ein Kloster bauen, und der Ritter tat eine Bußfahrt in
das Heilige Land, und als er zurückkam, ließ er jenen
Rosenkranz und den Handschuh, den er auf seinen
Helm gebunden mit sich geführt und der in allen Gefahren
ihn wunderbarlich geschirmt hatte, in der Kirche
zum Gedächtnis aufbewahren, nahm auch den
Handschuh auf in sein Wappenschild und nannte sein
Geschlecht und seinen Sitz Handschuchsheim.
53. Des Rodensteiners Auszug
Im Odenwalde oder nahe dabei stehen zwei Trümmerburgen,
die heißen der Rodenstein und der Schnellert,
zwei Stunden voneinander entfernt. Die Herren von
Rodenstein waren ein mächtiges Rittergeschlecht.
Einer derselben war ein gewaltiger Kriegs- und Jagdfreund,
Kampf und Jagd war sein Vergnügen, bis er
auf einem Turnier zu Heidelberg auch die Minne kennenlernte
und ein schönes Weib gewann. Doch lange
hielt er es nicht aus im friedsamen Minneleben auf
seiner Burg, eine nachbarliche Fehde lockte ihn zu
blutiger Teilnahme. Vergebens und ahnungsvoll
warnte sein Weib, bat und flehte, sie nicht zu verlassen,
da sie in Hoffnung und ihrer schweren Stunde
nahe war. Er zog von dannen, achtete ihres Flehens
nicht – sie aber war so sehr erschüttert, daß ihre
Wehen zu früh kamen – sie genas eines toten Sohnes
und – starb. Der Ritter war, dem Feinde näher zu
sein, auf seine Burg Schnellert gezogen – dort erschien
ihm im Nachtgraun der Geist seines Weibes
und sprach eine Verwünschung gegen ihn aus. Rodenstein!
sprach sie, du hast nicht meiner, nicht deiner
geschont, der Krieg ging dir über die Liebe, so sei
fortan ein Bote des Krieges fort und fort bis an den
Jünsten Tag! –
Bald darauf begann der Kampf. Der Rodensteiner
fiel und ward auf Burg Schnellert begraben. Ruhelos
muß von Zeit zu Zeit sein Geist ausziehen und dem
Lande ein Unheilsbote werden. Wenn ein Krieg auszubrechen
droht, erhebt er sich schon ein halbes Jahr
zuvor, begleitet von Troß und Hausgesinde, mit lautem
Jagdlärm und Pferdegewieher und Hörner- und
Trompetenblasen. Das haben viele Hunderte gehört,
man kennt sogar im Dorfe Oberkainsbach einen Bauernhof,
durch den er hindurchbraust mit seinem Zuge,
dann durch Brensbach und Fränkisch-Krumbach und
endlich hinauf zum Rodenstein zieht. Dort weilt das
Geisterheer bis zum nahenden Frieden, dann zieht es,
doch minder lärmend, nach dem Schnellert zurück. Im
vorigen Jahrhundert sind im Gräflich-Erbachischen
Amte zu Reichelsheim gar viele Personen, die den
Nachtspuk mit eigenen Ohren gehört hatten, amtlich
verhört worden und haben ihre Aussagen zu Protokoll
geben müssen.
Viele sagen zwar, es sei des Lindenschmieds Geist,
der so ruhelos ziehe, und von dem am Rhein alte Lieder
gehen, aber der Lindenschmied war ein Schnapphahn,
den Kaspar von Freundsberg gefangennahm,
und lange vor seinem Leben war der Rodensteiner
zum Auszug und Kriegsherold bis zum Jüngsten Tage
verwünscht worden.
54. Eginhart und Emma
Kaiser Karl der Große hatte einen jungen Kapellan,
Eginhart geheißen, der ihm auch als Geheimschreiber
treulich diente, und von welchem jenes großen und
mächtigen Kaisers Leben beschrieben worden ist.
Dieser liebte des Kaisers Tochter Imma oder Emma
und wurde von ihr heftig wiedergeliebt, doch fürchteten
sich beide, dem mächtigen Herrscher Karl ihre
Leidenschaft zu entdecken, weil Imma bereits dem
Könige von Byzanz verlobt war. Da geschah es, daß
Eginhart in einer Nacht zu Imma kam und mit ihr von
ihrer Liebe redete, bis der Morgen fast zu grauen begann.
Aber während die Liebenden heimlich beisammen
waren, fiel ein starker Schnee, und als Eginhart
von seiner Geliebten hinweggehen wollte, da er über
den Hof der Kaiserpfalz zu Ingelheim, wo sich dieses
zutrug, wandeln mußte, erschraken beide sehr, denn
sein Fußtritt von ihrem Gemach aus mußte ihn ohnfehlbar
verraten. Da ersann Imma eine List, sie gürtete
sich und trug den Geliebten auf ihrem Rücken
durch den Schnee über den Burghof bis zur Stelle, wo
er sicher war, und kehrte dann, in ihre eigenen Fußtapfen
vorsichtig tretend, wieder zurück. Alles war
still, und alles schlief, nur der große Kaiser nicht.
Dieser wachte und sah aus seinem Gemach hinab in
den Schloßhof und erkannte mit Schmerz die eigne
Tochter – doch er schwieg. Der junge Kanzler aber
gelobte sich nach der ertragenen Angst, des Kaisers
Hof zu verlassen, kniete nieder vor seinem Herrn und
bat ihn zu entlassen. Da der Kaiser nach der Ursache
solcher Bitte fragte, so wandte Eginhart Mißmut vor,
sein Dienst werde ihm nicht gehörig vergolten, und
was er sonst für Ausreden brauchte. Der Kaiser versprach
dem Jüngling baldigen Bescheid, setzte aber
ein Gericht an, zu dem er seine weisesten Räte und
Richter berief, und trug ihnen vor, was sich begeben
habe, und was er mit Augen gesehen; heischte nun, da
er in eigner Sache nicht Richter sein wollte, ihren Rat
und ihr Urteil. Da stimmten die Räte und Richter fast
allzumal für Milde und Verzeihen, und der große
König, ob er auch im Herzen zürnte, mußte ihnen zuletzt
beistimmen. Darauf ließ er seinen Schreiber vorfordern
und sprach zu ihm: Schon lange hätte ich
deine Dienste besser vergolten, hättest du mir früher
dein Mißvergnügen entdeckt, nun will ich dir meine
Tochter Imma zur ehelichen Frau geben, welche dich
hochgegürtet so williglich durch den Schnee getragen