Einen Verlängerten bitte. Elisa Herzog. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Herzog
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738021011
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Fotokünstler, die Mutter nicht vorhanden. Muss ich noch mehr dazu sagen?“

      „Mutter!“ Terence Stimme klang eher amüsiert als vorwurfsvoll.

      Was für ein Waschlappen, dachte Sue.

      „Übrigens, Moira ist wieder im Lande. Sie sieht umwerfend aus.“ Sue schüttelte ungläubig den Kopf. Die große Clanmutter hatte also schon eine Nachfolgerin für sie ins Auge gefasst. Wie reizend! Mit klopfendem Herzen wartete sie auf ein klares Wort von Terence. Spätestens jetzt wäre es fällig gewesen. Aber es kam nichts. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Nach endlos erscheinenden Sekunden hörte sie, wie die beiden sich entfernten.

      Sie fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen entzogen. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie setzte sich auf einen Schemel, der vor der Waschmaschine stand.

      „Ihr lasst mir keine Wahl“, murmelte sie, als sie den Blisterstreifen aus ihrer Handtasche zog. „Ich habe das Gefühl, als bräuchte ich einen kleinen Energieschub.“ Sie drückte eine Tablette heraus und spülte sie mit etwas Wasser aus dem Hahn hinunter.

      Ein illoyaler Ehemann. Oder ein Mann, der nicht den Mumm hatte, sich seiner Mutter zu widersetzen. Beides war gleich mies. Damit würde er nicht so einfach davonkommen.

      Während sie beim Hinausgehen noch überlegte, wen sie sich als Erstes zur Brust nehmen würde, Terence oder Tessa, forderte Aubrey seine Gäste zum Round Dance auf – ein Ritual, das auf keiner Feierlichkeit der Familie fehlen durfte. Die Männer der Familie waren alle begeisterte Tänzer, bis auf den staubtrockenen Alistair natürlich. Nun gut, sie konnte Terence auch beim Tanzen zeigen, was eine Harke war.

      Die Band begann mit einem Cha-cha-cha und ihr erster Partner war der Bürgermeister.

      „Sie tanzen, als sei der Cha-cha-cha für Sie erfunden worden“, schmeichelte er ihr.

      „Und Sie, als wären Sie dafür geboren worden“, log sie geschmeidig zurück.

      Er lachte, und schon kündigte der Bandleader den Partnerwechsel an. Sie landete bei Terence.

      „Na, amüsierst du dich?“, fragte sie.

      „Es geht so“, meinte er. „Bis jetzt ist es weniger schlimm als gedacht.“

      „Wenn man alles hinnimmt, sicher.“

      Terence war noch dabei, sich eine Antwort, oder, was wahrscheinlicher war, eine Frage zu überlegen, als die Partner wieder wechselten und Selwyn mit strahlender Miene zu ihr tänzelte.

      Er wiegte seine Hüften so temperamentvoll, dass seinem Orthopäden, der ihm die künstliche Hüfte eingesetzt hatte, der Angstschweiß ausgebrochen wäre.

      „Hallo meine Lieblingsösterreicherin“, rief er gutgelaunt, „du siehst frisch aus wie eine Rose.“

      „Kommt aus dem Labor“, entgegnete sie. Und damit meinte sie kein Rouge, sondern ihre Amphetamine.

      „Nein, das kommt von innen“, beharrte er.

      Wie recht er hat, dachte Sue.

      „So ein Leuchten in deinen Augen. Etwa ein kleines Schäferstündchen? Ich habe dich und Terence um die Mittagszeit ziemlich lange nicht gesehen.“

      „Wer weiß?“, deutete sie kokett an.

      „Oh là, là.“ Selwyn bedachte sie prompt mit einem feurigen Blick.

      Mit ihm zu tanzen machte großen Spaß. Im Gegensatz zu der hüftsteifen Mehrheit der Briten hatte er keine Scheu, seine Gefühle im Tanz umzusetzen und dabei zum Beispiel auch die Arme einzusetzen. Was sich bei anderen, leider auch bei Terence, wie eine etwas peinliche Sportnummer anfühlte, war bei Selwyn Lebensfreude pur. Sue musste lächeln, als er sie temperamentvoll herumwirbelte und bedauerte es, als er sie an den Pfarrer übergab. Es folgte ein eher ereignisloses Intermezzo mit ihrem Schwager Alistair und dem Bürgermeister, bis sie wieder bei Terence landete.

