Mainz, die uralte Römerstadt nahe dem Zusammenströmen
des Rhein und Main, von welch letzterm sie
den Namen hat, wurde auch, gleich der aurea Roma,
golden genannt, und eine angebaute Berghöhe über
der Stadt empfing den Namen die goldne Luft. Viele
haltlose Fabeln sind aufgebracht worden, wovon der
Name der Stadt herzuleiten, während doch nichts
näher lag als der Nachbarstrom. Die Römer gründeten
dort Werke, deren Trümmer noch sichtbar sind, deren
Name noch forthallt. Ein noch dauerbareres Werk,
das Christentum, in Mainz eingeführt und befestigt,
führte die Stadt zu hoher Blüte. Winfried Bonifazius
wurde der erste Erzbischof zu Mainz, durch ihn und
seinen mächtigen Einfluß ward der Grund gelegt, daß
der Erzbischofsstuhl in dieser Stadt der bedeutendste
in Deutschland wurde, und daß der Erzbischof von
Mainz später zugleich des Reiches Kurfürst, der erste
Mann nach dem Kaiser war. Doch soll Winfried nicht
allezeit die Pracht und Macht gutgeheißen haben, die
in der Kirche immer höher stieg, sondern vielmehr gesagt
und geklagt haben: Vordessen waren die Priester
golden und bedienten sich hölzerner Kelche, in unsern
Zeiten aber bedienen sich hölzerne Priester goldner
Kelche – und Spruch wie Sache vererbten sich so fort
durch alle kommenden Zeiten, nicht nur im goldnen
Mainz.
63. Hatto, Heriger und Willigis
Drei Namen der ältesten Erzbischöfe von Mainz hat
die Sage des Volkes insonderheit von Mund zu Mund
bis auf die späte Nachwelt getragen.
Hatto war gar ein strenger Herr, zornigen, treulosen
Gemütes, ohne Furcht vor Gott und ohne Liebe zu
den Menschen. Er war es, der durch schändlichen
Verrat den edlen Grafen Adalbert von Babenberg in
das Lager König Ludwigs IV. lockte, welcher denselben
enthaupten ließ. Wenn Bischof Hatto eine Rede
bekräftigen wollte, so soll er immerdar das Wort im
Munde geführt haben: Sollen mich die Mäuse fressen,
wenn's nicht wahr ist. Nun trug sich's zu, daß unter
Hattos Regierung eine große Not und Teurung entstand,
daß die Leute Hunde und Katzen aßen und
viele Hungers starben. Und da war des Bettelns und
Gabenheischens in dem Bischofhof zu Mainz kein
Ende, und meinte Hatto, es sei am besten, das arme
Volk käme eilend von der Welt, so hungere es nicht
mehr, und er bliebe ungeplagt. Ließ daher alle Armen
der Stadt in eine Scheune draußen vor dem Tore entbieten,
als wolle er ihnen eine Mahlzeit zurichten lassen,
und als alle darinnen waren, ließ er das Scheunentor
verschließen und die Scheune an allen vier
Ecken anzünden. Da nun die Eingesperrten gar ein
jämmerliches Geschrei erhoben, so sagte der grausame
Bischof: Hört ihr, wie meine Kornmäuse pfeifen?
Nun wird der Bettel wohl ein Ende haben, sollen mich
die Mäuse fressen, wenn's nicht wahr ist! – Und
siehe, da sprang eine Schar Mäuse aus dem Brand der
Scheune hervor und an den Bischof hinan, die bissen
ihn, und ihm graute. Als er nach Hause kam und sich
zur Tafel setzte, liefen Mäuse auf der Tafel herum,
fraßen von seinen Speisen, fielen in seinen Becher
und bissen ihn in die Hände. Über seiner Lagerstatt
und unter ihr und in ihr waren Mäuse und quälten ihn
mit wütenden Bissen – da erkannte Hatto schaudernd
das Gericht Gottes. Nun stand bei Bingen im Rheinstrom
eine Wasserburg, dahin enteilte der Bischof,
dort sicher zu sein, denn über das Wasser, meinte er,
würden die Mäuse nicht kommen. Aber ehe er noch in
das Schiff trat, waren schon die Mäuse drin, und da
half kein Totschlagen, denn sie verkrochen sich, und
ganze Scharen Wassermäuse kamen, die schwammen
mit dem Schiff in die Wette nach der Turminsel bei
Bingen. Auf einem großen Rheinfloß waren nicht so
viele Menschen als Mäuse in und um Bischof Hattos
Schiff. Und als er in dem Turme war, da fielen sie ihn
an und bissen ihn und fraßen ihn bei lebendigem
Leibe, und er litt brennende Höllenschmerzen von den
zahllosen Bissen und verfluchte seine Seele zu allen
Teufeln. Und die Teufel ließen nicht allzu lange auf
sich warten, sie kamen dahergefahren im lichterlohen
Brande und nahmen seine Seele und, was vom Leib
die Mäuse übriggelassen hatten, und warfen es in den
Schlund des Ätna. Und wo an einer Wand oder auf
einer Tafel der Name des Bischofs Hatto zu lesen
war, den nagten die Mäuse ab, selbst sein Gedächtnis
zu vertilgen. Seitdem heißt der Rest von Hattos Wasserburg
im Rhein bei Bingen der Mäuseturm. – Eine
ähnliche Sage von einem Mäuseturm geht auch in der
Provinz Posen, der steht im Goplosee.
Ein frommerer Mann war Erzbischof Heriger, auch
streng, aber gerecht. Einst kam gen Mainz ein
Mensch, der rühmte sich großer Dinge. Himmel und
Hölle habe er durchwandert, und im Paradiese habe er
gesessen. Da nun Heriger nach der Hölle Gelegenheit
fragte, so antwortete der falsche Prophet, die Hölle
liege rings von dichten undurchdringlichen Wäldern
umgeben, des lachte Heriger und sprach: In diesen
Wäldern mag wohl gute Saumast gefunden werden.
Aber sage an, was du im Himmel gesehen? – Im Himmel,
antwortete der Sohn des Vaters der Lügen, da
habe ich Christus sitzen sehen an großer Tafel, Sankt
Johannes war sein Mundschenk – und Christus bewirtete
alle Heiligen mit köstlichem Wein, und Sankt Petrus
nahm sich des Kochens an und des Bratens, da
gab es Essen in Fülle. Darauf sagte Bischof Heriger:
Bessern Schenken als Sankt Johannes konnte sich