Haily. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742732897
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Mickey hatte mir, als wir Kinder waren, oft davon berichtet. Immer dann, wenn wir auf dem Dach der alten Fabrik saßen und bei Vollmond auf die Vampire und Werwölfe warteten, erklärte mir Mickey das Sonnensystem.

      Mike plapperte ständig dazwischen und erzählte munter, was er und „Emma“ in der Stadt erlebt hatten. Er sorgte für ein paar Lacher.

      Aiden brachte die Kinder nach dem Essen zu Bett und Jacky lud Sandy und mich ins Wohnzimmer ein. Es gab Tee und Gebäck. Fast fühlte ich mich in ein älteres Jahrhundert versetzt.

      Jacky erzählte nun, dass ein paar Jungen aus Camp Verde heute wieder völlig überflüssigerweise die Pferde gejagt hatten. Aiden und Andy war es gelungen, sie zu vertreiben. Eine solche Unruhe schadete den Pferden. Und es befanden sich mehrere trächtige Stuten in der Herde. Jedes verlorene Fohlen war ein Verlust für die Ranch.

      „Die Nachbarn hetzen schon mal einige Jugendliche gegen uns auf, um uns Ärger zu machen.“ Jacky erklärte mir den Hintergrund der Angelegenheit. Ich schüttelte den Kopf.

      „Sie mögen euch nicht?“

      Jacky lachte. „So könnte man das sagen. – Fred Sander, er lebt seit zehn Jahren nicht mehr, hat es nie verkraftet, dass mein Großvater Jack Springfield, den größeren Anteil des Tales erwerben konnte. Er hat es uns immer spüren lassen, wie sehr er uns den Erfolg missgönnt. Sein Sohn John ging mit meinem Vater zur Schule. Er war ein Großmaul und verkam zum Spieler. Sein jüngerer Bruder Kyle übernahm die Ranch. Aber sie haben kein gutes Stück Land erwischt. Er steckt immer in finanziellen Schwierigkeiten.“

      Sie nippte an ihrer Teetasse. Erwartete sie, dass ich die Geschichte kommentierte oder interessant fand? Sandy ging auf das Gespräch ein. Ich wartete, bis Aiden wieder hinzukam, in der Hoffnung, dass der Abend dann interessanter würde. Aber ich wurde enttäuscht. Es ging um die Tiere, um die Nachbarn, um die Ranch. Ich entschuldigte mich damit, dass ich müde sei und verließ das Wohnzimmer.

      Draußen stand ich etwas unschlüssig vor der Tür. Es war schon dunkel und ich war es nicht gewohnt, außerhalb der Stadt draußen zu sein. Der mit funkelnden Sternen übersäte Himmel faszinierte mich. Den Blick nach oben gerichtet ging ich die Auffahrt hinunter, weg von den Ranchgebäuden.

      Ich wanderte darauf los, ohne Ziel, einfach um genießen zu wollen, allein zu sein.

      Der geschotterte Weg endete nach einer Weile an der Landstraße, von der wir heute Morgen im Morgengrauen abgebogen waren. War das wirklich erst heute gewesen? Es war ein scheinbar endlos langer Tag. Erst gestern war ich freigesprochen worden. Nein, die Anklage wurde fallen gelassen. Das war etwas Anderes. Ich galt als nicht angeklagt. Somit war ich auch nicht vorbestraft. Warum also war ich hier in einer Resozialisierungsmaßnahme? Ich war keine gestrauchelte Person, der dringend Anstand beigebracht werden musste.

      Ich drehte mich um die eigene Achse, sah die Lichter eines Wagens herankommen. Der rote Ford-Mustang Oldtimer hielt neben mir. Er war mir heute Nachmittag bereits aufgefallen, als ich mit Jacky in die Stadt fuhr.

      „Hey, Lady, wohin des Wegs? Können wir dich mitnehmen?“

      Ich starrte den Jungen an, der kaum älter als Zwanzig sein mochte.

      „Also, bei uns in Nevada stellt man sich einer Lady erst einmal anständig vor, bevor man versucht sie ins Auto zu locken!“

      Er lachte.

      „Freddy, die hat Haare auf den Zähnen, wir sollten sie stehen lassen.“

      Der Motor erstarb und der Fahrer stieg aus. Er musste Freddy sein. Sie waren also zu zweit.

      „Hier wird niemand stehen gelassen. Und erst recht nicht eine junge Dame aus Nevada, die hier so verloren herumsteht! – Könnte ja was passieren!“

      Ich ging einen Schritt zurück. Wäre ich in Las Vegas, würde ich keine Angst haben. Auch hatte ich mich schon gegen zwei Männer gewehrt, aber dazu fehlte mir jetzt die Lust.

