Haily. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742732897
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auf den Punkt, was alle sich fragten.

      Aiden erklärte, was es mit dem Fehlen von Sandy und Emma auf sich hatte. Dann sprach Jack ein Tischgebet und das muntere Geplauder um Essen und Arbeit setzte sich fort.

      Jacky verharrte einen Moment beobachtend und dachte an die Zeit, als sie allein gewesen waren. Sie und ihr Vater Jack, mit Waleah und Aiden. Waleah war zu dieser Zeit Haushälterin ihres Vaters und Mutterersatz für Jacky gewesen. Ihr vor vielen Jahren verstorbener Mann Michael war Vorabeiter auf der Ranch gewesen. Und ihr Sohn Aiden wuchs wie ein Bruder mit Jacklyn auf. Viele Jahre nahmen sie alle Mahlzeiten zu viert ein und vermissten nichts. Eine Weile begleitete sie Frank, Jacklyns erster Ehemann, der durch einen Autounfall ums Leben kam. Erst danach wagte Aiden es, Jacky seine Liebe zu gestehen, in jenem Horrorsommer, den Jacky gerne aus ihrem Gedächtnis streichen würde. Und seitdem hatte sich die Tafel erweitert und wuchs heute um eine weitere Person.

      Jacky war gespannt, was dieses Mädchen in die Familie einbrachte. Würde sie sich hier wohlfühlen und einfinden? Ein Stück weit sich anpassen und andererseits zu sich selbst finden? Black Yvi, die engagierte Wärterin des Maricopa Tent City Gefängnisses, berichtete ihr alles, was sie über Emma wusste. Jacky war die Einzige auf der Ranch, die wusste, dass Emma nicht der richtige Name der jungen Frau war. Haily hieß sie, was Hoffnung bedeutete. Ein wunderschöner Name, der aus verständlichen Gründen, dem einfachen, aber hübschen Namen Emma weichen musste. Jacky hoffte sehr, dass das Mädchen eines Tages wieder ihren Geburtsnamen gefahrlos tragen konnte.

      Endlich wurde die Familie durch die Staubwolke, die sich das Tal heraufzog und die Erwarteten ankündigte, erlöst. Nur wenige Minuten später parkte Sandy den Wagen vor dem Haus und Aiden und Jacky traten hinaus, um den Neuankömmling zu begrüßen, bevor die gesamte Familie auf sie losgelassen wurde.

      Waleah trat ans Fenster und beobachtete die Szene draußen. Einen Blick wollte sie auf das Mädchen werfen. Sehen, wie sie sich bewegte. Sie bewegte sich nicht, blieb am Auto stehen und beobachtete alles sehr genau. Waleah nickte. Dieses Mädchen war nicht dumm. Sie überprüfte erst alles, bevor sie etwas sagte oder tat.

      Sandy umarmte Jacky und reichte Aiden die Hand. Dann sah sie zu Emma, die zögernd am Auto stand.

      Kapitel 5

      Wir befanden uns also noch in Arizona. Und nur um Big Chain irrezuführen, waren wir mehrere hundert Meilen gefahren, um in die Nähe des Ortes zurückzukehren, der mir zum Verhängnis geworden war. Und nun musste ich mich diesen Fremden stellen, die mir ein neues Zuhause geben wollten. Oder sollten? Möglicherweise bezahlte sie der Staat dafür. Meine Nerven waren angespannt wie die Sehne eines Bogens. Mein Blick hing an dem Mann, der ebenfalls sehr indianisch aussah, wie die Männer heute morgen. Und unverschämt gut. War das Aiden?

      Die Frau kam auf mich zu. Ich starrte auf ihren Bauch, der sich in ihrer Latzjeans wölbte. Sie war schwanger. Gute Güte, hoffentlich musste ich hier nicht dauernd Babysitten. Ich verstand mich nicht sehr gut auf Kinder. Die Straßenkinder in Vegas hassten mich. Allzu gern band ich ihnen einen Bären auf, und weidete mich daran, wie sie ängstlich glaubten, was ich sagte. Jacky reichte mir die Hand. Dafür war ich dankbar. Ich mochte es nicht, wenn ich von Fremden umarmt wurde.

      „Hallo Emma, ich bin Jacklyn Springfield McLeod. Herzlich willkommen im Diamond Valley, auf unserer Ranch. Ich hoffe und wünsche, dass du dich wohlfühlen wirst.“

      Was sollte ich dazu sagen? Ich schwieg, drückte nur ihre Hand, ebenso fest, wie sie die meine.

      Dann musste ich Aiden begegnen. Es war eine Vermutung. Da er aber jetzt ebenfalls auf mich zukam und mir die Hand reichte, erfuhr ich, dass ich Recht behielt.

