seiner Herberge bis zur Grabstätte trugen ihn Frauen
und erhoben um ihn großes Weinen und Wehklagen,
des großen Lobes willen, welches der Sänger dem
ganzen weiblichen Geschlecht zeit seines Lebens er-
teilt hatte. Und mit den Tränen, die sie vergossen, zugleich
gossen sie eine Fülle edlen Weins auf Meister
Heinrichs Grab, daß der Wein durch den ganzen Umgang
der Kirche umherfloß. Und wäre manchem
Dichter, der auch die Frauen minnt und preist, lieber,
sie gäben ihm solchen Wein beim Leben. Mehr als
ein Denkmal ist Heinrich Frauenlob errichtet worden
im Dom zu Mainz, und seine Sänge sind noch unvergessen.
66. Die heilige Bilhilde
Zu Hochheim am Main saß ein Geschlecht edler Franken,
und noch gewahrte man in neuern Zeiten beim
Ziehbrunnen allda Reste ihres Burgsitzes. Das war zu
den Zeiten Chlodowigs, des Frankenkönigs. Dieses
Geschlechtes einer hieß Iberich, dem ward ein Töchterlein
geboren, das wurde Bilhilde geheißen, aber es
empfing nicht die heilige Taufe, weil durch Feindesverheerung
alle Priester gemordet oder entwichen
waren. Doch sendeten die Eltern das junge Töchterlein
in seinem dritten Jahre gen Würzburg zu Kunegunde,
einer Verwandten, und dort empfing es Lehre
und wurde unter die Zahl junger Katechumenen von
den Priestern aufgenommen. Zur Taufe gelangte das
Kind aber dennoch nicht, denn man hielt es für getauft,
und es selbst wußte nicht, daß es noch nicht der
Taufe Sakrament empfangen. Das Mägdlein wuchs
und blühte heran in Tugend und Gottesfurcht. Bilhilde
blieb frei von Heidengreueln, die dazumal noch
neben dem Christentum im Frankenlande heimisch
waren, und der Ruf ihrer Schönheit, Frömmigkeit und
Sitte drang weit umher in alle Gauen. Davon vernahm
auch Hetan, des Thüringer Herzogs Ratulf Sohn, der
war schon einmal vermählt gewesen und hatte zwei
Söhne, und warb um die junge Bilhilde; Hetan aber
war noch ein Heide, und Bilhilde nahm ihn nur auf
den dringenden Wunsch ihrer Eltern zum Gemahl,
und in der Hoffnung, es werde ihr gelingen, ihn zum
milden Christentum samt den Seinen zu bewegen.
Solches gelang ihr aber mitnichten, zu ihrer großen
Kümmernis, daher lebte sie sehr still und schmucklos,
in den Übungen strenger Kasteiung und Buße. Hetan
fand den Tod in der Schlacht, und seine Witwe empfand
ein Sehnen nach ihrer Mutter, auch ward ihr von
dem Thüringervolke mit Undank gelohnt, daß sie die
Christuslehre unter ihm auszubreiten bemüht gewesen,
sie wurde verfolgt und zur Flucht genötigt und
stieg mit ihren Jungfrauen zur Nacht in ein Schiff
ohne Steuer und Fährmann. Aber Engel erschienen,
die lenkten das Schifflein an allen Untiefen und an
allen Klippen glücklich vorüber auf der langen weiten
Stromfahrt, von der fränkischen Saale in den Main
und vom Main an Hochheim vorüber, und landete in
Mainz an, wo Siegbert, Bilhildens Ohm, Bischof geworden
war, der empfing die fromme Jungfrau gar liebevoll,
gab ihr Wohnung und half ihr zum Besitz
ihres Erbes in Hochheim, denn ihre Eltern waren
indes verstorben. Darauf stiftete die fromme Bilhilde
ein Kloster, Altenmünster zu Mainz, von ihrem Erbgut,
lebte gottergeben, züchtig, mildtätig, bis ihr Lebensziel
fast erreicht war. Da träumte dreien Nonnen
im selben Kloster, dem Bilhilde als Äbtissin vor-
stand, daß ihre Mutter und Oberin noch gar nicht getauft
sei, und offenbarten es ihr, aber sie wollte und
konnte das gar nicht glauben, bis es durch ein anderweites
Gesicht oder durch die Stimme eines Engels
auch ihrem Ohm offenbart wurde, der dann die fromme
Christin in den Christenbund aufnahm. Nachher
hat Bilhilde sich dem Weltleben völlig abgetan, und
als sie verstarb, erschien ein Lichtglanz um ihre irdische
Hülle, und Wohlgeruch erfüllte ihre Zelle. Kranke
genasen in ihrer Nähe, Blinde wurden sehend, und
Tote wandelten. Bilhilde wurde die erste Heilige des
Frankenlandes.
Viele sagten, Bilhilde sei noch beim Leben ihres
Gemahls Hetan auf so wunderbar geleitetem Schifflein
nach Mainz gekommen. Auch liegt eine Meile
unterhalb Würzburg am Mainstrom ein Ort, heißt
Veitshöchheim, der hat sich auch, gleich Hochheim,
Bilhildens Herkunft, und daß sie ihm entstamme, angenommen,
hat ihr einen eigenen Festtag gestiftet und
bewahrt und verehrt von ihr Reliquien.
67. Der Franken Furt
Die Sage geht, daß die freie deutsche Stadt Frankfurt
ihren Ursprung in solcher Weise erhalten habe. Unter
Kaiser Karl dem Großen kriegten die Sachsen gegen
die Franken und ihren mächtigen König, und waren
erstere siegreich und trieben die Feinde bis hinab zum
Ende des Mainstroms. Wie nun die Franken flüchtig
an diesen Strom und an die Stelle kamen, wo jetzt
Frankfurt liegt, und des Stromes Breite und Tiefe sie
erschreckte, da sie weder Brücke noch Schiffe hatten,
über den Main zu gelangen, siehe, da zeigte ihnen
eine Hirschkuh gleichsam nach dem Ratschluß göttlicher
Barmherzigkeit den Weg, indem sie ohne Gefahr
durch den Strom schritt und also eine Furt anzeigte,
wo die flüchtigen Franken nun ohne Gefahr über den
Strom setzen konnten und setzten. Da nun später die
nachfolgenden Feinde kamen und jene Furt nicht
kannten und fanden, so mußten sie die Franken ferner
unverfolgt lassen, und Karl der Große soll gesprochen
haben: Besser, daß die Völker sagen, ich sei mit meinen
Franken vor den Sachsen dieses Mal geflohen, als
daß sie sagen, ich sei hier gefallen,