Haily. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742732897
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Aber sie schimpfte nicht mit mir, sondern mit dem Kind. Und sie schimpfte nicht einmal. Sie sprach liebevoll mit ihm.

      „Sorry, liebe Emma!“, sagte der Kleine mit niedergeschlagenem Blick. Und dann sah er mich wieder an, mit seinen großen, braunen Kulleraugen und diesen seidigen Wimpern. Es war um mich geschehen! Ich liebte dieses Kind. Ich hockte mich vor ihm nieder.

      „Schon gut. Jetzt können wir ja gehen, okay?“ Er sah mir in die Augen. Sein Blick war genauso durchdringend, wie der seiner Großmutter, nur dass er mir keine Angst machte. Er schenkte mir ein Lächeln. Und ich lächelte ihn an und reichte ihm die Hand.

      „Freunde? Mike?“

      Nun strahlte er über das ganze Gesicht und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

      „Yehaa! Freunde mit Emma!“ Dann stürmte er los durch den Flur und durch irgendeine Tür nach draußen. Ich bemühte mich, mir zu merken, wo er hingelaufen war.

      Jacky lachte. „Er ist ein Wirbelwind. Ich dachte vor seiner Geburt, quirliger als Devon und Dylan zusammen könnte niemand sein. Und dann wurde Michael geboren. Es ist eine Ehre für dich, wenn er dich bittet, ihn Mike zu nennen, das dürfen nur ganz ausgewählte Menschen.“ Sie legte ihre Hand auf meinen Oberarm. „Herzlichen Glückwunsch, Emma! Liebe Emma!“ Sie ging hinter Mike her. Die letzten beiden Worte betonte sie bewusst so, wie er.

      Was ging hier vor? Ich bekam einen Auftrag, erledigte ihn nicht zufriedenstellend und mein Boss lachte mit mir? Ich kannte nur das System mit Sanktionen. War man gut, bekam man Lob und Vergünstigung, war man schlecht, bekam man Tadel und Strafe. Ich hatte meinen Auftrag in meinen Augen schlecht erledigt, bekam aber weder Lob, noch Tadel, als wäre es kein Auftrag gewesen.

      Etwas irritiert folgte ich meiner Chefin durch die Tür und fand den Ausgang aus dem Haus.

      Kapitel 8

      Emma stieg zu Jacky ins Auto. Jacky brachte den Jungen auf dem Rücksitz in einem Kindersitz unter. Er quasselte munter weiter, als würde ihm die Welt gehören.

      „Er ist ein Sonnenschein, aber er kann sehr anstrengend sein. – Hast du viel mit Kindern zu tun gehabt, ich meine, vor Maricopa?“

      Emma schüttelte den Kopf. Jacky runzelte leicht die Stirn, in der Hoffnung, das Mädchen würde es nicht sehen. Aber sie starrte nach vorn aus dem Fenster und schwieg, während Jacky den Wagen die Auffahrt hinunter steuerte. Sicher brauchte sie eine Weile, bis sie wirklich auf der Ranch angekommen war. Das Kopfschütteln verwunderte Jacky, denn Black Yvi hatte ihr erzählt, dass Emma viel Zeit mit anderen Kindern auf der Straße verbracht hatte. Wahrscheinlich hatte sie dort die Kinder nicht betreut. Vielleicht beschützt, wenn sie jünger waren.

      „Was war dein Lieblingsfach in der Schule?“

      „Sprachen und Literatur.“

      „Ah, und in welchen Sprachen wurdest du unterrichtet?“

      „Spanisch und Französisch. Und in Literatur wir haben Shakespeare gelesen.“ Jacky sah kurz in Emmas Gesicht und registrierte zum ersten Mal den Anflug eines Lächelns. Shakespeare! Deshalb also.

      „Hat Shakespeare dir gefallen?“

      „Er, Hemmingway, Twain, und andere. Ich musste viel Zeit auf meinem Zimmer verbringen, wenn meine Mutter arbeitete.“

      „Wir sollten jetzt über deine Finanzen reden“, wechselte Jacky das Thema, nach einer Weile des Schweigens. „Ich weiß nicht, ob Yvi darüber mit dir gesprochen hat.“ Sie sah kurz zu Emma hinüber. Diese schüttelte den Kopf. Sie durchfuhren gerade den Ort Camp Verde, zu dessen Bezirk das Diamond Valley gehörte. Jackys Blick fiel auf den roten 68er Ford Mustang, der vor dem Diner stand. Er gehörte Freddy Sander. Jacky holte tief Luft und wandte sich wieder Emma zu. Sie wollte jetzt nicht über die Sanders nachdenken. „Okay. Dann erkläre ich es dir. Du arbeitest bei uns und wohnst bei uns. Was du arbeiten wirst, werden wir uns in den nächsten Tagen überlegen. Zuerst ist es wichtig, dass du hier ankommst, Maricopa hinter dir lassen kannst. Der Staat zahlt dir eine Resozialisierungsprämie wegen der vier Monate, die du unschuldig inhaftiert warst. Dafür werden wir dir gleich bei der Bank ein Konto einrichten. Die Daten werden an das State Departement weitergegeben. Du bekommst von denen monatlich einen festen Betrag, der dir gehört und den du frei verwenden kannst. In drei Monaten, wenn du im Ranchbetrieb integriert bist, werden wir einen Anteil dazulegen. Du wohnst kostenfrei bei uns, beteiligst dich dafür etwas im Haushalt, neben deiner eigentlichen Aufgabe. Die Resozialisierungsprämie bekommst du, solange du bei uns wohnst. Wenn du gehen möchtest, bist du auf dich gestellt. – Was ich damit sagen wollte, ist, was auch immer du gleich kaufen möchtest, es ist dein Geld.“