      „Hi, ich bin Aiden McLeod. Ich sage dir ebenfalls ein herzliches Willkommen mit der Hoffnung, dass du dich hier wohl fühlst.“

      Jetzt, wo er leibhaftig vor mir stand, blieb mir fast die Luft weg. Hatte er mir doch in der vergangenen Nacht schon durch seine Verbindungen imponiert. Er war so attraktiv! Atemberaubend! Sein langes, schwarzes Haar glänzte in der Morgensonne und seine Augen funkelten warm, als sich unsere Blicke das erste Mal begegneten. Seine Hand übertrug seine Wärme auf mich, mein Herz. Er nahm mich wahr, bemerkte mich und ich seine schwarzen Augen, sein ebenmäßiges Gesicht, seine Größe. Sandy untertrieb maßlos, als sie prophezeite, ich würde ihn mögen. Nein, ich würde ihn lieben! Dessen war ich mir sicher. Wenn es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gab, war sie mir gerade begegnet.

      Etwas unsicher zog ich meine Hand zurück. Hatte er vielleicht bemerkt, was in mir vorging? Das durfte nicht passieren. Zumindest nicht heute schon. Ich ließ meinen Blick zu Jacky wandern. Sie durfte vor allem nicht bemerken, was in mir vorging.

      „Möchtest du den Rest der Familie direkt kennen lernen, oder möchtest du zuerst deine Wohnung beziehen und dich etwas ausruhen?“

      Jackys klare Stimme riss mich von meiner Wolke auf den Boden zurück.

      „Wenn ich erst in die Wohnung dürfte?“

      Ich wollte jetzt allein sein. Das musste ich erst verarbeiten. Mir war es noch nie passiert, dass ich so sehr fasziniert von einem Mann gewesen war. Mickey! Aber er war mein bester Freund und alles andere entwickelte sich eben daraus. Er hatte mich nicht so beeindruckt. Das hier war etwas anderes.

      „Ich zeige dir alles!“ Jacky lächelte. Sie war nett und sah hübsch aus. Sie und Aiden waren ein sehr schönes Paar. Leider! Ihre blonden Locken, am Hinterkopf locker zusammengesteckt, fielen weit auf den Rücken hinab. Und ihre Freundlichkeit ging mir nahe. Sie musste sich verdammt glücklich schätzen, von diesem Mann ein Kind zu erwarten. Bilder entstanden in meinem Kopf.

      „Ich gehe frühstücken“, erwähnte Sandy. Ich starrte sie an. Vielleicht wollte sie sich bei mir entschuldigen, dass ihre Begleitung hier endete. Aber ich war schließlich kein Baby mehr, das nicht mit anderen Menschen auskam.

      „Ich gehe davon aus, dass du nicht viel Gepäck hast?“ Jacky riss mich aus meinen Gedanken um Sandys Bemerkung.

      Ich nickte.

      „Das ist okay. Wir haben dir einige Kleidungsstücke besorgt, die du – wenn du magst – anziehen kannst. Für später habe ich eine Shoppingtour in Prescott vorgesehen. Dann werden wir dich nach deinem Geschmack einkleiden. Was sagst du dazu?“

      „Ich musste alles zurücklassen.“ Ob ich ihr sagen sollte, dass ich im Besitz von nur zehn Dollar war? Vielleicht würde sie mir einen Vorschuss geben.

      Jacky nickte verständnisvoll. Ja, ich musste alles zurücklassen, als die Polizei morgens um drei Uhr unsere Wohnung stürmte, Mickey und mich festnahm. Ich sah die Wohnung nie wieder. Aber es gab nicht wirklich etwas, was ich daraus vermisste. Ich besaß keine Wertstücke und es gab nichts, was mir als Erinnerungsstück wichtig gewesen wäre. An was hätte ich mich erinnern sollen? An meine Kindheit, in der ich meine Mutter entweder betrunken oder Männer beglückend erlebte? Die Kindheit, die ich überwiegend auf den Straßen in Las Vegas spielend verbrachte, weil ich nur dort vor den pädophilen Neigungen mancher Freier meiner Mutter sicher war. Gäste, ich vergaß! Die Männer, die in unsere Wohnung kamen, waren Gäste meiner Mutter. Sie verkaufte nur Unterhaltung, Bettgeflüster.

      Nicht auf den Glamourmeilen spielte ich als Kind. Es waren die Randgebiete mit den Mietshochhäusern, in denen die Menschen wohnten, die nachts die Reichen und Schönen in den Casinos und Hotels bedienten. Die Menschen, die mit Niedriglöhnen abgespeist wurden. An das alles wollte ich mich nicht erinnern. Also gab es nichts, was ich aus meiner Vergangenheit vermisste.

      Jacky brachte mich zu einem Gebäude hinter dem Ranchhaus. Dort gab es mehrere Wohneinheiten, die im Blockhausstil aneinandergesetzt waren.

      „Früher brachten wir hier die Saisonarbeiter unter. Mittlerweile haben wir genügend festangestellte Mitarbeiter. Dadurch brauchen wir nur wenige zusätzliche Arbeitskräfte. Wir haben also Wohnungen genug. – Diese hier haben wir für dich hergerichtet.“ Sie schloss eine der Haustüren auf. „In der dort wohnt Sandy.“ Sie deutete auf die Eingangstür des nächsten Blockhauses. „Aber komm erst mal herein.“

      Ich