihm Mühe, das Wort auszusprechen. Aber nachdem es gut möglich war, dass dies seine letzten Worte an Sedat waren, riss er sich zusammen. „Alles wird gut … Der Doktor wird dir helfen. Was soll ich dir versprechen?“

      „Tu' ihm nichts, lass ihn in Ruhe! Bitte!! Du musst es mir überlassen … meine Sache …VERSPRICH ES MIR.“ Rayan seufze „Ja, gut, ich verspreche es dir. Werde erst einmal gesund und dann sprechen wir gemeinsam mit ihm, ok?“

      Erst dann beruhigte sich Sedat und der Arzt konnte sich seinem Patienten widmen.

      2014 - Tal von Zarifa - Die Adoptivmutter

      Als Carina fast drei Stunden später nach unten kam, fand sie zunächst niemanden vor, den sie kannte, doch ein Bediensteter sprach sie sofort an, ob er ihr helfen könne und ob sie hungrig sei.

      Dabei lief ihr auch Ahmad über den Weg, der auf Arabisch verächtlich etwas von „der Ungläubigen“ murmelte, offenbar war er der Meinung sie würde nur Englisch sprechen und ihn nicht verstehen. Sie beschloss, sich nicht zu ärgern und ignorierte ihn einfach.

      Sie fragte den anderen, recht freundlichen Mann, wo denn alle seien und er brachte sie hinaus auf die Terrasse, wo Julie saß und ein Buch las. Natürlich auf Englisch und Carina begann sich zu fragen, ob sie überhaupt Arabisch sprach.

      Die beiden Frauen begrüßten sich kurz und Julie lud Carina ein, sich zu ihr zu setzen und legte sofort ihr Buch zur Seite. „Sie haben sicher Hunger?“, fragte sie lächelnd und Carina bestätigte, dass sie das Gefühl hatte, ein Loch im Bauch zu haben.

      Die Frage nach ihren arabischen Sprachkenntnissen wurde sofort beantwortet, als der Bedienstete daraufhin Carina nach ihren Wünschen fragte. Julie antwortete an ihrer Stelle in recht gutem Arabisch und gab ihm genaue Anweisungen, was er bringen sollte.

      Als er weg war, begann Julie sie nach ihren Erlebnissen auszufragen und Carina berichtete freiwillig alles, was sie seit ihrem Entschluss nach Arabien zu reisen erlebt hatte.

      Julie war eine gute Zuhörerin und stellte lediglich dann und wann weitere Fragen. Auch sie schien über die Abwechslung, die Carinas Erzählungen ihr bereiteten, höchst erfreut zu sein.

      So entstand bald ein angeregtes Gespräch, das nur unterbrochen wurde, als das von Julie für Carina bestellte Essen kam. Voller Begeisterung stürzte sich Carina auf die Speisen und Getränke.

      Dann redeten sie weiter und die Zeit verging. Julie fragte immer wieder ganz gezielt nach den Geschichten, die Rayan betrafen und Carina war zunächst etwas verlegen, sie wollte ihn weder schlecht aussehen lassen, noch sich anmerken lassen, was sie bei den Erlebnissen empfunden hatte: diese Faszination auf der einen Seite und dann wieder diese Wut und das Entsetzen, das sie manchmal verspürte.

      Aber schließlich hielt sie es nicht mehr aus, und fragte Julie direkt, in welchem Verhältnis sie zu Rayan stand. Julie schaute sie verblüfft an: „Hat er Ihnen das nicht gesagt? Entschuldigen Sie vielmals, ich dachte, dass er Ihnen von mir erzählt hat.“ Es klang ein wenig verletzt und sie schüttelte den Kopf. Dann fuhr sie fort: „Yas…hm, Rayan ist mein Adoptivsohn. Mein verstorbener Mann Jack und ich haben ihn adoptiert, als er 17 war.“

      Carina war verwirrt. Zum einen hätte sie schwören können, dass Julie zunächst einen anderen Namen hatte sagen wollen. Und dann diese Geschichte? Seine Adoptivmutter?! Sie war sich ganz sicher, dass sie irgendwo gelesen hatte, dass Rayans Vater Scheich Sedat Suekran erst 2005 gestorben war, an einer Kriegsverletzung. Dann wäre Rayan 32 gewesen und nicht 17.

      Sie wollte Julie noch weitere Fragen stellen, doch diese lehnte lachend ab und gab ihr den Rat, sie solle Rayan doch lieber direkt ansprechen, es wäre sein Leben und seine Geschichte und somit könne auch nur er ihr Antworten liefern.

      Das klang alles etwas philosophisch, doch Carina vermutete, es waren Ausreden, damit sie keine Informationen preisgab, von denen Rayan nicht wollte, dass Carina sie bekam. Verdammt! Waren hier eigentlich alle seltsam?

      2001 - Oase von Zarifa - Schatten der Vergangenheit

      In den nächsten Tagen war Rayan vor allem zwischen unterschiedlichen Gefühlen hin- und hergerissen: die Freude über den Sieg, die Sorge über den noch immer kritischen Zustand seines Vaters und seine Wut auf Hanif.

      Keiner außer ihm hatte von Hanifs Verrat etwas mitbekommen. Jeder dachte, er sei so betrübt, weil sein Herr und großes Idol in Gefahr schwebte. Daher fragte keiner weiter nach. Allen war klar, dass eine Kugel des Feindes Scheich Sedat verletzt hatte.

      Die Aufräumarbeiten gingen gut voran. Bald waren alle Toten ordentlich begraben, die Pferdekadaver verbrannt und die Waffen und herumliegenden Munitionsreste eingesammelt. Sie hatten sich entschieden den Minenteppich als Mahnmal erst einmal so bestehen zu lassen, wie er war und richteten die Warnschilder wieder auf, die von den Angreifern niedergetrampelt worden waren.

      Die ersten Verwundeten konnten ihre Verbände wieder abnehmen und kehrten nach Zarifa zurück.

      Hummer und Cho wollten sich auf den Rückweg machen und so kam es, dass sie Rayan zur Rede stellten: „Yasin was ist los mit dir? Wir haben bereits so viele Einsätze gemeinsam ausgestanden, wir wissen, dass das nicht normal ist. Komm schon - was ist los?“

      „Ihr solltet euch auf den Weg machen, ohne mich. Ich bin hier noch nicht fertig.“ – „Warum?“, fragte Cho, wie immer war er derjenige, der ohne Umschweife zum Thema kam.

      „Ich habe noch ein Thema mit Scheich Sedat offen. Ich kann hier nicht weg, bevor es ihm besser geht.“ Wieder war es Cho, der fragte: „Warum? Was ist diesmal anders?“ - „Hört zu … das ist nicht einfach … diese Kugel war für mich bestimmt und er hat sich an meiner Stelle geopfert. Da ist es das Mindeste, dass ich hier abwarte, ob er es schafft …“ Von Hanif, und dass es keineswegs eine verirrte Kugel gewesen war, sagte er