      „Aber ich kann doch nichts von dem Konto bezahlen, wenn noch kein Geld darauf eingezahlt wurde?“

      Jacky lächelte. „Das regeln wir. Wir strecken dem Staat eine Summe vor, mit der du in diesem Monat auskommen solltest. Aber das klären wir bei der Bank.“

      „Wie viel bezahlt der Staat?“

      Die Kleine kam zur Sache, dachte Jacky. Aber genau das waren die Dinge, die sie selbst interessiert hätten.

      „Du bekommst fünfhundert Dollar im Monat. Und nach drei Monaten zahlen wir dir zusätzlich vierhundert Dollar.“

      Emma schluckte. Jacky beobachtete das. War es ihr zu wenig? Sie bezweifelte, dass Emma je so viel Geld verdient hatte.

      „Was hast du gemacht, bevor du nach Maricopa kamst? Ich meine, hast du gearbeitet?“

      Emma schüttelte den Kopf.

      „Wovon hast du gelebt?“

      „Ich wohnte bei meiner Mutter.“

      Jacky nickte. Und fragte nicht weiter. Sie bekam das Gefühl, das Gespräch war Emma unangenehm. Die Botengänge für die Mafia, von denen sie wusste, erwähnte sie nicht.

      Sie gingen in Prescott zuerst zur Bank. Emma richtete ein Konto ein, Jacky transferierte die Summe von der sie gesprochen hatten. Der Bankangestellte erklärte, dass Emma in den nächsten zwei Wochen eine Kreditkarte zugeschickt bekam. Er zahlte ihr einen Betrag aus, damit sie jetzt schon einkaufen konnte.

      Danach besuchten sie einige Boutiquen, die Emma wählen durfte. Jacky konnte ihren Geschmack nicht einschätzen. Und sie wurde überrascht. Das Mädchen kaufte einige praktische Sachen, Jeans und T-Shirts, Sportschuhe. Und zwei Paar Pumps und Miniröcke. Es erinnerte Jacky an eine Zeit, bevor sie mit Aiden in einer Beziehung war. Sie trug damals oft solche Kleidung, mit dem Zweck, bei Männern Anerkennung zu finden. Jacky lächelte mit einem leicht bitteren Zug um den Mund. In dieser Zeit war der Mord an einem ihrer Liebhaber geschehen, den Marilyn versuchte, ihr anzuhängen. Das brachte sie nach Maricopa Tent City und nur sie und ihre Familie waren sicher, dass sie unschuldig war. Freigesprochen wurde sie damals aus Mangel an Beweisen. Zu viel sprach dafür, dass Marilyn ebenfalls als Täter in Frage kam. Es ließ sich nicht klären. Ein bitterer Nachgeschmack.

      Später kehrten sie zur Ranch zurück. Der kleine Michael war im Kindersitz eingeschlafen. Mit zwei Frauen einkaufen zu gehen, schaffte jeden Mann, dachte Jacky lächelnd und bat Emma, den Jungen vorsichtig aus dem Sitz zu nehmen. Ihr war es im Moment zu anstrengend, das selbst zu tun. Sie legte die Hand auf ihren gewölbten Bauch.

      „Geht es dir nicht gut?“, fragte Emma und hob die Augenbrauen.

      „Nein, nein, ist schon gut. – Die Kleine ist nur sehr lebhaft. Wenn sie geboren ist, wird sie sicher schlimmer als Michael.“ Jacky versuchte ein Lachen, aber es wirkte nicht echt.

      „Wo soll ich Michael hinbringen?“, fragte Emma jetzt nur.

      „Ins Wohnzimmer. Lege ihn auf die Couch. Dort kann er ruhig weiterschlafen. Ich komme gleich nach.“

      Emma brauchte etwas, bis sie den Gurt des Kindersitzes gelöst bekam und den Jungen vorsichtig herausnehmen konnte. Als er sich an ihre Schulter schmiegte, durchströmte sie ein warmes Gefühl. Sie schluckte.

      „Soll ich Hilfe holen?“, fragte Emma