      „Was ist los?“, zischte Terence. „Es ist fast schon peinlich, wie du dich hier produzierst. Hast du wieder was genommen?“

      „Ja, Selwyn hat es auch schon bemerkt. Er findet es toll. Und ich auch.“ Sie hätte Bäume ausreißen können. „Wir vom Kontinent sind halt etwas dekadenter als ihr.“ Sie drehte sich einmal um die eigene Achse. „Übrigens: Ich habe euch gehört.“

      „Wen?“

      „Dich und deine Mutter.“

      Er hörte zu tanzen auf. Mitten im Schritt, was für ein Mangel an Contenance! Gut, dass es keine Preisrichter gab.

      „Es war schön zu hören, wie sehr du hinter mir stehst.“ Cha-cha-cha. Ihr Hüftschwung wurde immer besser.

      „Partnerwechsel!“, rief der Bandleader und weiter ging es mit Selwyn. Theoretisch, denn Terence zog sie wieder zu sich.

      „Hör mal –“

      „Du bist nicht im Takt, mein Lieber. Und ich bin nicht deine Partnerin.“ Sue deutete nach links. „Ach, Moira ist dran. Ist deiner Mutter sowieso lieber.“

      „Sue, so ein Unsinn!“ Dann, zu Selwyn gewandt: „Onkel, gehst du bitte noch einmal zu Moira?“

      „Wieso stehst du nicht zu mir?“, fragte Sue leise. „Oder ist dir der Stall, aus dem ich komme, peinlich?“ Nun sprach sie deutsch mit ihm. „Es ist schon traurig mitzuerleben, wie wenig sich die britische Gesellschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiterentwickelt hat. Für Menschen wie deine Mutter ist das Empire immer noch lebendig. Ihr seht auf alle anderen herab. Damit ist sie nicht besser als eure widerliche Boulevardpresse.“

      „Du übertreibst“, warf Terence ein.

      „Warum hast du ihr nicht widersprochen? Selten hat mir etwas so weh getan wie deine Feigheit heute Nachmittag.“ Sie trat einen Schritt von ihm zurück und schüttelte leicht den Kopf. „Wenn deine Leser und deine Patienten wüssten, wie du in Wirklichkeit bist.“

      „Was soll das heißen?“

      Sue schüttelte resigniert den Kopf und fasste einen spontanen Entschluss. „Ich fahre mit den Kindern nach Hallstatt. Philipp ist gerne dort, und ich will Amy um mich haben. Es schadet nichts, wenn sie eine Weile aus London weg ist. Mir wird es auch gut tun, noch dazu, da wegen deines Buches unser Familienurlaub ins Wasser gefallen ist. Ich hole ihn jetzt einfach nach. Zwar ohne dich, aber du weißt ja, warum.“

      „Sue, das ist unfair, wir waren uns einig, dass wir den Urlaub in St. Barth stornieren, weil es mit meinem Buch nicht anders möglich war. Wir holen das –“

      „Du hast uns mit deinem Terminplan überfahren, und wir haben wie üblich eingewilligt“, fuhr Sue ihm über den Mund. „Aber jetzt geht es um mich und die Kinder. Ich fahre.“

      „Das halte ich nicht für gut“, protestierte Terence. „Du überstürzt das.“

      „Vielleicht hast du mich überstürzt geheiratet?“

      „So ein Unsinn.“

      Sue blieb fest. „Ich fahre.“

      Terence schloss kurz die Augen. „Wenn du meinst.“

      „Du kannst ja mit deiner Schwester nach London zurückfahren. Oder mit der standesgemäßeren Moira. Oder Deine neue Freundin Sondra holt Dich ab. Es sei denn, Du ziehst es vor, mit Deiner Mutter noch weitere Nettigkeiten über mich auszutauschen.“

      Passend zum letzten Takt des Cha-cha-cha ließ sie ihn stehen und sammelte ihre Kinder ein.

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