      „Ich stehe nicht verloren herum! Ich weiß genau, wo ich bin.“

      „Und was machst du hier draußen, Schönheit?“

      Er war um den Wagen herumgekommen und stand jetzt vor mir. Ein Feuerzeug flammte auf, als er seine Zigarette anzündete und ich konnte mir einen kurzen Eindruck von seinem Gesicht verschaffen. Er trug das blonde Haar etwas länger und eine Strähne löste sich aus der Welle über der Stirn und hing ihm in die Augen. Deren Farbe konnte ich nicht erkennen, aber sie waren hell, nicht so dunkel. Er war sicher einen Kopf größer als ich, lehnte sich jetzt lässig ans Auto und blies den Rauch des ersten Zuges aus.

      „Auch eine?“ Er hielt mir das Päckchen hin. Ich griff nach der angebotenen Zigarette, steckte sie in den Mund und ließ mir Feuer geben, genau wie er, atmete ich den Rauch langsam aus. Ich hatte lange nicht mehr geraucht. Und würde es sicher nur selten tun. Können. Dass Cowboys rauchten, schien ein von Zigarettenherstellern geschaffenes Klischee zu sein. Aidens Cowboys jedenfalls rauchten nicht. Zumindest nicht während der Arbeit.

      „Und? Verrätst du mir jetzt, wer du bist und was du hier machst?“

      „Du zuerst, Gentleman!“

      Er grinste leicht, soweit ich das beim Schein des Mondes erkennen konnte. Dann schüttelte er den Kopf.

      „Na gut, ich bin Frederic Sander. Ich wohne hier in Camp Verde. Meine Freunde nennen mich Freddy.“

      „Und dein Freund?“

      Ich reckte mein Kinn kurz in Richtung Beifahrertür.

      „Das ist Leo. – Leo, sag‘ der Lady hallo!“

      „Hi!“ Der andere winkte mir durch das offene Fenster.

      Freddy sah mich jetzt erwartungsvoll an. Ich zog in Ruhe an der Zigarette und ließ mich nicht nervös machen.

      „Ich sollte jetzt wieder gehen“, sagte ich und wollte mich herumdrehen, als Sander mich am Arm fasste.

      „Hey, Baby, nicht so eilig. Ist es in Nevada üblich, dass die Ladies solch ein Geheimnis aus ihrer Identität machen?“

      Ich schüttelte seinen Arm ab und lächelte. „Sorry, ich vergaß völlig meinen Anstand. – Ich bin Emma aus Nevada. Und dass mit dem Geheimnis und der Identität – ich hatte nicht damit gerechnet, dass ihr hier so schwierige Worte kennt.“

      Er lachte.

      „Ist sie nicht süß, Leo? – Die kleine Emma aus Nevada! Was tust du hier, Emma aus Nevada?“

      „Spazieren gehen.“

      „Jeden Tag? Oder kommst du geradewegs aus Nevada hier her? Möglicherweise zu Fuß über die Route 66?“

      Ich seufzte. Er gab einfach nicht auf.

      „Also gut, Freddy, wie war noch mal dein Nachname? – Ich arbeite hier, bei den Springfields.“

      „Ah!“, sagte er gedehnt. „Dann bist du eine neue Mitarbeiterin?“

      „So in der Art.“

      „Und was arbeitest du? Hilfst du der Rothaut die Pferde einzureiten?“ Er lachte laut. Darauf war ich nicht vorbereitet. Aiden war nicht beliebt in Camp Verde wegen seiner Herkunft?

      „Nein, ich arbeite für den Iren und seine Frau. Ich betreue die Kinder und die Schwester.“

      Er sah mich wieder an, während er genüsslich an der Zigarette zog.

      „Nicht schlecht gekontert, Kleines. – Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass er eine Rothaut ist.“

      „Danke für die Kippe! Man sieht sich.“ Ich wandte mich ab und ging zügig die Auffahrt hinauf zur Ranch, ohne mich umzudrehen. Offensichtlich hatte ich soeben Bekanntschaft mit der Coolness von Camp Verde gemacht.

      Ich erreichte das Ranchgelände und beschloss, ohne Umwege in meine Wohnung zu gehen. Ich freute mich auf das Bett. Es war so angenehm weich gewesen und würde mir eine gute Nacht bescheren.

      „Sie sollten sich mit denen